Präkrastination – Warum der Zwang, alles sofort zu erledigen, krank machen kann

Präkrastination bleibt oft unbemerkt – dabei raubt sie Energie und Klarheit. Wer früh gegensteuert, schützt sich vor Dauerbelastung

Präkrastination: Wenn Erledigen nicht warten darf

Wer unter Präkrastination leidet, arbeitet oft pausenlos – nicht aus Effizienz, sondern um innere Unruhe zu vermeiden. Das kann langfristig zur Erschöpfung führen. © Pexels

Ein leerer Schreibtisch, eine vollständig abgehakte To-do-Liste, das Gefühl von Kontrolle – für viele klingt das beruhigend. Doch wer versucht, jede Aufgabe sofort zu erledigen, obwohl das nicht nötig ist, schadet sich oft selbst. Dieses Verhalten nennt die Psychologie Präkrastination. Es kann ebenso belasten wie das ständige Aufschieben, die sogenannte Prokrastination.

Eine Untersuchung der IKK warnt vor den Folgen dieses Erledigungsdrangs. Wer permanent unter Strom steht, trifft schlechtere Entscheidungen, arbeitet ineffizient und gefährdet auf Dauer seine psychische Gesundheit.

Präkrastination: Wenn To-do-Listen zum Stressfaktor werden

Viele Menschen empfinden offene Aufgaben als Belastung. Sie wollen alles sofort erledigen, selbst Kleinigkeiten. Statt kurz innezuhalten und zu prüfen, was wichtig ist, handeln sie schnell – oft zu schnell.

„Zu wissen, dass wir etwas noch erledigen müssen, stresst uns häufig“, sagt der US-Psychologe David Rosenbaum, der das Phänomen erforscht hat. Präkrastinierende Menschen handeln, um diesen Stress loszuwerden – nicht, weil es strategisch sinnvoll ist.

Sofort starten – auch wenn es anstrengend ist

Rosenbaum führte ein einfaches Experiment durch: Studierende sollten einen Eimer durch einen langen Gang tragen, möglichst ohne Umwege. Obwohl ein Eimer näher am Ziel stand, entschieden sich die meisten für den, der näher bei ihnen war. Selbst als die Eimer mit schweren Münzen gefüllt wurden, blieb das Verhalten gleich.

Entscheidend war das Gefühl, eine Aufgabe sofort anzugehen – auch wenn das körperlich mehr Kraft kostete. Genau dieses impulsive Verhalten kennzeichnet Präkrastination: schneller starten, ohne vorher zu prüfen, ob es sich lohnt.

Präkrastination im Alltag erkennen

Trifft eine oder mehrere der folgenden Aussagen häufig auf Sie zu?

  • Ich erledige Aufgaben lieber sofort – auch wenn sie erst in ein paar Tagen fällig sind.
  • Offene Aufgaben beschäftigen mich so sehr, dass ich kaum entspannen kann.
  • Ich habe das Gefühl, ständig „hinterher“ zu sein, obwohl ich viel arbeite.
  • Ich fühle mich gestresst, wenn meine To-do-Liste nicht vollständig abgearbeitet ist.
  • Ich erledige auch unwichtige Aufgaben schnell – einfach, um sie wegzuhaben.

Je mehr Aussagen zutreffen, desto eher könnte Präkrastination eine Rolle in Ihrem Alltag spielen.

Kindheit und Perfektionismus prägen das Verhalten

Viele Verhaltensmuster entstehen früh. Wer schon in der Kindheit unter hohem Leistungsdruck stand oder gelernt hat, immer die Erwartungen anderer zu erfüllen, entwickelt oft ein starkes Pflichtgefühl.

Auch Perfektionismus spielt eine Rolle. Aufgaben werden nicht abgegeben, weil man glaubt, sie selbst am besten erledigen zu können. Dieses Verhalten dient oft dem Wunsch, Kritik zu vermeiden. Der Preis dafür ist häufig Dauerstress.

Dauerstress kann in den Burnout führen

Laut einer Statista-Umfrage empfinden sich vor allem Angestellte als besonders belastet. Sie berichten häufiger von Erschöpfung, innerer Unruhe und Schlafproblemen. Der Zwang, alles sofort zu erledigen, kann langfristig zu Burnout führen.

