Wie Gewerkschaften die 5-Tage-Woche erkämpften und Väter ihre Samstage zurückbekamen
Als es noch keine gesetzliche Regelung zur Arbeitszeit gab, waren 13-Stunden-Tage keine Seltenheit: Die 40-Stunden-Woche war hart umkämpft.
5 Tage die Woche, 8 Stunden am Tag: Wenn man Vollzeit arbeitet, dann ist das heutzutage in weiten Teilen die Norm, wenn es um die Arbeitszeit geht. Die musste allerdings erst hart erkämpft werden. Wie Forschung und Lehre schreibt, war es im 19. Jahrhundert nämlich normal, dass Menschen über 13 Stunden täglich arbeiteten – oft sechs Tage die Woche. Zudem rechneten Handwerksbetriebe nicht nach Stunden, sondern nach ganzen Tagen ab. Das alles ging mit enormen körperlichen und psychischen Belastungen für Arbeiter einher.
Einer der ersten, die kürzere Arbeitszeiten forderten, war der walisische Unternehmer Robert Owen. Mit seinem berühmten Slogan „Acht Stunden arbeiten, acht Stunden Freizeit, acht Stunden Schlaf“ prangerte er die in seinen Augen unhaltbaren Zustände an. Seine Forderungen fanden in England Gehör: Die Arbeiterbewegung, die sich in den 1830er-Jahren in Kooperativen und Gewerkschaften organisierte, griff seine Ideen auf. 1847 verabschiedete das britische Parlament den Factory Act, der erstmals eine Begrenzung der Arbeitszeit auf zehn Stunden vorschrieb.
Durchbruch nach der Novemberrevolution
Nach der Novemberrevolution 1918 wollten Arbeitgeberverbände verhindern, dass Fabriken in staatliches Eigentum übergingen. Um eine Eskalation zu vermeiden, schlossen sie mit den Gewerkschaften das sogenannte Stinnes-Legien-Abkommen. In diesem Abkommen wurde auch der 8-Stunden-Tag für Arbeiter verankert, ein Jahr später auch für Angestellte.
Die Arbeitgeber hofften, durch diese Zugeständnisse Streiks zu vermeiden und ihre Betriebe wirtschaftlich stabil zu halten. Die neue Regelung brachte aber nicht nur Vorteile für Arbeitnehmer, sondern auch für Unternehmen: Verkürzte Arbeitszeiten führten vielerorts zu weniger Erschöpfung bei den Beschäftigten und folglich höherer Produktivität.
Rückschläge in den folgenden Jahrzehnten
Trotz dieser Errungenschaft wurde der 8-Stunden-Tag immer wieder aufgeweicht. Bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren erlaubten Ausnahmeregelungen erneut Arbeitstage von bis zu zehn Stunden. In den Kriegsjahren hob das nationalsozialistische Regime viele Arbeitszeitvorschriften auf. Erst 1946 setzte der Alliierte Kontrollrat den 8-Stunden-Tag wieder in Kraft.
Doch der Kampf um kürzere Arbeitszeiten ging weiter. In den 1950er-Jahren forderten Gewerkschaften die Fünf-Tage-Woche. Unter dem Motto „Samstags gehört Vati mir“ kämpften sie für eine 40-Stunden-Woche. Der gesellschaftliche Wandel machte sich langsam bemerkbar: Das arbeitsfreie Wochenende wurde zunehmend zum Standard.
Streiks und Tarifverhandlungen in den 1980er-Jahren
Monatelange Tarifverhandlungen und Streiks in den 1980er-Jahren führten schließlich zum sogenannten Leber-Kompromiss und einer weiteren Verkürzung der Arbeitszeit. Unternehmen konnten nun individuelle Vereinbarungen treffen, solange die durchschnittliche betriebliche Arbeitszeit bei 38,5 Stunden lag.
In den darauffolgenden Jahren etablierten sich verschiedene Modelle: Manche Unternehmen hielten an der 40-Stunden-Woche fest, während andere auf 37 oder 38 Stunden reduzierten.
Das Arbeitszeitgesetz von 1994
1994 setzte Deutschland europäische Vorgaben zum Arbeitsrecht um. Das neue Arbeitszeitgesetz hielt am 8-Stunden-Tag fest, ermöglichte aber auch Ausnahmen. Die tägliche Arbeitszeit konnte auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, solange der Durchschnitt über sechs Monate hinweg nicht über acht Stunden lag.
Einige Berufsgruppen blieben von diesen Regelungen ausgenommen: Selbstständige, leitende Angestellte, Chefärzte und Beamte fallen nicht unter das Arbeitszeitgesetz. In bestimmten Branchen wurden zudem tarifliche Vereinbarungen getroffen, die über die gesetzliche Norm hinausgingen.
Wie lang arbeiten die Deutschen heutzutage?
Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die durchschnittliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte im Jahr 2023 rund 40,2 Stunden pro Woche betrug. Teilzeitbeschäftigte arbeiteten im Schnitt 20,8 Stunden pro Woche. Insgesamt fiel der Arbeitstag vieler Deutschen ähnlich lang aus wie noch im Jahr 1991: Vollzeitbeschäftigte arbeiteten damals im Schnitt 41,4 Stunden und damit nur rund eine Stunde mehr. Bei den Teilzeitbeschäftigten ist die Arbeitszeit seit 1991 sogar leicht gestiegen – die betrug damals nur 20 Stunden
Wirft man einen Blick auf die mittlere Wochenarbeitszeit aller Erwerbstätigen (hier fließen Voll- und Teilzeitarbeit mit ein), kommt Deutschland auf 34,3 bis 34,4 Stunden. Im europäischen Vergleich steht Deutschland damit sehr gut da – nur in den Niederlanden, Dänemark und Norwegen wurde 2023 noch weniger gearbeitet. Mit einem Wochenschnitt von 42,5 Stunden war Serbien zur Zeit der Erhebung das europäische Land mit den längsten Arbeitszeiten.
Die negativen Folgen langer Arbeitszeiten
Längere Arbeitszeiten haben direkte Auswirkungen auf die Gesundheit. Beschäftigte, die mehr als zwölf Stunden täglich arbeiten, leiden häufiger unter Schlafstörungen. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wird dadurch erschwert: Wer regelmäßig Überstunden macht, hat weniger Zeit für Familie und Freizeitaktivitäten. Das kann langfristig zu psychischen Belastungen führen.
Kurz zusammengefasst:
- Der 8-Stunden-Tag wurde in Deutschland erst nach der Novemberrevolution 1918 eingeführt, um Arbeiter zu entlasten und Streiks zu verhindern.
- Immer wieder gab es Rückschläge, doch mit der „Samstags gehört Vati mir“-Kampagne setzte sich die 40-Stunden-Woche durch.
- Heute sind flexible Arbeitszeiten möglich, doch viele Beschäftigte arbeiten länger als gesetzlich vorgesehen – mit Folgen für Gesundheit und Privatleben.
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