Extreme Hitze kein Problem – Diese Death-Valley-Pflanze wächst schneller, je heißer es wird
Im Death Valley wächst eine Pflanze, die extreme Hitze in Wachstum verwandelt – ein möglicher Schlüssel für künftige Nutzpflanzen.
Forscher im Death Valley beobachten, wie Tidestromia oblongifolia selbst bei über 50 Grad wächst – und hoffen auf Hinweise für hitzetolerante Nutzpflanzen. © Wikimedia
Europa erlebt immer öfter extreme Hitzesommer, und selbst widerstandsfähige Kulturpflanzen geraten dabei an ihre Grenzen. Weizen, Mais oder Soja verlieren ab rund 35 Grad Celsius spürbar an Ertrag. Während Landwirte nach Lösungen suchen, rückt die Wissenschaft Pflanzen in den Fokus, die selbst unter extremen Bedingungen wie extremer Hitze gedeihen. Eine davon wächst an einem der heißesten Orte der Erde – im Death Valley in Kalifornien.
Hier gedeiht Tidestromia oblongifolia, eine unscheinbare Pflanze, die mit einer erstaunlichen Strategie überlebt. Statt unter der Gluthitze zu leiden, nutzt sie sie für ihr Wachstum. Forscher der Michigan State University haben nun in ihrer Studie herausgefunden, wie ihr das gelingt – und was sich daraus für die Landwirtschaft der Zukunft lernen lässt.
Wie eine Pflanze die extreme Hitze des Death Valley übersteht
Im Sommer erreicht das Death Valley regelmäßig Temperaturen von über 50 Grad Celsius. Unter solchen Bedingungen verdorren selbst Kakteen. Tidestromia oblongifolia dagegen wächst weiter – und zwar schneller. Im Labor, wo Forscher die Hitze der Wüste nachstellten, verdreifachte sie innerhalb von zehn Tagen ihre Biomasse.
Bereits nach zwei Tagen hatte die Pflanze ihre innere „Wohlfühltemperatur“ für die Photosynthese angehoben. Nach zwei Wochen lag der optimale Wert bei etwa 45 Grad Celsius – mehr als jede bisher untersuchte Kulturpflanze.
„Das ist die hitzetoleranteste Pflanze, die je dokumentiert wurde“, sagt Studienleiterin Seung Yon „Sue“ Rhee.
Die Death-Valley-Pflanze nutzt Hitze als Antriebskraft
Unter dem Mikroskop zeigte sich, dass die Pflanze ihre Zellen komplett umorganisiert. Ihre Mitochondrien – die Kraftwerke der Zelle – bewegen sich näher an die Chloroplasten, in denen die Photosynthese abläuft. Dadurch verkürzt sich der Weg für den Energieaustausch. Gleichzeitig verändern die Chloroplasten ihre Form: Sie falten sich zu „tassenartigen“ Strukturen, die Kohlendioxid effizienter recyceln.
Diese neue Zellarchitektur könnte erklären, warum Tidestromia oblongifolia selbst dann Energie gewinnt, wenn andere Pflanzen längst aufgeben. Parallel dazu schaltet sie Tausende Gene um. Innerhalb von 24 Stunden steigt die Aktivität von Genen, die Zellmembranen und Eiweiße vor Hitzeschäden schützen. Besonders stark aktiviert wird das Enzym Rubisco-Activase, das die Photosynthese auch bei extremer Temperatur stabil hält.

Ein genetisches Schnellprogramm gegen Hitzestress
Die Wissenschaftler beobachteten, dass die Anpassung fast in Echtzeit erfolgt. „Als wir die Samen ins Labor brachten, war es schwierig, sie überhaupt zum Wachsen zu bringen“, erinnert sich Biologin Karine Prado. „Aber sobald wir die Bedingungen des Death Valley simulierten, legten sie plötzlich los.“
Innerhalb weniger Tage stieg das Wachstum exponentiell an. Während verwandte Arten unter der gleichen Belastung aufhörten zu wachsen, legte Tidestromia oblongifolia weiter zu. Das zeigt, dass Hitze für diese Pflanze kein Stress ist, sondern eine Art Signal – ein Startschuss für Wachstum.
Was Forscher von der Death-Valley-Pflanze lernen können
Schon heute gehen Schätzungen davon aus, dass Hitzewellen weltweit Milliardenverluste verursachen. Wenn Nutzpflanzen ähnliche Schutzmechanismen entwickeln könnten wie Tidestromia oblongifolia, ließe sich die Nahrungsproduktion auch in einem wärmeren Klima stabil halten.
„Wenn wir verstehen, wie diese Pflanze sich an extreme Hitze anpasst, können wir neue Wege finden, Kulturpflanzen widerstandsfähiger zu machen“, erklärt Rhee. Dazu gehören etwa:
- Züchtung hitzeresistenter Sorten: Gene, die in Tidestromia oblongifolia aktiviert werden, könnten als Vorlage dienen.
- Gezielte Anpassung der Photosynthese: Das Wissen um die neuen Chloroplast-Strukturen liefert Anhaltspunkte, wie Energiegewinnung auch bei 40 Grad effizient bleibt.
- Frühwarnsysteme für Pflanzen: Erkenntnisse über die Genaktivität könnten helfen, Hitze-Stress in Nutzpflanzen früh zu erkennen.
Warum die Natur oft die beste Ingenieurin ist
Tidestromia oblongifolia gehört zur Familie der Fuchsschwanzgewächse, zu der auch Spinat, Amaranth und Zuckerrübe zählen. Diese Verwandtschaft macht die Erkenntnisse der Studie besonders spannend: Die genetischen Mechanismen könnten sich bei Kulturpflanzen aus der gleichen Familie leichter übertragen lassen.
„Wüstenpflanzen haben über Millionen Jahre Wege gefunden, Probleme zu lösen, die uns erst jetzt begegnen“, sagt Rhee. „Wir haben heute die Werkzeuge, um von ihnen zu lernen – etwa Genomik, Live-Imaging oder Systembiologie.“
Hoffnungsträger für die Landwirtschaft der Zukunft
Das Team der Michigan State University will nun herausfinden, welche Gene und Zellprozesse entscheidend sind, damit Pflanzen Hitze nicht nur überstehen, sondern für sich nutzen können. Schon jetzt steht fest: Die Anpassungsfähigkeit der Natur ist größer, als man bisher angenommen hat.
„Diese Forschung zeigt uns nicht nur, wie eine Wüstenpflanze die Hitze übersteht“, so Prado. „Sie gibt uns eine Art Fahrplan, wie alle Pflanzen sich an ein wärmeres Klima anpassen könnten.“
Kurz zusammengefasst:
- Tidestromia oblongifolia, eine Pflanze aus dem Death Valley, wächst schneller, je heißer es wird, und bleibt selbst bei über 45 °C leistungsfähig.
- Sie passt ihre Zellen und Gene blitzschnell an: Mitochondrien und Chloroplasten ordnen sich neu, Tausende Schutzgene werden aktiviert.
- Diese Mechanismen könnten helfen, Nutzpflanzen widerstandsfähiger gegen Hitzewellen zu machen und Ernteverluste im Klimawandel zu verringern.
Übrigens: Auch Dächer können gegen Hitze und Fluten helfen – mit Platten aus Moorpflanzen, die Wasser speichern, Städte kühlen und CO₂ binden. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Krzysztof Ziarnek, Kenraiz via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0
