Studie: Warum immer mehr Deutsche Medien für manipulativ halten
Das Misstrauen in die Medien wächst rasant. Eine Studie zeigt, warum immer mehr Menschen die Berichterstattung als gelenkt empfinden.
Immer mehr Menschen misstrauen den Medien. Besonders bei Themen wie Corona, Klimawandel, Russland oder Migration glauben viele, dass Berichterstattung keine neutrale Information liefert, sondern eine gelenkte Meinungsbildung darstellt. Diese Skepsis gegenüber den Medien ist nicht nur ein subjektives Gefühl: Eine wissenschaftliche Studie des Zentrums Journalismus und Demokratie (JoDem) der Universität Leipzig bestätigt diese Entwicklung.
Die Studie trägt den Titel „Von Lügenpresse und abgehobenen Eliten. Journalismus- und Demokratievertrauen in Sachsen“. Sie untersucht, welche Faktoren das Vertrauen oder Misstrauen in Medien und Politik beeinflussen. Über einen Zeitraum von fünf Jahren führten Forscher 61 ausführliche Interviews mit Bürgern in Sachsen und werteten die Ergebnisse systematisch aus. Besonders auffällig ist die enge Verbindung zwischen Medienskepsis und allgemeiner politischer Unzufriedenheit.
Misstrauen in Medien und Politik gehen Hand in Hand
Die Ergebnisse zeigen: Wer den Medien misstraut, hat meist auch wenig Vertrauen in die Politik. Die Skepsis gegenüber Nachrichtenquellen ist oft ein Ausdruck allgemeiner Unzufriedenheit mit gesellschaftlichen Entwicklungen.
Tatsächlich ist es so, dass man entweder sowohl den Medien als auch der Politik misstraut oder eben beiden vertraut. Medienskepsis ist also kein isoliertes Phänomen, sondern drückt eher eine Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen aus.
Uwe Krüger, Co-Autor
Das bedeutet: Menschen, die Medienberichten nicht trauen, empfinden oft auch die politische Lage als problematisch oder manipulativ gesteuert.
Besonders in Sachsen ist dieser Vertrauensverlust stark ausgeprägt. Viele Bürger fühlen sich von Medien und Politik nicht mehr repräsentiert. Sie erleben die Berichterstattung als bevormundend und einseitig. Die Studie zeigt, dass vor allem ältere Menschen Parallelen zur DDR-Medienlandschaft ziehen und glauben, dass auch heute eine gelenkte Meinungsbildung stattfindet.
Wahrgenommener Druck verstärkt Medienskepsis
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass viele Menschen den Medien misstrauen, weil sie sich moralisch unter Druck gesetzt fühlen. Sie haben den Eindruck, dass sie bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen oder politische Entscheidungen akzeptieren müssen, ohne dass es eine echte Debatte gibt.
Der Lügenpresse-Verdacht hängt oft damit zusammen, dass man einen moralischen Druck durch die mediale oder politische Debatte verspürt. Man soll bestimmte Veränderungen akzeptieren oder sein Verhalten ändern – und das wird auf eine konzertierte Manipulationsabsicht „von oben“ zurückgeführt.
Judith Kretzschmar, Co-Autorin
Die Studienteilnehmer beschreiben, dass Themen wie Klimaschutz, Migration oder Gender-Debatten als unausweichlich dargestellt werden. Wer sich kritisch äußert, hat das Gefühl, sofort in eine bestimmte politische Ecke gestellt zu werden. Diese Wahrnehmung verstärkt die Ablehnung gegenüber etablierten Medien.
DDR-Vergleiche prägen das Misstrauen
Ein überraschendes Ergebnis der Studie ist die häufige Bezugnahme auf die DDR. Viele Befragte vergleichen die heutige Medienlandschaft mit der Berichterstattung in der DDR und ziehen Parallelen zu damaligen staatlich kontrollierten Medien. Einige sehen kaum Unterschiede zwischen der heutigen Nachrichtenlage und einer gleichgeschalteten Presse. Sie empfinden die Medien als verlängerten Arm der Politik und glauben, dass es wieder nötig sei, „zwischen den Zeilen zu lesen“, um zur „wahren“ Information zu gelangen.
Dieser Vergleich zeigt, dass das Misstrauen tief sitzt. Die Wissenschaftler der Universität Leipzig sehen hier eine besondere Herausforderung für Journalisten: Das Bild einer gleichgeschalteten Medienlandschaft kann nur schwer durchbrochen werden, wenn Menschen überzeugt sind, dass ihnen bestimmte Meinungen aufgezwungen werden.
Wie kann Journalismus Vertrauen zurückgewinnen?
Laut Uwe Krüger könnte eine sachlichere, weniger wertende Berichterstattung das Vertrauen in die Medien stärken. Das bedeutet, dass Nachrichtenformate mehr auf faktenbasierte Analysen setzen sollten, statt Meinungen und Bewertungen in den Vordergrund zu stellen.
Wenn Berichterstattung konstruktiver, depolarisierender, nüchterner, weniger thesengetrieben und weniger wertend würde, dürfte dies das Medienvertrauen unter den Bedingungen gesellschaftlicher Spaltungen stärken.
Uwe Krüger, Co-Autor
Judith Kretzschmar fügt hinzu, dass es auch eine stärkere Medienbildung braucht. Wer einmal erlebt hat, wie Nachrichten entstehen und welche journalistischen Standards gelten, hinterfrage Berichterstattung kritischer, ohne sie pauschal abzulehnen.
Neues Projekt zur Stärkung des Medienvertrauens
Um das Vertrauen in den Journalismus zu stärken, startet die Universität Leipzig im April 2025 ein neues Forschungsprojekt. Unter dem Titel „Bürger machen Journalismus – Stärkung des Medienvertrauens für eine Demokratie im Wandel“ soll ein engerer Austausch zwischen Bürgern und Journalisten entstehen. Das Projekt läuft über fünf Jahre und wird von der VolkswagenStiftung gefördert. Entwickelt wurde es in Zusammenarbeit mit dem Landesverband Sachsen des Deutschen Journalisten-Verbands.
Das Ziel ist es, die Distanz zwischen Medien und Gesellschaft abzubauen und Menschen zu ermutigen, selbst journalistische Arbeit kennenzulernen. So sollen Bürger ein besseres Verständnis für die Herausforderungen des Journalismus bekommen – und im Idealfall wieder mehr Vertrauen in die Medien entwickeln.
Kurz zusammengefasst:
- Eine Studie der Universität Leipzig zeigt, dass Misstrauen in die Medien eng mit politischer Unzufriedenheit verbunden ist und viele Menschen die Berichterstattung als gelenkt empfinden.
- Besonders in Sachsen sehen viele Bürger Parallelen zur DDR-Propaganda und glauben, zwischen den Zeilen lesen zu müssen, um an „wahre“ Informationen zu gelangen.
- Ein neues Projekt der Universität Leipzig soll ab 2025 das Vertrauen in den Journalismus stärken, indem Bürger aktiv in die journalistische Arbeit eingebunden werden.
Bild: © Pexels