70 Jahre CERN: „Ohne Forschung hat die Gesellschaft keine Zukunft“

Wissenschaftler diskutierten am KIT über die Bedeutung von Forschung: Viele Technologien des Alltags haben ihren Ursprung im CERN.

Das Forschungszentrum CERN ist besonders für seinen großen Teilchenbeschleuniger bekannt. © CERN

Wissenschaftler diskutierten anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Genfer Forschungszentrums CERN in Karlsruhe über die Bedeutung von Forschung, speziell Grundlagenforschung. Unter den Teilnehmern der Podiumsdiskussion war auch der Geowissenschaftler Bernhard Eitel, ehemaliger Rektor der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, der der Meinung ist: „Ohne Wissenschaft und Forschung hat die Gesellschaft keine Zukunft.“

Über die mehrtägige Veranstaltung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) berichteten die Badischen Neuesten Nachrichten (BNN). Das Thema der Podiumsdiskussion: „Die Grundlagenforschung und ihre gesellschaftliche Relevanz“. Das Forschungszentrum CERN, bekannt für seinen Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC), spielt dabei weltweit eine zentrale Rolle.

Der berühmte Teilchenbeschleuniger stand vor allem zu Beginn des Jahrtausends im Rampenlicht. Damals kam die Angst auf, bei Experimenten könnten schwarze Löcher entstehen und den Planeten zerstören. 2012 machte CERN erneut auf sich aufmerksam, diesmal positiv: In diesem Jahr brachte es den Nachweis des Higgs-Bosons, eines bis dahin nur theoretisch beschriebenen Teilchens.

Es sollte bei der Diskussion aber auch um die gesellschaftliche Relevanz der Forschung gehen, die in CERN betrieben wird. Macht es für Nicht-Wissenschaftler einen Unterschied, ob wir nun wissen, dass es das Higgs-Boson gibt? Für Markus Klute, Leiter des Instituts für Experimentelle Teilchenphysik am KIT, lautet die Antwort ja.

Diese Erkenntnisse sind nicht bezahlbar.

Grundlagenforschung als Basis für technologische Fortschritte

Die Bedeutung der Grundlagenforschung werde oft unterschätzt, denn laut Klute ist sie oft Basis für praktische Anwendungen. Viele Technologien des täglichen Lebens wie das Internet, Solarzellen oder medizinische PET-Scanner haben ihren Ursprung in dieser Forschung. KIT-Vizepräsident Oliver Kraft betonte auf dem Podium, dass auch die Quantenmechanik, die lange Zeit nur theoretisch diskutiert wurde, letztlich zu revolutionären Anwendungen wie dem GPS-Navigationssystem geführt hat.

Es braucht diese Grundlagenforschung, die als Basis für praktische Anwendungen dient. Selbst, wenn diese Entwicklungen erst viel später folgen.

Ein solches Beispiel aus Karlsruhe ist die Forschung von Otto Lehmann, der bereits 1889 an der Technischen Hochschule Karlsruhe mit Flüssigkristallen arbeitete. Erst 80 Jahre später wurden diese Erkenntnisse in den ersten Flüssigkristalldisplays umgesetzt.

Gesellschaft und Wissenschaft – eine symbiotische Beziehung

Auch Anke-Susanne Müller, Leiterin des Instituts für Beschleunigerphysik und Technologie am KIT, hob die Relevanz der Grundlagenforschung hervor. Sie betonte: „Technologien wie das World Wide Web, das am CERN entwickelt wurde, haben unsere Gesellschaft umgekrempelt.“ Dem stimmte auch Rolf-Dieter Heuer, ehemaliger Generaldirektor des CERN, zu. Er sagte, dass solche Innovationen die Gesellschaft entscheidend voranbringen würden.

Heuer hob zudem die kulturelle Bedeutung der Forschung hervor, indem er auf die Kooperation am Teilchenbeschleuniger Sesame in Jordanien verwies. Dort arbeiten Forscher aus zwölf Ländern des Nahen Ostens – darunter auch Konfliktparteien wie Israel, Iran und Jordanien – friedlich zusammen.

Wenn ich sehe, wie Menschen aus unterschiedlichen Kulturen miteinander sprechen. Das geht in der Wissenschaft. Warum bekommen wir das sonst nicht hin?

Während der Diskussion kam auch die Frage auf, ob die breite Gesellschaft nun als Auftraggeber der Wissenschaft verstanden werden sollte. Sollte sie darüber entscheiden können, wozu geforscht wird? Bernhard Eitel spricht sich klar dagegen aus.

Wenn die Gesellschaft fordert, was Wissenschaft zu forschen hat, verlieren wir die Freiheit der Forschung. […] Wenn der Mainstream ein Bedarf an der Wissenschaft anmeldet, wird es gefährlich.

KIT-Vizepräsident Kraft kontert: „Wir reden hier abstrakt von der Gesellschaft. Es sind Menschen, die die Rechnung zahlen.“

Was du dir merken solltest:

  • Wissenschaftler diskutierten am Karlsruher Institut für Technologie über die gesellschaftliche Bedeutung von Forschung; Grund lieferte das 70-jährige Jubiläum des Genfer Forschungszentrums CERN.
  • Im Rahmen der Podiumsdiskussion wurde die Relevanz der Grundlagenforschung als Basis für technologische Innovationen wie das Internet und GPS betont, sowie der kulturelle Austausch, der durch die Zusammenarbeit von Forschern verschiedener Nationen entsteht.
  • Die Frage, ob die Gesellschaft Einfluss auf die Auswahl der Forschungsthemen haben sollte, wird von Wissenschaftlern unterschiedlich beantwortet.

Bild: © CERN unter CC BY-SA 4.0

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