Kaum jemand hat noch Freunde am Arbeitsplatz – und Firmen zahlen den Preis dafür
Homeoffice frisst Freundschaften im Büro. Ohne enge Bindungen drohen Kündigungen, sinkende Leistung und unzufriedene Teams.

Gemeinsames Lachen in der Kaffeepause und immer ein offenes Ohr im Büro – kleine Gesten, die Freundschaften im Arbeitsalltag groß machen. © Unsplash
Chats statt echte Gespräche, Homeoffice statt gemeinsame Mittagspause – in der Arbeitswelt gibt es immer weniger zwischenmenschliche Nähe. Freundschaften am Arbeitsplatz brechen weg, und Firmen spüren die Folgen immer stärker.
Nach einer Auswertung von Gallup haben nur noch 20 Prozent der Beschäftigten in den USA einen besten Freund im Job. Aktiv gepflegt wird diese Verbindung sogar nur von jedem Fünften. Dabei täten Firmen gut daran, sie zu begünstigen – enge Kontakte unter Kollegen wirken nämlich wie ein Motivationsmotor, wie Fast Company berichtet.
Freundschaften halten Mitarbeiter in der Firma
Unternehmen trifft dieser Verlust von Freundschaften direkt. Wer ohne enge Kollegen arbeitet, fühlt sich schneller einsam, meidet Zusammenarbeit und kündigt häufiger. Lange hieß es, schlechte Chefs seien der wichtigste Kündigungsgrund. Der Oxford-Professor Jan-Emmanuel De Neve hält dagegen. Ihm zufolge verlassen Menschen ihren Job oft, weil sie sich im Team nicht zugehörig fühlen.
Die Pandemie verstärkte diesen Trend. Homeoffice nahm den Beschäftigten den Alltag mit Kollegen. Danach folgte die „Great Resignation“ – das „Große Aufgeben“: Millionen Menschen verließen ihre Jobs. Der Rückgang enger persönlicher Bindungen sei laut Fast Company ein entscheidenden Auslöser gewesen.
Freundschaften entstehen in Pausen, am Schreibtisch oder beim Plausch nach einem Meeting. Heute bestimmen Chatnachrichten und E-Mails den Kontakt untereinander. Gespräche fallen daher immer häufiger kurz und sachlich aus. Hybride Arbeit verschärft das Problem: Viele sitzen allein im Büro und wählen sich trotzdem per Zoom in Konferenzen ein. Dazu kommt der Fokus auf Einzelleistung. Gemeinsame Ziele verlieren an Gewicht, Nähe geht verloren.
Ohne Freunde sinkt die Motivation
Fehlen Freunde am Arbeitsplatz, wirkt sich das unmittelbar aus: Teams arbeiten weniger kreativ, Mitarbeiter fühlen sich unverbunden. Der Umfrage zufolge steigern Freundschaften Motivation und Zufriedenheit deutlich: Mitarbeiter mit Freundschaften zeigen 43 Prozent mehr Engagement und sind 27 Prozent zufriedener.
Der Psychiater Robert Waldinger, Leiter der Harvard Study of Adult Development, äußert sich dazu gegenüber dem New York Times Magazine:
Die klarste Botschaft aus 75 Jahren Forschung lautet: Gute Beziehungen machen uns glücklicher und gesünder. Punkt.
Kleine Begegnungen helfen schon
Auch kurze Kontakte machen den Unterschied. Die Psychologin Sonja Lyubomirsky von der University of California sagt: „Gespräche mit Menschen machen uns glücklich.“
Der Glücksforscher Ed Diener stellte fest: Besonders zufriedene Menschen leben nicht nur erfolgreich, sondern auch stark sozial eingebunden.
Führung muss Nähe ermöglichen
Führungskräfte dürfen das Thema nicht dem Zufall überlassen. Sie sollten feste Begegnungen einplanen, etwa Teamtage, kurze Check-ins oder gemeinsame Projekte. In hybriden Teams helfen thematische Kanäle für gemeinsame Interessen und geplante Bürotage.
Was können konkrete Schritte für mehr Freundschaften im Job sein:
- In-Person-Tage festlegen: Zwei gemeinsame Teamtage im Monat schaffen Raum für Austausch.
- Rituale pflegen: Ein wöchentlicher Check-in von 15 Minuten stärkt den Zusammenhalt.
- Ziele gemeinsam setzen: Pro Quartal ein Projekt, das mehrere Teams verbindet. Ergebnisse offen teilen.
- Interessen fördern: Kanäle für Themen wie Sport oder Kochen eröffnen, ergänzt durch kleine Präsentationen.
- Beziehungen messen: Vierteljährliche Mini-Umfrage zu Zugehörigkeit, Austausch und Teamhilfe.
- Vorbild sein: Führungskräfte machen mit, hören zu und geben allen Stimmen Raum.
Freunde am Arbeitsplatz zu haben, sollte ein wertvoller Bestandteil der Unternehmenskultur sein. Firmen, die ihren Mitarbeitern den Aufbau engerer Bindungen ermöglichen, sind nicht nur produktiver – sondern auch attraktiver für neue Arbeitskräfte.
Kurz zusammengefasst:
- Nur 20 Prozent der Beschäftigten in den USA haben noch einen besten Freund am Arbeitsplatz; dabei steigern Freundschaften nachweislich Engagement und Zufriedenheit.
- Der Verlust enger Bindungen, verstärkt durch Pandemie und Homeoffice, trug wesentlich zur „Great Resignation“ bei, in deren Rahmen Millionen Menschen ihren Job kündigten.
- Studien zeigen: Zugehörigkeit und soziale Kontakte sind zentrale Faktoren für Motivation, Gesundheit und den langfristigen Erfolg von Unternehmen.
Übrigens: Eine neue Umfrage zeigt, dass die Gen Z bei der Suche nach einem Job auch auf Work-Life-Balance verzichtet, wenn das Gehalt stimmt. Mehr dazu in unserem Artikel.
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