Vor 9.000 Jahren schmolz die Antarktis – jetzt beginnt der gleiche Prozess erneut

In der Antarktis setzt erneut ein Mechanismus ein, der schon früher zur großflächigen Eisschmelze führte.

Antarktis: Eisschmelze wie vor 9.000 Jahren setzt erneut ein

Vor 9.000 Jahren drang warmes Tiefenwasser unter die Eisschelfe der Antarktis, ließ sie kollabieren und löste eine großflächige Eisschmelze aus. © Unsplash

Was heute in der Antarktis passiert, erinnert an ein Ereignis vor rund 9.000 Jahren: Damals kam es in Ostantarktika zu einer massiven Eisschmelze. Nicht die Lufttemperatur war der Auslöser, sondern warmes Tiefenwasser, das unter das Schelfeis strömte und es von unten her schmolz. Dadurch geriet eine gefährliche Kettenreaktion in Gang: Schmelzwasser sammelte sich an der Meeresoberfläche, blockierte den Wärmeaustausch mit kühleren Schichten und verstärkte so den Zustrom warmen Wassers. Die Eisschmelze beschleunigte sich selbst.

Heute beobachten Forscher erneut eine solche Entwicklung – nur diesmal verläuft sie deutlich schneller. Ein internationales Forschungsteam hat die damaligen Abläufe rekonstruiert und warnt vor einem Rückfall in genau diesen Mechanismus. Die Eisschmelze in der Antarktis könnte erneut großflächig einsetzen. Der Meeresspiegel würde weltweit steigen, auch in Deutschland.

Bohrkerne aus dem Eis erzählen von früheren Entwicklungen

Die Studie erschien im Fachjournal Nature Geoscience und wurde unter Leitung von Professor Yusuke Suganuma vom National Institute of Polar Research in Japan durchgeführt. Grundlage der Forschung waren Sedimentproben aus der Lützow-Holm-Bucht in Ostantarktika. Sie wurden über Jahrzehnte hinweg während Expeditionen mit dem Forschungsschiff Shirase entnommen.

In den Bohrkernen entdeckten die Wissenschaftler Hinweise auf ein abruptes Zurückweichen des Eises. Spezielle Beryllium-Isotope zeigten, dass sich die Eisschicht damals innerhalb kurzer Zeit weit ins Landesinnere zurückgezogen hatte. Offenbar war das Meereis, das als Stütze für das Inlandeis wirkt, zusammengebrochen.

Süßwasser stabilisierte die Meeresoberfläche

Die Analysen belegen: Nicht die Atmosphäre, sondern der Ozean war der Auslöser. Aus anderen antarktischen Regionen floss damals vermehrt Schmelzwasser ins Meer. Dieses Süßwasser bildete eine stabile Deckschicht an der Oberfläche und blockierte den Austausch mit kälteren, tieferen Schichten.

Warmes Tiefenwasser konnte dadurch leichter bis zur Küste vordringen, strömte unter die Schelfe und brachte sie zum Schmelzen. Als die schwimmenden Eisplatten verschwanden, verlor auch das Inlandeis seine Stütze. Es rutschte Richtung Meer und verlor an Masse.

Schon geringe Mengen reichten für den Umschwung

Zur weiteren Analyse nutzten die Forscher Klimamodelle. Sie gaben die damaligen Schmelzwassermengen ein – etwa 0,02 Sverdrup oder rund 20.000 Kubikmeter pro Sekunde. Bereits diese geringe Menge reichte aus, um die Ozeanzirkulation zu verändern.

Die Simulationen bestätigten, dass sich die Rückkopplung selbst verstärkte. Mehr Süßwasser führte zu mehr warmem Tiefenwasser und damit zu noch mehr Schmelze. Die Forscher sprechen von einem „cascading positive feedback“ – einem sich selbst antreibenden Mechanismus mit weitreichenden Folgen.

Eisschelfe verloren den Halt – Inlandeis folgte

Hinzu kam ein zweiter Effekt: Der Meeresspiegel rund um die Lützow-Holm-Bucht lag damals höher als im weltweiten Durchschnitt. Grund dafür war eine verzögerte Hebung des Meeresbodens nach dem Abschmelzen anderer Eisschilde.

Die Eisschelfe gerieten dadurch zusätzlich unter Druck, verloren den Bodenkontakt, kippten und zerbrachen. Das Inlandeis rutschte nach und dünnte laut Studie um bis zu 400 Meter aus. Die Autoren schreiben, die Eisschmelze sei kontinuierlich verlaufen, nicht sprunghaft, sondern gleichmäßig über Jahrhunderte.

Der Prozess setzte sich entlang der Küsten fort

Nicht nur die Lützow-Holm-Bucht war betroffen. Auch benachbarte Regionen in Ostantarktika verloren zur gleichen Zeit Eis. Der Rückzug setzte sich entlang der Küsten fort. Daher fordern die Experten, dass heutige Klimamodelle diese regionale Verknüpfung stärker berücksichtigen sollten.

Denn genau diese Entwicklung findet derzeit erneut statt. Satellitendaten zeigen, dass warmes Tiefenwasser bereits unter große Schelfe vordringt – vor allem im Westen der Antarktis, beim Pine-Island- und Thwaites-Gletscher.

Heute verläuft alles schneller als damals

Die Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart sind laut den Forschern deutlich. Ein wichtiger Unterschied: Heute verläuft die Erwärmung schneller, angetrieben durch vom Menschen verursachte Treibhausgase.

„Unsere Ergebnisse liefern wichtige Daten und Modellanalysen, um das Verhalten des antarktischen Eisschilds künftig besser zu verstehen“, sagt Professor Suganuma. Denn bereits kleine regionale Veränderungen könnten weltweit spürbare Folgen haben.

Kurz zusammengefasst:

  • Vor rund 9.000 Jahren führte warmes Tiefenwasser in der Ostantarktis zum Kollaps ganzer Eisschelfe – das Inlandeis verlor bis zu 400 Meter an Dicke.
  • Schmelzwasser verstärkte den Effekt: Es verdünnte die Ozeanoberfläche, ließ mehr Tiefenwärme vordringen und löste eine Rückkopplung aus, die sich entlang der Küste fortsetzte.
  • Neue Modelle und Bohrkerne zeigen: Die Eisschmelze in der Antarktis beginnt erneut – mit Folgen für Meeresspiegel und Klimastabilität weltweit.

Übrigens: Die Expansion des Alls scheint sich abzubremsen – entgegen einer Theorie, die einst den Physik-Nobelpreis gewann. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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