Nicht beliebt – und trotzdem der Boss? Studie deckt überraschenden Einflussfaktor auf

Wer in sozialen Gruppen Einfluss will, muss das Netzwerk verstehen – nicht beliebt sein. Das zeigt eine Studie der Brown University.

Wer in einer sozialen Gruppe Einfluss will, muss das Netzwerk verstehen – nicht beliebt sein. Das zeigt eine Studie der Brown University.

Studierende der Brown University, die soziale Strukturen früh durchschauten, erlangten später mehr Einfluss in ihrer Gruppe. © Unsplash

In jeder Gruppe gibt es Personen, die andere zusammenbringen, Gespräche lenken oder neue Ideen anstoßen – oft, ohne selbst im Rampenlicht zu stehen. Ihr Einfluss wirkt leise, aber spürbar. Was sie auszeichnet, ist nicht unbedingt Charisma oder eine große Zahl an Freunden. Eine neue Studie zeigt: Einfluss in sozialen Gruppen entsteht durch ein feines Gespür für das soziale Netzwerk und nicht durch bloße Beliebtheit.

Einfluss in sozialen Gruppen entsteht durch Überblick, nicht durch die Anzahl der Freunde

Die Erkenntnisse stammen aus einem Forschungsprojekt der Brown University in den USA. Dort begleitete ein Team rund 200 Studierende durch ihr erstes akademisches Jahr. Der Fokus: Welche Personen wurden im Lauf der Zeit in ihrem sozialen Umfeld besonders einflussreich und warum?

Die Forscher begleiteten die jungen Menschen vom Einzug ins Wohnheim bis zur Winterpause und analysierten ihre Beziehungen. Das Team stellte fest: Es geht nicht um Popularität, sondern um Überblick. „Die Menschen verstehen die Struktur ihrer Gemeinschaften unterschiedlich gut“, sagt Studienleiterin Oriel FeldmanHall. „Unsere Forschung zeigt erstmals, dass Menschen, die ihr soziales Netzwerk hervorragend kartieren – also feststellen, wer zu welchen Gemeinschaften und Cliquen gehört –, später den größten Einfluss in diesem sozialen Netzwerk erlangen werden“, so die Forscherin für kognitive und psychologische Wissenschaften weiter.

Dieser Überblick über das soziale Gefüge sei laut FeldmanHall wie eine „soziale Superkraft“. Und genau diese Fähigkeit entschied darüber, wer am Ende im Zentrum des Netzwerks stand.

Keine Freunde am Anfang – aber klare Strukturen nach wenigen Monaten

Zu Beginn der Untersuchung kannte kaum jemand jemanden. Die Studierenden kamen aus verschiedenen Regionen, hatten keine bestehenden Kontakte. Doch das änderte sich schnell. Innerhalb weniger Wochen entstanden erste Freundschaften, kleine Gruppen bildeten sich, manche zerfielen wieder.

„Wenn die Studierenden auf dem Campus ankommen, haben sie keine Freunde. Aber bis zur Winterpause haben sie eine reiche soziale Welt aufgebaut“, erklärt FeldmanHall. Genau in dieser Phase konnten die Forscher besonders gut beobachten, wie sich soziale Strukturen bilden und wie einzelne Menschen darin aufsteigen.

Der Schlüssel liegt in der Beobachtungsgabe

Ein entscheidender Bestandteil der Studie war eine sogenannte Netzwerk-Aufgabe: Die Teilnehmer sollten einschätzen, wer mit wem befreundet ist. Viele sagten, sie würden einfach raten. Doch das war nicht der Fall.

„In Wirklichkeit sind einige Menschen bemerkenswert aufmerksam gegenüber der Struktur ihrer sozialen Welt, und im Laufe der Zeit ermöglicht ihnen dieses Wissen, im Zentrum zu landen“, erklärt Mitautorin Isabella Aslarus. Wer andere gut beobachtete, verstand besser, wie sich Gruppen bildeten. Und genau dieses Verständnis war ausschlaggebend für den späteren Einfluss.

Einfluss in sozialen Gruppen bedeutet: Verbindung zu den Richtigen

Besonders spannend: Viele der einflussreichsten Personen hatten zu Beginn des Jahres keine besonders große soziale Reichweite. Sie zählten nicht zu den beliebtesten, waren nicht besonders auffällig. Doch sie bauten gezielt Verbindungen auf – nicht zu irgendwem, sondern zu gut vernetzten Menschen.

Was zählt, sind Ihre Verbindungen zu anderen gut vernetzten Gleichaltrigen. Diese stärkeren sozialen Bindungen verschaffen Ihnen eine Reihe von Vorteilen, die zusammen das ausmachen, was wir Einfluss nennen.

Isabella Aslarus

Wer mit Schlüsselpersonen verbunden ist, kann leichter Informationen verbreiten, Meinungen prägen, Gruppen zusammenführen.

Einfluss bedeutet Verantwortung – und birgt Potenzial

Sozialer Einfluss ist mehr als nur Ansehen. Wer sich im Zentrum eines Netzwerks befindet, hat reale Macht. Diese Gruppendynamiken wurden in früheren Studien schon genutzt, um etwa Mobbing einzudämmen oder Gesundheitsinformationen zu verbreiten.

Auch in dieser Studie zeigte sich: Einflussreiche Personen waren oft Dreh- und Angelpunkte. Sie verbanden verschiedene Gruppen miteinander, brachten Menschen zusammen, sorgten für Zusammenhalt – bewusst oder unbewusst. Diese Rolle kann helfen, Spannungen zu reduzieren oder neue Ideen voranzubringen.

Soziale Superkraft lässt sich lernen

Was bedeutet das für den Alltag? Soziale Superkräfte entstehen nicht durch Geburt, sondern durch Aufmerksamkeit. Wer sich für sein Umfeld interessiert, zuhört, beobachtet und versteht, kann Verbindungen erkennen, bevor sie sichtbar werden. Und genau das ist der Schlüssel.

Es ist keine Frage des Charismas oder der extrovertierten Persönlichkeit. Die Studie zeigt: Einfluss gewinnt, wer Strukturen erkennt und klug damit umgeht. Wer weiß, wie das Netzwerk um ihn herum funktioniert, wird zu einer unverzichtbaren Figur darin.

Kurz zusammengefasst:

  • Nicht die Anzahl der Freunde, sondern das Verständnis sozialer Strukturen entscheidet darüber, wer in Gruppen Einfluss gewinnt.
  • Wer innerhalb sozialer Gruppen erkennt, wie Menschen miteinander verbunden sind, kann gezielt Einfluss aufbauen und zentrale Positionen erreichen.
  • Diese Fähigkeit – das „soziale Kartenlesen“ – ist eine Art Superkraft, die sich erlernen und gezielt nutzen lässt.

Übrigens: In Beziehungen spielt geteiltes Verständnis eine zentrale Rolle. Warum eine gemeinsame Weltanschauung Paare stabiler macht – mehr dazu in unserem weiteren Artikel.

Bild: © Unsplash

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