Familienbande statt Kampf um Dominanz: Der Alpha-Wolf-Mythos entlarvt

Die Forschung ist sich inzwischen einig: Das Bild des dominanten Alpha-Wolfs ist überholt. Denn „Alpha-Wölfe“ sind in Wahrheit nichts weiter als Eltern.

Nahaufnahme eines Wolfs

Kämpfe um die Dominanz innerhalb eines Wolfsrudels sind gar nicht so üblich, wie der Mythos vom „Alpha-Wolf“ suggeriert. © Vecteezy

Der weit verbreitete Alpha-Wolf-Mythos, das durch Kämpfe und Dominanz innerhalb eines Wolfsrudels gekennzeichnet sei, hat sich schon lange als Mythos entpuppt. Neuere Forschungen und Erkenntnisse von Wildtierbiologen untermauern dies nur weiter, indem sie aufzeigen, dass Wolfsrudel in der Wildnis in Wirklichkeit Familieneinheiten darstellen, angeführt von einem Paar, das für die Fortpflanzung verantwortlich ist.

Die Untersuchung von L. David Mech, einem Senior-Forschungswissenschaftler am U.S. Geological Survey, der jahrzehntelang Wolfsrudel in freier Wildbahn studiert hat, hat wesentlich zu dieser Erkenntnis beigetragen, wie der Scientific American berichtet.

Die Familie im Zentrum

Dabei hatte er früher noch den „Alphawolf“ mitgeprägt: Mech und andere Biologen verwendeten früher Begriffe wie Alpha und Beta, um die Rangordnung innerhalb von Wolfsrudeln zu beschreiben. Diese Terminologie stammt jedoch aus Studien über in Gefangenschaft lebenden Wölfen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, die wenig mit dem Verhalten von Wölfen in freier Wildbahn gemeinsam haben. In der Gefangenschaft zusammengewürfelte Wölfe ohne verwandtschaftliche Beziehungen entwickeln eine Dominanzhierarchie, die eher mit menschlichen Gefängnissen vergleichbar ist als mit dem natürlichen Sozialverhalten von Wölfen, wie Mech erklärt. Im Gegensatz dazu besteht ein typisches Wolfsrudel in der Wildnis aus einem fortpflanzungsfähigen Männchen und Weibchen sowie deren Nachkommen der letzten zwei bis drei Jahre, die noch nicht auf der Suche nach eigenen Partnern sind.

Diese Erkenntnisse zeigen auf, dass Kämpfe um die Vorherrschaft innerhalb eines Rudels in der Natur unüblich sind. Die jüngeren Mitglieder verlassen das Rudel in der Regel im Alter von zwei bis drei Jahren, um eigene Paare zu bilden und nicht, um die Dominanz über das bestehende Rudel zu erlangen. Mech hat seine früheren Verwendungen des Alpha-Begriffs in der Fachliteratur revidiert, indem er darauf hinarbeitete, dass sein Buch „The Wolf: Ecology and Behavior of an Endangered Species“ aus dem Druck genommen wurde, um durch aktuellere und genauere Werke ersetzt zu werden.

Die Rolle des Menschen und ungewöhnliche Fälle

In seltenen Fällen können Wolfsrudel an Größe zunehmen, wie es im Yellowstone-Nationalpark beobachtet wurde, wo reichlich Nahrung vorhanden ist und somit junge Wölfe nicht gezwungen sind, ihr Geburtsrudel zu verlassen. In solchen Situationen kann es zu mehr als einem fortpflanzungsfähigen Paar innerhalb eines Rudels kommen, was zu Konkurrenz um die Paarung führt. David Ausband, ein Wolfsforscher und Wildtierbiologe, verweist darauf, dass in diesen Fällen der Begriff des Alpha-Wolfs angebracht sein könnte, da eine dominante Weibchenführung beobachtet wird.

Der Schutzstatus des eurasischen Wolfs unterliegt immer wieder Veränderungen, was durch Bejagung und Fallenstellung beeinflusst wird. Diese menschlichen Eingriffe können die Familienstrukturen innerhalb der Rudel verändern, abhängig davon, welches Mitglied des Rudels getötet wird. Forscher wie Sarah Bassing betonen, dass noch viel über die Auswirkungen menschlicher Eingriffe auf die Struktur der Wolfsrudel zu lernen ist.

Wissenschaft korrigiert Mythen

Diese neuen Erkenntnisse, die durch langjährige Beobachtungen und Studien gewonnen wurden, fordern die überholten Vorstellungen von Wolfsrudeln heraus und zeigen die Bedeutung von kontinuierlicher Forschung und Anpassung wissenschaftlicher Modelle anhand neuer Daten. Sie unterstreichen zudem die Notwendigkeit, Mythen und veraltete Konzepte zu überdenken, um ein genaues Verständnis der natürlichen Welt zu fördern. Während der Mythos des Alpha-Wolfs in der Populärkultur noch immer weit verbreitet sein mag (und noch immer regelmäßig im Kontext toxischer Männlichkeit auftaucht), zeichnet die Wissenschaft inzwischen ein weitaus differenzierteres und realistischeres Bild vom Leben und Sozialverhalten der Wölfe.

Was du dir merken solltest:

  • Neuere Forschungen widerlegen den Alpha-Wolf-Mythos als Dominanzsymbol innerhalb von Wolfsrudeln, indem sie aufzeigen, dass diese vielmehr familiären Einheiten entsprechen.
  • Die frühere Terminologie von „Alpha“ und „Beta“ zur Beschreibung der Rangordnung in Wolfsrudeln, basierend auf Studien an in Gefangenschaft lebenden Wölfen, ist überholt und spiegelt nicht das natürliche Sozialverhalten von Wölfen in der Wildnis wider.
  • Der Wandel im Verständnis der Sozialstruktur von Wolfsrudeln unterstreicht die Bedeutung von kontinuierlicher Forschung und der Anpassung wissenschaftlicher Modelle, um Mythen zu korrigieren und ein akkurates Verständnis des natürlichen Verhaltens von Wölfen zu fördern.

Bild: © Sandra Petersen via Vecteezy

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