In den USA passiert es: Donut-Effekt verändert die großen Städte – Trend in Deutschland erkennbar

Die Pandemie veränderte Arbeitswelt und Konsum: Mehr Homeoffice, weniger Innenstadtaktivität, Verlagerung des Konsums in Vororte und online.

Leere Straßen am Times Square: Die Corona-Pandemie veränderte die Arbeitswelt und den Konsum grundlegend. © Wikimedia

Leere Straßen am Times Square: Die Corona-Pandemie veränderte die Arbeitswelt und den Konsum grundlegend. © Wikimedia

Die Corona-Pandemie hat Amerikas Städte grundlegend verändert. Neue Untersuchung des Stanford-Ökonomen Nicholas Bloom zeigen, dass die zwölf größten Städte des Landes – darunter New York, San Francisco und Chicago – möglicherweise nie wieder zu ihrem alten Erscheinungsbild zurückkehren werden. Der sogenannte „Donut-Effekt“ beschreibt diese Transformation: Während die Stadtzentren Bewohner und Arbeitsplätze verlieren, boomen Vororte mit mehr Platz und Lebensqualität. Was bedeutet das für die Zukunft urbaner Räume – und droht Deutschland eine ähnliche Entwicklung?

Während Städte wie New York, San Francisco oder Chicago jahrelang von ihrem dichten, pulsierenden Kern lebten, zeigt Blooms aktuelle Studie, dass diese Stadtzentren inzwischen 8 Prozent ihrer Bewohner verloren haben – eine gewaltige Verschiebung. Die meisten von ihnen sind nur wenige Kilometer in die Vororte gezogen. Doch warum dieser Exodus, und was bedeutet er für die Zukunft?

Der Donut: Hohl in der Mitte, reich gefüllt am Rand

Das Phänomen des Donut-Effekts ist eng mit dem Homeoffice verbunden. Während der Pandemie entdeckten Millionen Arbeitnehmer die Vorteile des Arbeitens von zu Hause aus – und das nicht nur für ein paar Wochen, sondern als dauerhafte Option. Hochqualifizierte Fachkräfte, die zuvor in den teuren und oft beengten Stadtzentren lebten, zogen in die Vororte. Mehr Platz, niedrigere Lebenshaltungskosten und eine höhere Lebensqualität machten den Wechsel attraktiv.

„Das Homeoffice ist ein Wendepunkt“, erklärt Bloom, Professor an der Stanford University. „Menschen mit der Möglichkeit, hybrid zu arbeiten, haben keinen Grund, in der Innenstadt zu bleiben.“ Besonders betroffen sind die zentralen Geschäftsviertel, die einst von dicht gedrängten Büros, Restaurants und Geschäften geprägt waren. Heute stehen dort viele Gebäude leer, und die Fußgängerzonen sind spürbar ruhiger.

Gewinner Vorstadt, Verlierer Innenstadt

Während Vororte von einem Boom profitieren – steigende Immobilienpreise und wachsende Steueraufkommen –, kämpfen die Innenstädte mit einem massiven Verlust an Einnahmen. Geschlossene Geschäfte, leerstehende Büros und ein Einbruch bei den öffentlichen Verkehrsmitteln setzen die Stadtverwaltungen unter Druck.

Bloom und seine Mitautoren zeigen in ihrer Untersuchung, dass diese Entwicklung auch für die städtischen Haushalte schwerwiegende Konsequenzen hat. Die Kluft zwischen Immobilienwerten in den Zentren und den Vororten hat sich seit der Pandemie dramatisch vergrößert: In manchen Regionen beträgt der Unterschied bis zu 40 Prozentpunkte. „Das ist eine enorme Belastung für die Finanzkraft der Städte“, so Bloom. Gleichzeitig haben die Vororte allen Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken. „Sie machen das Beste aus der Situation“, erklärt er.

Was macht den Donut-Effekt so hartnäckig?

