Sterne oder Zahlen – Wie Bewertungen unser Kaufverhalten unbewusst steuern
Symbole statt Zahlen – die Darstellung von Bewertungen beeinflusst, wie gut ein Produkt wirkt und kann das Kaufverhalten begünstigen.

Eine Bewertung von 3,5 wird als Stern häufiger aufgerundet – 79 Prozent der Befragten sahen darin eher eine 4 als eine 3. © Vecteezy
Ob Hotel, Kopfhörer oder Zahnbürste: Vor fast jedem Kauf wird heute verglichen. Die Bewertung spielt dabei eine Schlüsselrolle. Doch nicht nur der Inhalt zählt, sondern auch die Form: Die Darstellung beeinflusst, wie Produkte wahrgenommen und am Ende auch gekauft werden. Hat ein Produkt eine Drei-Sterne-Bewertung? Oder doch eher vier? Bewertungen beeinflussen das Kaufverhalten stärker als gedacht – vor allem, wenn sie als Symbole statt als Zahlen dargestellt werden. Eine 3,5 sieht mit halbem Stern plötzlich viel besser aus als dieselbe Zahl im nüchternen Ziffernformat. Das zeigt eine neue Studie des Cornell SC Johnson College of Business.
Sterne lassen Produkte besser wirken
Die Forscher haben in sechs Experimenten untersucht, wie Menschen auf verschiedene Bewertungsformen reagieren. Ihr Ergebnis: Bei Sternen runden wir automatisch auf. Bei Zahlen runden wir ab. Besonders halbe Sterne wirken stärker als gedacht.
„Wenn Menschen drei volle und einen halben Stern sehen, ergänzt das Gehirn das Bild automatisch – und macht daraus fast vier“, sagte Studienautor Deepak Sirwani, Professor für Marketing und Verhaltenswissenschaft an der University of British Columbia in Vancouver. Wird dieselbe Bewertung als Zahl gezeigt, rückt die erste Ziffer in den Fokus: die 3. Und das drückt die Bewertung nach unten.
Die selbe Information wird anders bewertet
Der Unterschied sei kein Detail, sondern eine Frage der Wahrnehmung, erklärt auch Manoj Thomas, Professor für Marketing und Management: „Sterne und Zahlen aktivieren völlig verschiedene Hirnprozesse.“ Das könne erklären, warum Sterne emotional positiver wirken, obwohl sie exakt dieselbe Information vermitteln.
Die Versuchsteilnehmer mussten unter anderem Bewertungen zwischen 1 und 5 auf einer leeren Skala einordnen. Dabei unterschätzten sie durchweg Zahlen und überschätzten Sterne. Besonders deutlich wurde das bei halben Werten wie 2,5 oder 3,5.
Phänomen erklärt: Das Gehirn ergänzt Sterne unbewusst
In einem weiteren Versuch mussten 321 Menschen angeben, wie sie halbe Bewertungen einschätzen würden, etwa 3,5 Sterne oder die Zahl 3,5. Bei den Sternen sagten 79 Prozent: „Das fühlt sich wie eine 4 an.“ Bei den Zahlen waren es gerade einmal 29 Prozent. Umgekehrt rundeten 71 Prozent der Zahlen-Gruppe nach unten, selbst wenn die Bewertung identisch war.
Die Wissenschaftler sehen darin einen unbewussten Effekt: Menschen wollen „Bilder vervollständigen“. Ein halber Stern bleibt im Kopf selten halb. Stattdessen entsteht unbewusst ein kompletter Stern und die Bewertung wirkt höher, als sie eigentlich ist.
Mit der richtigen Bewertungsform steigt der Umsatz
Wir zeigen, dass ein Produkt durch die bloße Darstellung mit Sternen statt Zahlen deutlich besser abschneidet.
Deepak Sirwani
Für Unternehmen sind die Ergebnisse weit mehr als ein psychologisches Detail. Laut Studienautor Sirwani können schon 0,2 Bewertungspunkte den Umsatz eines Produkts um bis zu 300 Prozent steigern. Sterne statt Zahlen, das kann sich also direkt auf Verkaufszahlen auswirken. Gerade bei knappen Entscheidungen – kaufe ich oder nicht? – könne das entscheidend sein.
Visuelle Tricks mit realer Wirkung
Die Forscher schlagen deshalb vor, halbe Sterne künftig nicht mehr als halbleer darzustellen. Besser sei es, sie als volle, aber andersfarbige Sterne zu zeigen. Das würde das Gehirn nicht mehr zum Ergänzen verleiten und die Bewertung realistischer wirken lassen.
Die Studie beweist also: Bewertungen beeinflussen uns stärker, als wir denken. Nicht das Gefühl beim Kauf, sondern auch die endgültige Entscheidung dazu oder dagegen. Wer also Produkte im Netz vergleicht, sollte genauer hinsehen: Steht da eine Zahl oder ein Stern?
Kurz zusammengefasst:
- Sterne wirken auf Konsumenten positiver als Zahlen, weil das Gehirn halbe Sterne unbewusst zu vollen ergänzt.
- Dadurch werden identische Bewertungen unterschiedlich wahrgenommen – Sterne führen häufiger zu einer Aufwertung, Zahlen zu einer Abwertung.
- Schon kleine Unterschiede in der Bewertungsform können den Umsatz erheblich steigern – bis zu 300 Prozent bei nur 0,2 Punkten mehr.
Übrigens: Nicht nur Sterne statt Zahlen lenken unser Konsumverhalten, auch Hunger bringt das Gehirn dazu, impulsiv zu entscheiden. Wer mit leerem Magen einkauft, blendet Gesundheitsinfos aus und folgt allein dem Geschmack. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Vecteezy