Diese drei Stressfaktoren bringen Flüsse an ihre Grenzen
Eine globale Studie zeigt, welche Stressfaktoren Flüsse am stärksten belasten und warum Arten dort besonders schnell verschwinden.
Die Analyse zeigt, wie stark menschliche Eingriffe das Leben und die Artenvielfalt in Flüssen beeinträchtigen. © Unsplash
Flüsse gelten als Lebensadern der Erde – sie versorgen Städte mit Trinkwasser, Felder mit Nährstoffen und ganze Regionen mit Energie. Doch ihr ökologisches Gleichgewicht steht weltweit unter Druck. Eine internationale Untersuchung zeigt nun erstmals, welche Belastungen für Flüsse und ihre Bewohner am gefährlichsten sind. Besonders drei Stressfaktoren wirken für Flüsse verheerend: zu viel Salz, zu wenig Sauerstoff und zu viele Sedimente.
Diese Kombination lässt die Artenvielfalt in Süßgewässern dramatisch sinken. Die Analyse liefert ein globales Bild, wie stark menschliche Einflüsse das Leben in Flüssen verändern und wie unterschiedlich einzelne Organismengruppen darauf reagieren. Hinter der Studie steht ein Forschungsteam der Universität Duisburg-Essen, das Daten aus 87 Ländern ausgewertet hat.
Forscher vergleichen 22.000 Arbeiten weltweit
Für ihre Untersuchung sichteten die Wissenschaftler 22.120 Fachartikel. Am Ende flossen 276 Studien mit insgesamt 1.332 ausgewerteten Datensätzen in die Analyse ein. Im Mittelpunkt standen fünf Gruppen von Wasserorganismen: Mikroorganismen, Algen, Wasserpflanzen, wirbellose Tiere und Fische.
Das Team um den Ökologen Willem Kaijser nutzte statistische Modelle, um die Wirkung von sieben häufigen Umweltbelastungen zu bestimmen. Neben Salz, Sauerstoffmangel und Sedimenten untersuchten sie Temperaturanstieg, Fließstopp sowie Stickstoff- und Phosphoreinträge aus Landwirtschaft und Abwässern.
Drei Stressfaktoren treffen Flüsse besonders hart
Das Ergebnis ist eindeutig. „Salz, Sedimente und Sauerstoffmangel schaden fast immer“, erklärt Projektleiter Daniel Hering. Diese Faktoren treten oft gemeinsam auf und verschlechtern die Lebensbedingungen gravierend. Sedimente bedecken Flussbetten, nehmen Sauerstoff und Licht, und Salz stört den Stoffwechsel vieler Arten.
Besonders empfindlich reagieren wirbellose Tiere wie Insektenlarven und Schnecken. Sie verlieren ihren Lebensraum, wenn der Boden verschlammt oder der Sauerstoffgehalt sinkt. Auch Fische sind betroffen, weil ihre Brutplätze zugesetzt werden oder die Strömung versiegt.
Unterschiedliche Reaktionen im Ökosystem
Die Studie zeigt aber auch, dass nicht alle Arten gleich leiden. Manche Algen profitieren von mäßigen Nährstoffeinträgen, weil sie dadurch stärker wachsen können. Doch sobald die Konzentrationen steigen, kippt das System. Wasserpflanzen verlieren dann in puncto Artenvielfalt, während sich einige widerstandsfähige Arten durchsetzen.
Makrophyten – also größere Wasserpflanzen – entwickeln sich besser in langsam fließendem Wasser, wo sich Sedimente absetzen und der Untergrund stabiler wird. Steigt allerdings der Salzgehalt, verschwinden viele empfindliche Pflanzenarten.
Temperaturanstieg verändert das Gleichgewicht
Ein weiterer Stressfaktor ist die Erwärmung der Gewässer. Bei höheren Temperaturen sinkt der Sauerstoffgehalt, was vor allem Wirbellosen schadet. Fische können davon kurzfristig profitieren, wenn sie wärmere Zonen bevorzugen – langfristig droht aber auch ihnen Stress durch Sauerstoffmangel und veränderte Strömungen.
Besonders problematisch wird es, wenn sich mehrere Belastungen überlagern. Erwärmung, Sedimentablagerungen und Sauerstoffmangel verstärken sich gegenseitig. Das macht es schwer, einzelne Ursachen zu bekämpfen, ohne andere zu verschärfen.
Ähnliche Stressfaktoren gefährden Flüsse rund um den Globus
Trotz regionaler Unterschiede finden sich ähnliche Muster auf allen Kontinenten. In nahezu allen untersuchten Ländern sinkt die Artenvielfalt, wenn Salz, Sedimente oder Sauerstoffmangel zunehmen. Am stärksten betroffen sind Flüsse in landwirtschaftlich geprägten Regionen – dort, wo Düngemittel, Pestizide und Erosion zusammenkommen.
Den Wissenschaftlern zufolge gilt der Salzgehalt oft als Warnsignal für eine generelle Gewässerverschmutzung. Steigt er, deutet das häufig auch auf chemische Belastungen oder Abwässer hin. Salz kann also als Indikator für den Gesamtzustand eines Flusses dienen.
Was der Gewässerschutz jetzt leisten muss
Aus den Ergebnissen lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten. Wer Flüsse langfristig schützen will, muss mehrere Faktoren gleichzeitig angehen:
- Salz reduzieren: Streusalz, Abwässer und industrielle Einträge sind Hauptquellen.
- Sauerstoff sichern: Nährstoffeinträge verringern, Durchfluss verbessern.
- Sedimente managen: Erosion an Feldern stoppen, Uferstreifen wiederherstellen.
Darüber hinaus können natürliche Fließgeschwindigkeiten und strukturreiche Flussbetten helfen, Ökosysteme stabil zu halten. Statt einzelne Schadstoffe zu bekämpfen, sollten Programme künftig stärker auf Wechselwirkungen achten.
Kurz zusammengefasst:
- Flüsse verlieren weltweit Artenvielfalt, weil drei Stressfaktoren – Salz, Sauerstoffmangel und Sedimente – ihre Ökosysteme besonders stark belasten.
- Die Universität Duisburg-Essen analysierte Daten aus 87 Ländern und wertete über 22.000 wissenschaftliche Arbeiten aus, um diese Zusammenhänge erstmals global zu belegen.
- Um Flüsse zu schützen, müssen Salz- und Nährstoffeinträge gesenkt, Sauerstoffwerte stabil gehalten und Sedimentablagerungen gezielt verringert werden.
Übrigens: Der Mensch greift längst nicht mehr nur an Land nach Bodenschätzen. Auch die Tiefsee wird zum Ziel des Rohstoffhungers. Welche Folgen der Abbau in mehreren tausend Metern Tiefe für das Leben im Meer und das Klima hat – mehr dazu in unserem Artikel.
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