E-Scooter-Unfälle in Großstädten – Über 80 Prozent landen auf der Intensivstation

Junge Männer, Alkohol und Nachtfahrten: Unfälle mit E-Scootern enden immer öfter auf der Intensivstation – das zeigt eine neue Analyse der TU München.

E-Scooter-Unfälle mit Schwerverletzten: Studie zeigt Risikogruppen

Viele E-Scooter-Unfälle enden mit schweren Kopfverletzungen – vor allem junge Männer verunglücken nachts und unter Alkoholeinfluss. © Unsplash

Sie stehen an jeder Ecke, gelten als modern und flexibel. E-Scooter sind heute fester Bestandteil des Stadtbilds – doch die Zahl schwerer E-Scooter-Unfälle in deutschen Städten steigt rasant. Eine aktuelle Analyse der Technischen Universität München (TUM) zeigt: Es sind nicht nur Bagatellunfälle. Immer mehr Menschen erleiden schwerste Verletzungen. Die Betroffenen liegen oft tagelang im Krankenhaus – manche überleben nicht.

Seit 2020 werden besonders schwere E-Scooter-Unfälle im TraumaRegister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie erfasst. Die TUM hat jetzt 538 solcher Fälle ausgewertet. Das Ergebnis: Über 80 Prozent der Verletzten mussten auf einer Intensivstation behandelt werden. Kopf und Gesicht sind am häufigsten betroffen. 26 Menschen starben in den ersten drei Jahren nach Beginn der Erhebung.

E-Scooter-Unfälle häufen sich nachts – meist ist Alkohol im Spiel

Was die Forscher der TUM besonders alarmiert: Die Unfälle folgen klaren Mustern. Viele passieren nachts, vor allem am Wochenende. Alkohol spielt dabei oft eine zentrale Rolle. 62 Prozent der Schwerverletzten, bei denen eine Blutprobe genommen wurde, hatten Alkohol im Körper. Bei einem Drittel lag der Wert sogar über dem gesetzlichen Grenzwert.

Ein weiteres Muster: Die meisten Opfer sind Männer – rund 78 Prozent. Das Durchschnittsalter liegt bei 44 Jahren.

Jüngere Männer sind deutlich häufiger betroffen, wenn man die Daten mit Informationen zu Unfällen mit Fahrrädern, Autos oder zu Fuß vergleicht.

Dr. Dr. Michael Zyskowski, Oberarzt an der TUM und Leiter der Forschungsgruppe

Er warnt davor, das Risiko zu unterschätzen – gerade bei nächtlichen Fahrten nach dem Feiern.

Besonders nachts und am Wochenende häufen sich Unfälle mit E-Scootern. © Studie
Besonders nachts und am Wochenende häufen sich Unfälle mit E-Scootern. © Studie

Zahl der E-Scooter-Unfälle steigt rasant

Der Unfallort ist oft keine abgelegene Landstraße, sondern die Innenstadt. Fast 60 Prozent der Unfälle mit Personenschaden ereignen sich in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern. In Metropolen mit über 500.000 Menschen ist das Risiko noch größer. Und: Bei zwei Dritteln der Unfälle waren die Verunglückten allein auf dem Roller.

Die Zahl der Unfälle mit E-Scootern steigt insgesamt deutlich. Im Jahr 2023 registrierte die Polizei 9.425 solcher Unfälle mit Personenschaden – ein Plus von über 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 22 Menschen kamen ums Leben. 1.220 wurden schwer verletzt. Besonders erschütternd: Zwei Drittel der tödlich Verunglückten starben bei Alleinunfällen.

Die meisten Unfälle passieren ohne Helm

Viele unterschätzen die Geschwindigkeit von E-Scootern. Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, ein Schlagloch, ein Auto auf der Straße – schon fliegt man vornüber. Meist ist der Kopf das erste, was den Boden trifft. Genau dort treten die meisten schweren Verletzungen auf. Und fast nie tragen die Fahrer einen Helm.

Die TUM-Studie enthält zwar keine konkreten Angaben zur Helmnutzung, doch der Blick nach Australien zeigt, wie viel möglich ist: Dort sinkt die Zahl der Verletzungen spürbar, wenn eine Helmpflicht eingeführt wird. In Deutschland fehlt eine solche Regelung bislang.

Bei Unfällen mit E-Scootern kommt es meistens zu Kopfverletzungen. © Studie
Bei Unfällen mit E-Scootern kommt es meistens zu Kopfverletzungen. © Studie

Wie sich E-Scooter-Unfälle vermeiden lassen

Dr. Frederik Hartz, Mitautor der Studie, hält die hohe Zahl schwerer Verletzungen für vermeidbar. „Die Zahl der schweren Verletzungen nach E-Scooter-Unfällen müsste nicht so hoch sein“, sagt er. Deshalb fordern er und sein Team gezielte Maßnahmen. Nicht alle sind neu – aber sie wären wirksam.

Dazu gehören etwa Geschwindigkeitsbegrenzungen am Abend, Reaktionstests beim Ausleihen oder eine nächtliche Sperre in bestimmten Stadtbereichen. „Für mehr Verkehrssicherheit wäre es sinnvoll, die Verfügbarkeit der Scooter nachts und an Unfallhotspots zu reduzieren“, sagt Zyskowski.

Jüngere Nutzer verunglücken häufiger

Die Studie zeigt auch: Ältere Menschen verunglücken viel seltener mit E-Scootern. Nur etwa drei Prozent der Opfer waren über 65 Jahre alt. Fast die Hälfte war hingegen jünger als 25.

Durch Prävention können wir viel erreichen. Das beginnt mit gezielter Aufklärungsarbeit über die Folgen von schweren Kopfverletzungen für die Risikogruppen.

Dr. Dr. Michael Zyskowski

Für ihn steht fest: Wer E-Scooter nutzt, braucht Regeln – nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst. Denn jeder Unfall, der sich vermeiden lässt, ist nicht nur eine Zahl in einer Statistik. Er ist ein gesparter Krankenhausaufenthalt. Eine vermiedene Operation. Und manchmal ein gerettetes Leben.

Kurz zusammengefasst:

  • E-Scooter-Unfälle führen in Deutschland zunehmend zu schweren Kopfverletzungen, besonders bei jungen Männern, die nachts und oft alkoholisiert fahren.
  • Über 80 Prozent der Schwerverletzten müssen intensivmedizinisch behandelt werden; viele Unfälle passieren in Großstädten und ohne Beteiligung Dritter.
  • Die TUM empfiehlt gezielte Maßnahmen wie nächtliche Nutzungseinschränkungen, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Reaktionstests und eine Helmpflicht, um schwere Verletzungen zu vermeiden.

Übrigens: In Deutschlands Städten verliert das Auto an Bedeutung – Homeoffice, E-Bikes und Lieferdienste verändern, wie und warum wir uns bewegen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert