Kita-Notstand in Deutschland: Ungelernte Kräfte ersetzen Fachpersonal und gefährden die Betreuung

Überforderte Fachkräfte, schlechtere Betreuung, hohe Abwanderung: Der Fachkräftemangel wird für Kitas zur Belastungsspirale.

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Der Anteil gut ausgebildeter Fachkräfte in Kitas sinkt drastisch. © Pexels

Immer mehr Kitas in Deutschland kämpfen mit einem massiven Fachkräftemangel: Es fehlt an gut ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, stellen viele Einrichtungen zunehmend Mitarbeiter ohne die nötige pädagogische Ausbildung ein. Was zunächst als Notlösung gedacht war, könnte in einigen Bundesländern zur Regel werden. Das zeigen die neuen Daten der Bertelsmann Stiftung. Die Folgen für Eltern, Kinder und Kita-Teams sind verheerend.

Der Anteil der Kita-Teams, in denen mindestens 80 Prozent der Mitarbeiter eine pädagogische Fachausbildung haben, sinkt deutlich. 2023 erreichten diesen Wert nur noch 32 Prozent der Teams – sechs Jahre zuvor waren es noch 41 Prozent. In Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen ist der Rückgang besonders stark. Die Bertelsmann-Expertin Anette Stein sieht laut Pressemitteilung darin eine gefährliche Entwicklung:

Die anspruchsvolle Arbeit mit Kindern braucht gut ausgebildetes Personal. Eine Absenkung der Standards darf nicht zum Dauerzustand werden.

Anette Stein

Unterschiedliche Fachkraft-Quoten in Ost und West

Die Zahlen verdeutlichen, wie unterschiedlich die Situation in den Bundesländern ist. In Ostdeutschland erreicht ein großer Teil der Kita-Teams die angestrebte Fachkraft-Quote von mindestens 82,5 Prozent. Thüringen führt mit 89 Prozent, während Berlin als Schlusslicht auf 35 Prozent kommt. In den westlichen Bundesländern sieht es jedoch schlechter aus. In Bayern schaffen gerade einmal 3 Prozent der Teams diesen Wert, in Hessen sind es immerhin 36 Prozent.

Warum ist das problematisch? Studien zeigen, dass die Qualität der pädagogischen Arbeit stark davon abhängt, wie gut die Mitarbeiter ausgebildet sind. Wenn Teams viele ungelernte Kräfte aufnehmen, steigen Aufwand und Belastung für die Fachkräfte. Die Folge: Das verbleibende Personal wird überlastet, und die Betreuungsqualität leidet. Zudem ist die Einarbeitung von ungelernten Mitarbeitern zeitaufwendig, was die ohnehin knappen Ressourcen weiter strapaziert.

In Ostdeutschland wird die angestrebte Fachkräfte-Quote häufiger erreicht als im Westen. © Bertelsmann Stiftung
In Ostdeutschland wird die angestrebte Fachkräfte-Quote häufiger erreicht als im Westen. © Bertelsmann Stiftung

Überlastung treibt Fachkräfte aus dem Beruf

Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung und der Justus-Liebig-Universität Gießen hat die Arbeitsbedingungen in Kitas untersucht. Fast die Hälfte der befragten Mitarbeiter fühlt sich regelmäßig überfordert. Besonders dramatisch: Viele denken darüber nach, den Beruf aufzugeben. Bei jüngeren Fachkräften zwischen 26 und 30 Jahren gibt fast ein Viertel an, dass sie ihre Wahrscheinlichkeit, den Beruf zu verlassen, bei 80 Prozent oder mehr sehen. Dieses Problem betrifft auch angehende Fachkräfte, die sich aufgrund der belastenden Bedingungen gegen den Beruf entscheiden könnten. Anette Stein erklärt:

Wenn immer mehr Kita-Beschäftigte aussteigen, wächst die Belastung für die Verbleibenden. Dieser Kreislauf aus Überlastung und Abwanderung muss dringend durchbrochen werden.

Anette Stein
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich pädagogisch Tätige beruflich umorientieren? © Bertelsmann Stiftung
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich pädagogisch Tätige beruflich umorientieren? © Bertelsmann Stiftung

Lösungen: Qualifikation steigern und Personal entlasten

Die Bertelsmann Stiftung und andere Fachgremien fordern gezielte Maßnahmen, um die Situation zu verbessern. Dazu gehören höhere Qualifikationsstandards und bessere Arbeitsbedingungen. Die Arbeitsgruppe Frühe Bildung des Bundesfamilienministeriums empfiehlt, die Fachkraft-Quote in Kitas zunächst auf 72,5 Prozent und langfristig auf 85 Prozent zu erhöhen. Um dies zu erreichen, müssten mehr gut ausgebildete Fachkräfte gewonnen und ungelernte Mitarbeiter weiterqualifiziert werden.

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Kurzfristig schlagen Experten vor, die Teams mit professioneller Beratung und Begleitung zu unterstützen. So könnten die Zusammenarbeit in heterogenen Gruppen verbessert und die Belastungen gleichmäßiger verteilt werden. Anette Stein sieht darin einen wichtigen Schritt, betont aber, dass dies nur dann funktioniert, wenn auch langfristig die Qualifikationsstandards steigen.

Die Ergebnisse stammen aus dem „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung. Die Untersuchung basiert auf amtlichen Statistiken vom 1. März 2023. Demnach arbeiten derzeit mehr als 868.000 Menschen in deutschen Kitas, davon etwa 745.000 im pädagogischen Bereich.

Was du dir merken solltest:

  • In deutschen Kitas sinkt der Anteil an pädagogisch qualifiziertem Personal dramatisch: Nur noch 32 Prozent der Teams erfüllten 2023 die Vorgabe, dass mindestens 80 Prozent der Mitarbeiter eine Fachausbildung besitzen. Dieser Rückgang belastet das verbleibende Personal und gefährdet die Qualität der frühkindlichen Bildung erheblich.
  • Zwischen den Bundesländern zeigen sich große Unterschiede in der Fachkraft-Quote: Während Thüringen mit 89 Prozent positiv heraussticht, schaffen es in Bayern nur 3 Prozent der Teams, die Standards zu erfüllen. Besonders westdeutsche Länder haben mit einem gravierenden Personalmangel und niedrigen Quoten zu kämpfen.
  • Um den Fachkräftemangel zu beheben, schlagen Experten vor, mehr qualifiziertes Personal zu gewinnen und ungelernte Kräfte weiterzubilden. Kurzfristig könnten professionelle Beratung und bessere Arbeitsbedingungen die Belastung der Teams reduzieren und Abwanderung verhindern.

Bild: © Pexels

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