Die Forscher analysierten Daten von Umzugsanträgen, GPS-Bewegungsprofilen und sogar Kreditkartenaktivitäten, um die Wanderungsbewegungen genau nachzuvollziehen. Besonders auffällig: Rund 60 Prozent der ehemaligen Innenstadtbewohner haben ihren neuen Wohnsitz in einem Radius von 10 bis 15 Kilometern um das Stadtzentrum gewählt. Diese Nähe erlaubt es, auch bei hybridem Arbeiten – zwei bis drei Tage Büro, der Rest Homeoffice – die Pendelzeiten überschaubar zu halten.

Doch nicht alle Städte sind gleich betroffen. In mittelgroßen Städten wie Indianapolis oder Nashville, wo Homeoffice weniger verbreitet ist, bleibt die Innenstadtstruktur weitgehend stabil. Und in Kleinstädten, wo Arbeitsplätze oft eine physische Präsenz erfordern, existiert der Donut-Effekt praktisch gar nicht.

Ein Zukunftsmodell für Städte?

Die große Frage lautet: Wie können Städte auf diese Entwicklung reagieren? Einige, wie San Francisco, experimentieren mit der Umwidmung leerstehender Büros in Wohnraum. Doch das ist teuer und zeitaufwendig. Andere Städte könnten gezwungen sein, Steuern zu erhöhen oder Ausgaben zu kürzen, um ihre Haushalte auszugleichen. Nicholas Bloom sieht die Stadtzentren vor einer harten Realität: „Schmerzhafte Entscheidungen sind unvermeidlich.“

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Doch es gibt auch Lichtblicke. Sinkende Mieten in den Innenstädten könnten wieder erschwinglichen Wohnraum für Berufsgruppen schaffen, die jeden Tag vor Ort sein müssen – etwa Pflegekräfte, Lehrer oder Handwerker. Damit könnte sich langfristig ein gewisses Gleichgewicht zwischen Zentrum und Peripherie einstellen.

Homeoffice verändert Konsum und Stadtzentren

Die Corona-Pandemie hat nicht nur die Arbeitswelt revolutioniert, sondern auch das Konsumverhalten nachhaltig verändert. Laut einer Studie des Ifo-Instituts hat sich durch die vermehrte Nutzung von Homeoffice der private Konsum deutlich aus den Stadtzentren in die Wohngebiete und Vororte verlagert. In Großstädten wie Berlin, München und Hamburg ist der Umsatz in den Innenstädten Ende Mai 2022 noch immer 10 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Gleichzeitig stieg der Konsum in Wohngebieten, die einen hohen Zuwachs an Homeoffice-Beschäftigten verzeichnen, um bis zu 20 Prozent. Besonders auffällig: Der Rückgang der Konsumausgaben in den Innenstädten ist an Wochentagen besonders ausgeprägt, während samstags eine gewisse Stabilität erreicht wird.

Städte im Wandel: Der Einfluss des „Donut-Effekts“

Dieser sogenannte „Donut-Effekt“ zeigt sich vor allem in deutschen Metropolregionen wie Berlin, Hamburg und München und könnte langfristig das Erscheinungsbild der Städte prägen. Durch die Verlagerung von Arbeit und Konsum weg von den Zentren hin zu den Peripherien gewinnen Vororte und Wohngebiete an wirtschaftlicher Bedeutung. Ergänzend hat das Online-Shopping während der Pandemie einen Aufschwung erlebt und trägt ebenfalls zur Umstrukturierung der städtischen Wirtschaft bei.

Was du dir merken solltest:

  • Der „Donut-Effekt“ beschreibt die Verlagerung von Bewohnern und Arbeitsplätzen aus Stadtzentren in die Vororte, ausgelöst durch die Zunahme von Homeoffice.
  • Diese Entwicklung führt zu wirtschaftlichen Einbußen in den Innenstädten, während Vororte von steigenden Immobilienwerten und höherem Konsum profitieren.
  • In Deutschland zeigt sich der Trend durch sinkende Umsätze in Innenstädten und eine Verlagerung des Konsums in Wohngebiete und den Online-Handel.

Übrigens: Auch woanders auf der Welt gibt es verwaiste Städte: Die malaysische Forest City war für 700.000 Bewohner geplant. Acht Jahre nach dem Start leben dort jedoch nur wenige Tausend Menschen. Mehr dazu erfährst du in unserem Artikel.

Bild: © NatalieWynnePace via Wikimedia unter CC BY 4.0

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