Deutsche verändern ihre Mobilität – das Auto verliert an Bedeutung
In der einstigen Autofahrer-Nation Deutschland meiden immer mehr Menschen das Auto. Besonders Berufstätige steigen auf Rad und Bus um.

Immer mehr Deutsche kehren dem Auto den Rücken – und machen Rad, Bus und Fußweg zur neuen Normalität im Alltag. © Pexels
Die Deutschen sind dabei, ihr Verkehrsverhalten von Grund auf zu verändern. Immer mehr Menschen verzichten auf das Auto – vor allem in Großstädten und insbesondere in Ostdeutschland. Stattdessen nehmen sie das Rad oder gehen zu Fuß. Das zeigen aktuelle Daten aus der Untersuchung „Mobilität in Städten – SrV 2023“, bei der fast 282.000 Deutsche aus 125.000 Haushalten in 134 Städten und Gemeinden befragt wurden.
Zwischen Februar 2023 und März 2024 wurden insgesamt über 880.000 Wege dokumentiert. Erfasst wurden unter anderem Verkehrsmittelwahl, Wegelänge, Frequenz und Zielgruppen. Die Ergebnisse liefern ein detailliertes Bild darüber, wie sich der Alltag vieler Menschen verändert – und warum das Auto dabei immer öfter die zweite Wahl ist.
Mobilität – Deutsche ändern ihr Verkehrsverhalten spürbar
Auffällig ist: Vor allem Berufstätige steigen vom Auto auf andere Verkehrsmittel um. „Der Rückgang der Autonutzung zeigt sich bei Erwerbstätigen deutlich stärker als bei Nicht-Erwerbstätigen“, heißt es in der Analyse. In ostdeutschen Städten nimmt der Anteil der Fußgänger stark zu, während die Pkw-Nutzung sinkt. Auch das Fahrrad gewinnt an Bedeutung.
Diese Entwicklung geht einher mit einem weiteren gesellschaftlichen Wandel: dem Homeoffice. Wer viel von zu Hause arbeitet, geht seltener aus dem Haus – erledigt aber fast jeden zweiten Weg zu Fuß. Mit steigender Anzahl an Homeoffice-Tagen schrumpft die Zahl der mit dem Auto zurückgelegten Strecken deutlich.
Homeoffice bremst Autofahrten stark aus
Der Wandel betrifft auch die Altersgruppen unterschiedlich. Während junge und mittelalte Menschen heute weniger mobil sind als noch vor fünf Jahren, zeigen sich Ältere aktiver. Besonders Senioren in ländlichen Regionen nutzen das Auto inzwischen häufiger als früher. In den Städten dagegen nimmt die Pkw-Verkehrsleistung vor allem bei den 20- bis 59-Jährigen ab.
Ein anderes Bild ergibt sich bei der Pkw-Verfügbarkeit: Sie ist im Vergleich zu 2018 nahezu unverändert – unabhängig davon, ob in Stadt oder Land. Es gibt also nach wie vor viele Autos. Doch sie werden offenbar häufiger ungenutzt stehen gelassen.
Ältere werden aktiver – Junge bleiben häufiger zu Hause
Auch beim Online-Shopping und Lieferdiensten zeichnet sich ein Wandel ab. Erwerbstätige und Auszubildende lassen sich deutlich öfter Essen liefern. Menschen im Homeoffice bestellen häufiger online – besonders, wenn sie in kleineren Städten leben. Der digitale Alltag beeinflusst also auch das Verkehrsverhalten.
Frauen mittleren Alters sind besonders mobil. Sie erledigen im Schnitt mehr Wege pro Tag – oft, weil sie komplexe Tagesabläufe organisieren. Männer sind am häufigsten mobil, wenn sie Anfang 40 oder im Ruhestand sind.
Digitale Dienste beeinflussen Alltagsmobilität
Ein weiteres Ergebnis: Der Anteil des sogenannten motorisierten Individualverkehrs (MIV) nimmt ab, vor allem in größeren Städten. Zufußgehen und Radfahren gewinnen dagegen an Relevanz. Besonders in ostdeutschen Metropolen wie Leipzig oder Dresden ist dieser Trend klar sichtbar.
Interessant ist auch, wie sich Elektrofahrräder durchsetzen. In kleineren Gemeinden besitzt mittlerweile jede vierte Person ein solches Rad. Und: Die mit dem E-Bike zurückgelegten Distanzen werden immer länger. Auch Ältere greifen häufiger zu dieser umweltfreundlichen Alternative.
