Finanzielle Gewinner und Verlierer: So unterschiedlich treffen die Wahlprogramme die Deutschen
FDP und AfD entlasten Topverdiener, während SPD und Grüne mittlere Einkommen fördern. Das zeigt eine aktuelle ZEW-Studie.
Das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat untersucht, welche Auswirkungen die Parteiprogramme der großen Parteien auf private Haushalte haben könnten. Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede zwischen den Parteien: Während SPD, Grüne, Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vor allem Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen entlasten wollen, profitieren von den Steuerplänen der FDP, CDU/CSU und AfD insbesondere Besserverdiener.
Welche Haushalte gewinnen oder verlieren?
Das ZEW hat die Effekte der Parteiprogramme anhand verschiedener Musterhaushalte berechnet. Ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern und einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro würde demnach finanziell besser dastehen, wenn die Pläne von SPD, Grünen, Linken, BSW oder der Union umgesetzt würden. Die Entlastung fiele dabei unterschiedlich aus:
- Linke: 6.150 Euro mehr pro Jahr
- BSW: 1.010 Euro mehr
- Grüne: 870 Euro mehr
- SPD: 860 Euro mehr
- Union: 300 Euro mehr
Dagegen würden Familien mit diesem Einkommen bei einer Umsetzung der FDP- oder AfD-Pläne schlechter gestellt. Beim FDP-Programm hätte die Familie 1.520 Euro weniger, beim AfD-Programm wären es 440 Euro weniger. Laut ZEW liegt dies bei der FDP an geplanten Reformen beim Bürgergeld, während bei der AfD eine Kombination aus Steuererleichterungen und Wohngeldanrechnungen zu einer Reduktion des Einkommens führen würde. „Bei einer tatsächlichen Umsetzung würden diese Schlechterstellungen vermutlich vermieden“, heißt es in der Analyse.
Für Haushalte mit einem Einkommen von 60.000 Euro pro Jahr ergeben sich bereits andere Ergebnisse: Sie profitieren bei FDP und AfD spürbar.
Steuerpläne für Spitzenverdiener
Besonders große Unterschiede zeigen sich bei hohen Einkommen. Eine Familie mit 180.000 Euro Jahreseinkommen hätte laut ZEW-Analyse unter den Parteiprogrammen von Union, FDP und AfD deutliche finanzielle Vorteile:
- AfD: 19.190 Euro mehr
- FDP: 11.990 Euro mehr
- Union: 5.840 Euro mehr
Auch SPD-Pläne würden ein Plus von 2.200 Euro bringen, während bei den Grünen das Einkommen um nur 100 Euro steigen würde. Beim BSW bliebe es unverändert. Einzig die Linke würde mit einer höheren Steuerbelastung eine Senkung des Einkommens um 800 Euro bewirken.
Co-Studienautor Prof. Dr. Holger Stichnoth vom ZEW ordnet die Ergebnisse so ein: „SPD, Grüne, Linke und BSW wollen untere und mittlere Einkommen entlasten. Sie würden das über höhere Steuern für Spitzenverdienerinnen und -verdiener finanzieren. Bei Union, FDP und AfD steigen hingegen die Entlastungen mit dem Einkommen.“
Folgen für den Staatshaushalt
Nicht nur private Haushalte, auch der Staatshaushalt würde je nach Parteiprogramm unterschiedlich belastet oder entlastet. Die Analysen zeigen, dass nach den Plänen von SPD, Grünen, Linken und BSW der Staatsetat wachsen würde, während die Vorschläge von Union, FDP und AfD ihn verkleinern würden.
- Linke: +46 Milliarden Euro
- Grüne: +4 Milliarden Euro
- BSW: +4 Milliarden Euro
- SPD: +1 Milliarde Euro
Diese Mehreinnahmen würden sich für Bürger als höhere Steuerlast bemerkbar machen. Im Gegensatz dazu würden die Einnahmen des Staates nach den Plänen von FDP, AfD und Union sinken:
- FDP: -116 Milliarden Euro
- AfD: -97 Milliarden Euro
- Union: -47 Milliarden Euro
Dadurch hätten Privathaushalte mehr Geld zur Verfügung.
Prof. Dr. Holger Stichnoth erklärt, dass es keine eindeutige Antwort darauf gebe, welche Politik „richtig“ oder „falsch“ sei: „Die Wählerinnen und Wähler müssen sich überlegen, ob ein Euro bei den Privathaushalten oder beim Staat besser aufgehoben ist.“
Methodik der Berechnung
Die Berechnungen des ZEW basieren auf Daten des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP). Berücksichtigt wurden die Parteiprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien sowie des BSW. Falls Programmpunkte zu unkonkret formuliert waren, trafen die Forscher auf Basis bisheriger Beschlüsse und Aussagen der Parteien Annahmen. Ökonomische Folgewirkungen, wie mögliche Effekte auf das Wirtschaftswachstum oder den Arbeitsmarkt, wurden nicht einbezogen.
Kurz zusammengefasst:
- Die Steuerpläne der Parteien entlasten unterschiedliche Gruppen: Während SPD, Grüne, Linke und BSW besonders Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen begünstigen, profitieren von den Vorschlägen der Union, FDP und AfD vor allem Spitzenverdiener.
- Die Auswirkungen auf den Staatshaushalt variieren stark: SPD, Grüne, Linke und BSW würden durch höhere Steuereinnahmen den Staatsetat vergrößern, während die Programme von FDP, AfD und Union ihn deutlich verkleinern würden, was den Bürgern mehr Geld lässt.
- Die Berechnungen des ZEW basieren auf konkreten Daten: Sie zeigen finanzielle Effekte für verschiedene Haushalte, berücksichtigen jedoch keine langfristigen wirtschaftlichen Folgen wie Wachstum oder Arbeitsmarktveränderungen.
Übrigens: Eine weitere aktuelle Studie zeigt, dass höhere Mieten die AfD-Zustimmung bei sozial Schwächeren steigen lassen – 1 €/m² mehr führt zu bis zu 4 Prozentpunkten Plus. Mehr dazu in unserem Artikel.
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