Beruf formt Charakter – Deutsche Studie zeigt, warum Arbeitskollegen oft so ähnlich ticken
Menschen mit ähnlicher Persönlichkeit zieht es häufig in den gleichen Beruf. Umgekehrt nimmt die Arbeit auch Einfluss auf die Persönlichkeit.

Wer sich blendend mit seinen Arbeitskollegen versteht, hat nicht unbedingt viel mehr Glück als andere: Forscher haben nämlich herausgefunden, dass Leute am gleichen Arbeitsplatz auch meist ähnlich ticken. © Unsplash
Das Gefühl, dass man in bestimmten Berufsfeldern oft „den gleichen Typ Mensch“ antrifft, hat womöglich eine wissenschaftliche Basis. Forscher der Universität Mannheim haben nämlich herausgefunden: Wer in einem bestimmten Beruf arbeitet, passt sich mit der Zeit nicht nur fachlich, sondern auch von der Persönlichkeit her an.
Die Forscher haben dazu Langzeitdaten aus dem Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) ausgewertet. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Journal of Organizational Behaviour. Über einen Zeitraum von zwölf Jahren untersuchten die Wissenschaftler, wie sich die Persönlichkeitsmerkmale von Berufstätigen verändern – und inwiefern sie sich an die jeweiligen Berufsgruppen angleichen.
Menschen ähneln sich stärker im gleichen Beruf
Das Team analysierte rund 6150 Personen, deren Persönlichkeit über vier Messzeitpunkte hinweg von 2005 bis 2017 dokumentiert wurde. In den Datensätzen wurden nach dem Big-Five-Modell fünf Persönlichkeitsmerkmale erfasst: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Emotionale Stabilität.
Es zeigte sich: Menschen, die denselben Beruf ausüben, ähneln sich in ihrer Persönlichkeit stärker als Personen mit unterschiedlichen Berufen. Doch woran liegt das?
Das Arbeitsumfeld formt die Persönlichkeit
Die Forscher haben drei wesentliche Gründe dafür gefunden, dass innerhalb einzelner Berufsgruppen bestimmte Persönlichkeitstypen dominieren:
- Personen mit einer ähnlichen Persönlichkeit wählen auch eher ähnliche Berufe: Wer zum Beispiel Maschinenbau-, Bau- oder Elektroingenieur werden will, bringt oft einen gewissen Charakter mit.
- Im Beruf passt sich die eigene Persönlichkeit weiter an die der Kollegen an – man wird sich noch ähnlicher.
- Wer nicht ins Team passt, geht häufiger: Zurück bleiben diejenigen mit einer ähnlichen Persönlichkeit.
Die Persönlichkeitsentwicklung im Beruf folgt dem sogenannten „corresponsive principle“: Wer bei der Arbeit erfolgreich ist, entwickelt genau die Eigenschaften weiter, die dazu passen. Diese Tendenz konnten die Forscher über den gesamten Zeitraum der Daten bestätigen. Besonders deutlich war der Effekt in Berufsfeldern mit klaren Rollenerwartungen.
Fachkenntnis ist nicht das Einzige, worauf es ankommt
Die Ergebnisse stützen auch das sogenannte ASA-Modell: Menschen suchen sich gezielt Umgebungen aus, in denen sie sich wohlfühlen (Attraction, dt.: „Anziehung“), werden ausgewählt (Selection, dt.: „Selektion“) und verlassen den Beruf, wenn es dauerhaft nicht passt (Attrition, dt.: „Zermürbung“). Dieses Modell hat der US-Psychologe Benjamin Schneider im Jahr 1987 entwickelt, doch auch heute findet es breiten Anklang in der Berufsforschung.
Die Forscher der Uni Mannheim haben nicht nur individuelle Entwicklungsverläufe sichtbar gemacht, sondern auch berufsspezifische Muster. Wer also beruflich langfristig erfolgreich sein will, profitiert nicht nur von Fachkenntnissen – sondern auch davon, wenn Persönlichkeit und Arbeitsumfeld gut zusammenpassen.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass Berufe nicht nur nach Fähigkeiten oder Interessen gewählt werden, sondern auch danach, ob die eigene Persönlichkeitsstruktur zu dem typischen Profil des Berufs passt.
Dr. Claudia Rossetti, Erstautorin der Studie
Kurz zusammengefasst:
- Laut einer Langzeitstudie der Universität Mannheim ähneln sich Menschen, die denselben Beruf ausüben, oft auch in ihrer Persönlichkeit.
- Das jeweilige Arbeitsumfeld prägt langfristig bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, insbesondere in Berufen mit klaren Rollenerwartungen.
- Wer nicht zur beruflichen Umgebung passt, verlässt den Job häufiger, wodurch sich die Ähnlichkeit innerhalb einer Berufsgruppe verstärkt.
Übrigens: Arbeit macht nicht nur satt, sondern auch zufrieden – das zeigt eine neue Analyse von 1.500 Biografien. Warum gerade Anstrengung, Sinn und Zugehörigkeit unser Glück steigern, mehr dazu in unserem Artikel.
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