Hund statt Kind – Warum sich viele für den Vierbeiner entscheiden
Immer mehr Menschen entscheiden sich für einen Hund, statt ein Kind zu bekommen – eine Studie zeigt soziale und wirtschaftliche Gründe für diesen Wandel.

Sanft gebettet wie ein Neugeborenes – der Welpe im Arm wird zum Symbol einer Generation, die Nähe sucht, aber anders lebt. © Unsplash
In vielen deutschen Städten sieht man sie überall: kleine Hunde mit Halstuch, Dackel im Fahrradkorb, Labradore mit Regenmantel. Während die Zahl der Kinder sinkt, wächst die Zahl der Hunde. Immer mehr Menschen wählen den Hund – nicht unbedingt statt einem Kind, aber oft bewusst als Alternative zu einem klassischen Familienmodell.
Laut Zahlen einer aktuellen Studie der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest besitzen heute in Deutschland, aber auch in den USA, Kanada und Australien, bis zur Hälfte aller Haushalte mindestens einen Hund. Gleichzeitig ist die Geburtenrate in vielen dieser Länder auf einem historischen Tiefpunkt angekommen. In den USA etwa sank sie zwischen 2007 und 2013 um zehn Prozent – vor allem bei Frauen zwischen 15 und 29 Jahren.
Wenn der Hund schon einzieht und das Kind noch wartet
Der Trend, einen Hund zu halten, hat viele Gründe – aber einer davon ist ganz klar: die Belastung durch ein Kind ist für viele kaum noch zu stemmen. Steigende Mieten, unsichere Jobs, teure Bildung und hohe Anforderungen an Elternschaft machen die Entscheidung für ein Kind schwerer als früher.
Die Ethologinnen Laura Gillet und Enikő Kubinyi von der Eötvös-Loránd-Universität Budapest haben genau das untersucht. Ihre Studie beleuchtet die sozialen und kulturellen Gründe, warum sich Menschen zunehmend für Hunde und gegen Kinder entscheiden – oder sich Hunde anschaffen, obwohl sie keine Kinder haben (wollen oder können).
Verantwortung – aber in einem machbaren Rahmen
Hunde geben Nähe, Struktur und Zuneigung. Sie fordern Zeit, Pflege und Aufmerksamkeit – aber eben in einem Rahmen, der für viele leichter zu bewältigen ist als ein Kind. „Trotz der hohen Abhängigkeit und Bindung der Hunde an ihre Betreuer bleiben die Verpflichtungen, die mit dem Hundebesitz einhergehen, für viele weniger belastend als die Elternschaft“, sagt Laura Gillet.
Ein Kind bedeutet oft jahrzehntelange Verantwortung. Ein Hund lebt im Schnitt nur 10 bis 15 Jahre. Die Anforderungen sind hoch, aber besser planbar. Für viele Menschen in Großstädten, mit begrenztem Einkommen oder ohne stabiles soziales Netz, ist das ein realistischerer Weg, sich emotional zu binden – ohne sich zu überfordern.
Kinderwunsch trifft Realität
In Deutschland sprechen viele Menschen vom Kinderwunsch – doch die Realität sieht oft anders aus. Die Kosten für ein Kind steigen. In den USA etwa kletterten sie in den letzten zwei Jahren um rund 35,7 Prozent. Hinzu kommt der gesellschaftliche Druck: Eltern sollen perfekte Erziehung leisten, beruflich erfolgreich bleiben und gleichzeitig noch persönliche Erfüllung finden.
Viele entscheiden sich deshalb für ein anderes Lebensmodell. Ein Hund wird dabei nicht als Kindersatz gesehen – sondern als Begleiter, der Nähe ermöglicht, ohne dieselben Verpflichtungen mit sich zu bringen.
Kleine Hunde, große Gefühle
Besonders beliebt sind kleine Hunderassen. In den USA hat sich die Zahl der Hunde unter 9 Kilogramm zwischen 2007 und 2013 fast verdoppelt – aktuell leben dort etwa 27 Millionen solcher Hunde. Sie gelten als einfacher zu halten, brauchen weniger Platz und lassen sich besser in den Alltag integrieren – vom WG-Leben bis zur kleinen Stadtwohnung.
Wir möchten darauf hinweisen, dass entgegen der landläufigen Meinung nur eine kleine Minderheit der Hundebesitzer ihre Haustiere tatsächlich wie menschliche Kinder behandelt.
Enikő Kubinyi
Es gehe nicht um eine Verwechslung von Tier und Mensch – sondern um eine neue Form von Fürsorge.
Hund oder Kind – Koexistenz statt Ersatz
Hund und Kind – das muss kein Entweder-oder sein. Viele Familien haben beides. Und manche Menschen, die keine Kinder bekommen können, entscheiden sich bewusst für einen Hund als neues Familienmitglied.
„Hundepflege kann auch mit Kindererziehung koexistieren und unterstreicht die Idee, dass Menschen möglicherweise dazu entwickelt wurden, sich unabhängig von der Spezies um andere zu kümmern,“ schreiben die Autorinnen der Studie.
Somit ersetzt der Hund kein Kind – doch er spiegelt ein Lebensgefühl, das zwischen Wunsch nach Verbindlichkeit und dem Bedürfnis nach Flexibilität pendelt.
Kurz zusammengefasst:
- In vielen westlichen Ländern sinkt die Geburtenrate, während die Zahl der Hundebesitzer steigt – wirtschaftlicher Druck und Unsicherheit prägen diese Entwicklung.
- Hunde gelten für viele als emotionaler Ausgleich, der Nähe bietet, aber im Vergleich zum Kind geringere Verpflichtungen mit sich bringt.
- Die Entscheidung für einen Hund statt ein Kind ist oft eine pragmatische und keine rein emotionale – Hundehaltung und Elternschaft schließen sich jedoch nicht aus.
Übrigens: Während viele Menschen sich heute eher für einen Hund als für ein Kind entscheiden, wandeln sich auch die Hunde selbst. Neue Zuchtziele setzen auf Freundlichkeit und Anpassung – mehr dazu in unserem Artikel.
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