Warum moderne Paare sich immer häufiger gegen Kinder entscheiden
In Skandinavien geht der Kinderwunsch zurück – besonders bei Menschen, die auf Gleichstellung in Beruf und Partnerschaft setzen.

In Skandinavien wünschen sich vor allem Menschen mit gleichberechtigtem Rollenverständnis in Beruf und Familie seltener Kinder. © Pexels
Skandinavien gilt als Vorbild für moderne Familienpolitik. Es gibt großzügige Elternzeiten für Väter, berufstätige Mütter sind selbstverständlich, und die Kinderbetreuung funktioniert verlässlich. Trotzdem bleibt die Geburtenrate in den nördlichen Ländern niedrig. Warum entscheiden sich so viele Menschen gegen Kinder – obwohl der Staat ihnen vieles erleichtert? Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung und der niederländischen Radboud-Universität geht dieser Frage nach. Untersucht wurde anhand der Beispiele Dänemark, Norwegen und Finnland, welchen Einfluss persönliche Einstellungen zu Geschlechterrollen auf den Kinderwunsch haben. Die Ergebnisse bringen neue Perspektiven in die Debatte um Gleichstellung und Familienpolitik.
Drei Denkmuster – drei unterschiedliche Kinderwünsche
Die Forscher unterscheiden drei Haltungen zu Geschlechterrollen. Jede wirkt sich anders auf den Kinderwunsch aus:
- Egalitär: Arbeit und Familie sollen gleich aufgeteilt sein. Diese Gruppe wünscht sich am seltensten Kinder.
- Traditionell: Männer arbeiten, Frauen kümmern sich um Familie. Hier ist der Kinderwunsch am stärksten.
- Ambivalent: Im Job soll Gleichstellung gelten, zu Hause eher nicht. Die Kinderwünsche liegen im Mittelfeld.
Elternschaft ist kein Lebensziel für alle
Menschen mit egalitärer Einstellung verfolgen häufig andere Prioritäten. Karriere, persönliche Freiheit oder Reisen stehen im Vordergrund.
„Ein erheblicher Teil der kinderlosen nordischen Bevölkerung gibt an, mit der Aufgabenteilung im Haushalt zufrieden zu sein, aber die Elternschaft nicht unbedingt als primäres Lebensziel zu betrachten“, erklärt Studienautorin Nicole Hiekel.
Die Bedeutung von Elternschaft wurde auf einer Skala von 0 bis 1 bewertet. Das Ergebnis:
- Traditionell Denkende: durchschnittlich 0,32
- Ambivalente Gruppe: 0,24
- Egalitär Eingestellte: nur 0,17
Hohe Zufriedenheit – aber keine Kinder
Viele der Befragten leben in stabilen Partnerschaften. Die Zufriedenheit mit der Verteilung von Erwerbs- und Hausarbeit ist hoch – besonders bei egalitär eingestellten Paaren. Ihr Wert lag bei durchschnittlich 0,79.
Doch diese Zufriedenheit führt nicht automatisch zum Kinderwunsch. Nur in der egalitären Gruppe steigt die Bereitschaft, Kinder zu bekommen, wenn die Hausarbeit als fair empfunden wird. In den anderen Gruppen spielt das kaum eine Rolle.
Frauen denken häufiger gleichberechtigt – und wünschen sich seltener Kinder
Die Studie zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen – vor allem in Bezug auf Geschlecht, Bildung und Lebensstil:
- Frauen vertreten häufiger egalitäre Einstellungen. Genau in dieser Gruppe ist der Kinderwunsch am niedrigsten.
- Wenn egalitär eingestellte Paare Kinder bekommen, dann meist zwei – mehr ist selten geplant.
- Menschen mit traditionellen Vorstellungen wünschen sich öfter drei oder mehr Kinder. Diese Gruppe ist jedoch klein, häufig niedriger gebildet und lebt oft allein oder in unverheirateten Partnerschaften.
- Männer mit traditionellem Rollenverständnis halten Elternschaft öfter für ein zentrales Lebensziel – deutlich häufiger als Frauen.
Trotzdem gilt für beide Geschlechter: Wer Gleichstellung befürwortet, verfolgt oft andere Lebensziele. Kinder passen nicht immer dazu.
Gleichstellung verändert den Blick auf Familie
Gleichstellung erleichtert zwar das Familienleben – doch sie führt nicht automatisch zu mehr Geburten. In der Studie heißt es dazu: „Diejenigen mit den höchsten Fertilitätsabsichten – die typischerweise eine nicht-egalitäre Einstellung zur Geschlechterrolle haben – bilden das kleinste Segment der Bevölkerung.“
Die Mehrheit entscheidet sich aus Überzeugung gegen Kinder – nicht aus Mangel an Möglichkeiten, sondern weil sie andere Vorstellungen von einem erfüllten Leben hat.
Kurz zusammengefasst:
- Persönliche Einstellungen zu Geschlechterrollen beeinflussen den Kinderwunsch deutlich – egalitär eingestellte Menschen sehen Elternschaft seltener als Lebensziel, während traditionell Denkende häufiger Kinder planen.
- Trotz hoher Zufriedenheit mit Partnerschaft und Hausarbeit entscheiden sich viele egalitär eingestellte Paare bewusst gegen Kinder, da sie andere Lebensziele verfolgen.
- Gleichstellung schafft gute Bedingungen für Familien – sie führt aber nicht automatisch zu mehr Geburten, sondern verändert, was als erfülltes Leben betrachtet wird.
Übrigens: Immer mehr Menschen entscheiden sich bewusst für einen Hund – auch, weil der Kinderwunsch an wirtschaftlicher Realität scheitert. Mehr dazu in unserem Artikel.
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