Hinzu kommt: Wer ständig im Erledigungsmodus ist, verliert den Blick fürs Wesentliche. Entscheidungen werden unter Zeitdruck getroffen, kreative Prozesse verkümmern. Statt nachhaltiger Produktivität entsteht ein Gefühl permanenter Überforderung.

Struktur hilft, Klarheit zu schaffen

Präkrastination ist kein Zeichen von Effizienz. Wer seine Aufgaben klug plant, reduziert Stress und gewinnt Zeit. Hilfreich ist zum Beispiel die Eisenhower-Matrix. Der Name geht auf den ehemaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower zurück, der sagte: „Wichtige Dinge sind selten dringend, und dringende Dinge sind selten wichtig.“

Sie ist ein einfaches und effektives Werkzeug zur Priorisierung von Aufgaben und hilft dabei, zu entscheiden, was sofort erledigt werden sollte, was warten kann, was delegiert werden kann – und was man besser ganz streicht.

Hier eine Eisenhower-Matrix mit Alltagsbeispielen:

WichtigkeitDringendNicht dringend
WichtigA – Sofort erledigen: Steuererklärung mit Frist heute abschickenB – Terminieren: Weiterbildung planen oder Arzttermin vereinbaren
Nicht wichtig⚠️ C – Delegieren: Kollegin bittet um Rückruf – weitergebenD – Streichen: Social Media scrollen oder unnötige Preisvergleiche

Was die Felder bedeuten:

  • A – Wichtig & dringend: Muss sofort selbst erledigt werden.
  • B – Wichtig, aber nicht dringend: Ist relevant, aber kann geplant werden.
  • C – Dringend, aber nicht wichtig: Kann jemand anders übernehmen.
  • D – Weder wichtig noch dringend: Ist ein Zeitfresser – lieber weglassen.

Auch eine regelmäßig aktualisierte To-do-Liste hilft, den Überblick zu behalten. Wer sich morgens kurz Zeit nimmt, um Aufgaben zu sammeln und zu sortieren, arbeitet strukturierter und entspannter.

Diese vier Schritte entschleunigen den Alltag:

  1. Aufgaben sammeln: Zuerst alle To-dos notieren, ohne sie zu bewerten. Das schafft Klarheit.
  2. Prioritäten setzen: Was ist wichtig, was kann warten? Die Frage „Was passiert, wenn ich das erst morgen mache?“ hilft.
  3. Mit dem Wichtigsten starten: Nicht die schnellste, sondern die bedeutendste Aufgabe zuerst erledigen.
  4. Listen pflegen: Neue Aufgaben ergänzen, erledigte streichen, Reihenfolge bei Bedarf anpassen. Wer flexibel bleibt, behält die Kontrolle.

Nicht Tempo, sondern Klarheit zählt

Präkrastination wird oft als Fleiß missverstanden. Doch wer ständig alles sofort erledigen will, riskiert Erschöpfung. Viele Menschen erkennen erst spät, wie sehr sie sich selbst unter Druck setzen. Wichtig ist es daher, das eigene Verhalten regelmäßig zu reflektieren: Ist mein Tempo wirklich sinnvoll oder dient es nur dazu, meine innere Unruhe zu beruhigen?

Pausen, klare Prioritäten und das Vertrauen, dass Dinge auch mal warten dürfen – das sind keine Schwächen. Sie helfen, gesund und leistungsfähig zu bleiben. Denn nicht das Tempo entscheidet über den Erfolg, sondern die Klarheit im Handeln.

Kurz zusammengefasst:

  • Präkrastination beschreibt den inneren Zwang, Aufgaben sofort zu erledigen, selbst wenn das unlogisch oder belastend ist.
  • Das Verhalten entsteht oft durch früh erlernten Leistungsdruck, Perfektionismus oder das Bedürfnis, Kontrolle zu behalten.
  • Wer dauerhaft präkrastiniert, riskiert Erschöpfung und Stress, weil wichtige Aufgaben ungeplant und unter gefühltem Zeitdruck abgearbeitet werden.

Übrigens: Wer ständig unter Druck steht und eigene Bedürfnisse ignoriert, rutscht oft schleichend in den Burnout. Wie man Warnzeichen früh erkennt und gegensteuert – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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