E-Bikes verbreiten sich schnell – vor allem auf dem Land
Trotz des Rückgangs der Autonutzung bleibt der Führerscheinbesitz in fast allen Altersgruppen stabil hoch. Wer also aufs Auto verzichtet, tut das meist freiwillig – nicht, weil es ihm fehlt. Gleichzeitig steigt die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wieder an. Ein Grund dafür ist das Deutschlandticket, das viele Fahrgäste zum Umstieg bewegt hat.
„Wir sehen, dass sich die Mobilitätsgewohnheiten im Alltag weiter ausdifferenzieren“, sagt Studienleiterin Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike. Die Ergebnisse der Untersuchung liefern eine wichtige Grundlage für Verkehrsplanung und Stadtentwicklung – und zeigen: Die Mobilität der Deutschen bleibt in Bewegung.
Deutschlandticket kurbelt ÖPNV-Nutzung wieder an
Auch die Frage, wie Menschen ihre Fahrkarten kaufen, spielt eine Rolle bei der Mobilität. Seit der Einführung des Deutschlandtickets nutzen deutlich mehr Menschen digitale Zeitkarten. Der klassische Papierfahrschein verliert an Bedeutung – besonders in Großstädten. Das zeigt auch: Die Digitalisierung im Nahverkehr schreitet voran.
Parallel dazu wächst die Zahl an Menschen mit Zugang zu alternativen Verkehrsmitteln. Besonders Elektrofahrräder und Hybrid-Pkw werden häufiger genutzt als noch 2018. Trotzdem bleibt der Anteil von Fahrzeugen mit Elektroantrieb insgesamt noch relativ gering. In ländlichen Regionen fahren viele weiter mit Verbrennern – teils auch, weil es an Ladeinfrastruktur fehlt.
Mehr digitale Tickets und neue Antriebe im Alltag
Ein weiterer Aspekt: Wer viel im Homeoffice arbeitet, hat oft einen längeren Arbeitsweg – zumindest an den Tagen, an denen er ins Büro fährt. Das macht flexible Mobilitätsangebote wie Carsharing, Fahrradleihsysteme oder gut getakteten ÖPNV noch wichtiger. Gerade hier besteht in vielen Regionen Nachholbedarf.
Die Untersuchung liefert auch konkrete Zahlen für die Verkehrsplanung. So zeigt sich etwa, dass in großen Städten Menschen im Homeoffice rund 50 Prozent ihrer Wege zu Fuß zurücklegen. In ländlicheren Gegenden ist dieser Anteil deutlich geringer. Der Wohnort entscheidet also mit, wie man sich im Alltag bewegt.
Deutsche ändern Mobilität unterschiedlich – Stadt und Land driften auseinander
Die Studie wird alle fünf Jahre durchgeführt und ermöglicht so einen Vergleich über längere Zeiträume hinweg. Seit 1972 dient sie Kommunen, Verkehrsplanern und Forschern als zentrale Datenquelle für die Mobilitätsentwicklung in Deutschland. Die aktuelle Erhebung hat erneut gezeigt, wie stark sich das Verhalten der Bevölkerung verändert – und wie wichtig es ist, diese Veränderungen frühzeitig in der Verkehrsplanung zu berücksichtigen.
„Wir brauchen eine Mobilitätsplanung, die den unterschiedlichen Bedürfnissen in Stadt und Land gerecht wird“, sagt Studienleiterin Gerike. Nur so könne nachhaltige und zukunftsfähige Mobilität gelingen. Die Daten aus der Erhebung liefern dafür eine solide Grundlage – und zeigen, wie viel sich bereits bewegt hat.
Kurz zusammengefasst:
- Immer mehr Deutsche verzichten auf das Auto und ändern das Bild von Mobilität spürbar.
- Homeoffice verändert das Verkehrsverhalten grundlegend: Je mehr Tage im Homeoffice, desto weniger Autofahrten – fast jeder zweite Weg wird dann zu Fuß erledigt.
- Senioren werden aktiver, Jüngere mobiler denn je online: Während ältere Menschen – besonders auf dem Land – wieder mehr Auto fahren, nutzen Jüngere häufiger Lieferdienste und Online-Shopping.
Übrigens: Während immer mehr Deutsche das Auto stehen lassen, kocht in Paris die Stimmung hoch – wegen einer neuen Umweltspur für Fahrgemeinschaften. Warum sie für saubere Luft sorgen soll, aber viele Pendler auf die Barrikaden gehen, lesen Sie in unserem Artikel.
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