Gerecht bezahlt? Dann steigt die Leistung – sonst sinkt sie deutlich
Lohngerechtigkeit steigert die Produktivität stärker als der bloße Gehaltsvergleich mit Kollegen – das zeigt eine Analyse von 20.000 Uni-Beschäftigten in den USA.

Transparente Gehälter, das Gefühl, fair bezahlt zu werden und Aufstiegschancen stärken das Engagement im Job. © Unsplash
Ein gutes Gehalt allein reicht nicht, um Menschen zu motivieren. Viel wichtiger für die Produktivität ist Lohngerechtigkeit – das Gefühl, gerecht bezahlt zu werden. Genau das zeigt eine große Analyse unter rund 20.000 Beschäftigten an öffentlichen US-Universitäten. Die Daten stammen aus realen Arbeitsverhältnissen und nicht aus Laborexperimenten.
Was passiert, wenn plötzlich alle wissen, wie viel die Kollegen verdienen? Das Forschungsteam untersuchte, wie sich die Produktivität verändert, wenn Gehaltsdaten öffentlich einsehbar werden. Dabei stand nicht der Vergleich im Vordergrund, sondern das persönliche Empfinden: Verdiene ich für meine Leistung genug?
Wer sich unfair behandelt fühlt, leistet weniger
Beschäftigte, die sich nach der Offenlegung der Gehälter als „unterbezahlt“ empfanden, arbeiteten messbar weniger, vor allem, wenn sie bereits einen sicheren Job hatten. Die Forscher beobachteten einen Rückgang der Leistung, der nicht dramatisch, aber deutlich war.
Ein Ergebnis überrascht: Die Leistung sank vor allem bei jenen, die in ihrer Karriere schon weit fortgeschritten waren. Unterbezahlte Professoren mit unbefristeter Stelle reagierten empfindlicher auf Gehaltsungerechtigkeit als Nachwuchswissenschaftler. Der Grund dürfte im Sicherheitsgefühl liegen – wer nichts mehr beweisen muss, lässt eher nach.
Umgekehrt profitierten Hochschulen, die klare Aufstiegschancen mit Gehaltszuwächsen verbanden. Beschäftigte reagierten auf diese Perspektive mit mehr Engagement. Gerade an forschungsstarken Hochschulen war der Effekt besonders ausgeprägt.
Überbezahlte ziehen an – aus Pflichtgefühl
Ganz anders reagierten jene, die auf einmal erkannten, dass sie überdurchschnittlich bezahlt werden. Sie legten zu. Und zwar spürbar. Ihre Leistung stieg um 5 bis 13 Prozent. Offenbar wollten sie beweisen, dass sie ihr Gehalt verdienen. „Beschäftigte, die herausfanden, dass sie überbezahlt waren, steigerten ihre Produktivität wahrscheinlich, um die hohe Vergütung zu rechtfertigen“, sagte Studienleiter Cédric Gutierrez von der Bocconi University. Diese Art von Reaktion deckt sich mit psychologischen Modellen: Wer mehr bekommt, als er sich zutraut, fühlt sich verpflichtet, mehr zu leisten.
Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Beschäftigte eher auf Ungerechtigkeit als auf bloße Unterschiede reagieren.
Tomasz Obloj von der Indiana University
Dabei ging es nicht um Neid, sondern um Lohngerechtigkeit, also die Frage, ob Bezahlung zur eigenen Leistung passt.
Leistung messen mit Veröffentlichungen und Preisen
Gemessen wurde die Produktivität an klaren Kennzahlen: Wer veröffentlichte wie viele Artikel? Wer bekam Auszeichnungen oder veröffentlichte Bücher? Die Werte stammen aus öffentlichen Datenbanken und spiegeln die Leistung wider, die Hochschulen bei Beförderungen und Vertragsverlängerungen berücksichtigen.
Die Datenbasis ist beeindruckend. Über acht Bundesstaaten hinweg machten Medien, Denkfabriken und Behörden die Gehälter an Hochschulen öffentlich. Das Forschungsteam nutzte diesen Moment, um Leistung vor und nach der Offenlegung zu vergleichen.
Klare Perspektiven treiben die Leistung nach oben
Ein weiterer Punkt: Wenn Beschäftigte erkannten, dass höhere Positionen auch deutlich besser bezahlt wurden, arbeiteten sie härter. Die sogenannte vertikale Gehaltsstruktur, also Unterschiede zwischen den Rängen, motivierte mehr als horizontale Vergleiche mit Gleichgestellten.
Die Studie zeigt, wie wichtig transparente und faire Gehaltsmodelle für die Leistungsbereitschaft sind. Nicht das Wissen, wie viel andere bekommen, macht unzufrieden, sondern das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden. Wer hingegen erkennt, dass Engagement belohnt wird, investiert mehr.
Kurz zusammengefasst:
- Eine Untersuchung mit 20.000 Uni-Beschäftigten zeigt: Transparente Gehälter führen nicht zu weniger Leistung, sondern verändern das Verhalten individuell.
- Wer sich im Vergleich als überbezahlt erkennt, arbeitet deutlich mehr – bis zu 13 Prozent –, während sich Unterbezahlte zurückziehen, besonders bei sicherem Arbeitsplatz.
- Nicht Gleichheit, sondern Lohngerechtigkeit zählt: Wenn Leistung und Gehalt zusammenpassen und Aufstiegsperspektiven erkennbar sind, steigt die Produktivität.
Übrigens: Nicht nur gerechte Bezahlung steigert die Leistung – auch mentale Stabilität macht Beschäftigte produktiver und motivierter. Wie echte Produktivität und psychische Gesundheit zusammenhängen, mehr dazu in unserem Artikel.
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