Einstein lag vielleicht falsch – Schattenbilder Schwarzer Löcher könnten seine Theorie widerlegen
Ein Forschungsteam nutzt Simulationen, um zu testen, ob Einsteins Relativitätstheorie im Umfeld Schwarzer Löcher uneingeschränkt gilt.
Forscher nutzen Schatten von Schwarzen Löchern, um Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie zu überprüfen – mithilfe von Simulationen und künftigen Präzisionsbildern. © Pixabay
Albert Einstein gilt vielen als das Maß aller Dinge, wenn es um unser Verständnis von Raum, Zeit und Gravitation geht. Doch eine neue Studie rüttelt vorsichtig an diesem Fundament. Ein internationales Forschungsteam rund um die Goethe-Universität Frankfurt zeigt, dass Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie künftig mit einer neuen Methode auf eine besonders harte Probe gestellt werden könnte und zwar mithilfe der Schattenbilder Schwarzer Löcher.
Diese Schatten – also dunkle Umrisse vor glühendem Gas – wurden erstmals 2019 vom Event Horizon Telescope (EHT) eingefangen, einem weltweiten Verbund aus Radioteleskopen. Die berühmten Bilder aus dem Zentrum der Galaxie M87 und unserer Milchstraße ermöglichten zum ersten Mal einen Blick auf die unmittelbare Umgebung eines Schwarzen Lochs. Was nach reiner Beobachtung aussieht, könnte nun der Schlüssel sein, um feine, aber messbare Unterschiede zwischen verschiedenen Theorien der Schwerkraft zu erkennen.
Schatten als Prüfstein für die Gravitation
Die Studie geht der Frage nach, ob sich alternative Gravitationstheorien – also solche, die Einsteins Modell erweitern oder ablösen könnten – im Schattenbild eines Schwarzen Lochs erkennbar machen. Die Wissenschaftler nutzten hochkomplexe Simulationen, um genau das zu überprüfen.
Federführend dabei war die Arbeitsgruppe von Professor Luciano Rezzolla an der Goethe-Universität Frankfurt. Er erklärt: „Was man auf diesen Bildern sieht, ist nicht das Schwarze Loch selbst, sondern die Materie in seiner unmittelbaren Umgebung.“ Diese Materie sendet noch Licht aus – kurz bevor sie für immer hinter dem Ereignishorizont verschwindet.
Bis zu 5 Prozent Abweichung – messbar mit neuen Teleskopen
Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, wie stark sich die Schattenbilder unterscheiden, wenn man verschiedene theoretische Modelle zugrunde legt. Die Ergebnisse zeigen:
- Abweichungen von 2 bis 5 Prozent im Schattenbild könnten ausreichen, um alternative Theorien von Einsteins Modell zu unterscheiden.
- Für eine verlässliche Messung ist eine Winkelauflösung unter einer Millionstel Bogensekunde nötig – das entspricht der Fähigkeit, eine Euromünze auf der Mondoberfläche zu erkennen.
Das klingt technisch, ist aber eine klare Zielvorgabe: Künftige Teleskope wie das geplante „Next-Generation Event Horizon Telescope“ oder der „Black Hole Explorer“ sollen genau diese Präzision erreichen.
Einheitlicher Rahmen für verschiedene Theorien
Die Forscher nutzten ein gemeinsames parametrisches Rahmenwerk, das eine große Bandbreite denkbarer Schwarzer-Loch-Modelle in vergleichbarer Form beschreibt. Diese „universelle Beschreibung“ ist notwendig, weil viele dieser alternativen Modelle bisher kaum systematisch prüfbar waren.
„Das erfordert zwei Dinge“, sagt Rezzolla. „Erstens hochauflösende Bilder, um die Form und Größe des Schattens exakt zu bestimmen. Zweitens eine Beschreibung, wie stark eine Theorie von Einsteins Vorhersagen abweicht.“ Die Kombination beider Elemente könnte künftig zeigen, ob die Gravitation im extremen Umfeld Schwarzer Löcher vielleicht anders funktioniert als gedacht.

Simulationen mit synthetischen Bildern
Grundlage der Studie sind sogenannte magnetohydrodynamische Simulationen. Damit wird das Verhalten von heißem Plasma, Materie und Magnetfeldern in der stark gekrümmten Raumzeit rund um Schwarze Löcher modelliert. Aus diesen Daten erzeugte das Team synthetische Bilder – eine Art Vorschau darauf, wie ein Schatten aussehen würde, wenn eine andere Theorie der Gravitation gelten würde.
Diese Methode erlaubt eine präzise Analyse der Unterschiede:
- Welche Form hat der Schatten?
- Wie hell ist der leuchtende Ring um ihn herum?
- Wie stark verzerren Gravitationskräfte das Licht?
Solche Unterschiede lassen sich bei ausreichender Auflösung im Bild erkennen und könnten künftig Aufschluss darüber geben, welche Theorie besser zur Realität passt.
Einsteins Theorie bleibt stabil – doch der Zweifel gehört zur Wissenschaft
Die aktuellen Beobachtungen stimmen noch mit Einsteins Vorhersagen überein. Exotische Modelle wie „nackte Singularitäten“ oder Wurmlöcher gelten nach heutigem Stand als unwahrscheinlich. Doch der wissenschaftliche Anspruch bleibt: Auch eine bewährte Theorie muss sich immer wieder neu beweisen.
„Unsere Erwartung ist, dass sich die Relativitätstheorie weiter bestätigt – wie bisher“, sagt Rezzolla. Gleichzeitig sei es wichtig, Alternativen ernsthaft zu prüfen, gerade wenn die Technik neue Möglichkeiten biete.
Wann wird es ernst für Einstein?
Die Forscher sind zuversichtlich, dass in den nächsten Jahren Teleskope mit der nötigen Genauigkeit verfügbar sein werden. Ein Radioteleskop im All würde die Bildschärfe drastisch erhöhen. Die Planungen dafür laufen bereits.
Noch bleibt die Theorie Einsteins unerschüttert. Doch mit jedem neuen Bild vom Rand eines Schwarzen Lochs wächst die Chance, etwas zu entdecken, das nicht ganz ins Weltbild passt. Und genau das macht diese Forschung so spannend – für die Wissenschaft und für unser Verständnis des Universums.
Kurz zusammengefasst:
- Mit Hilfe hochauflösender Schattenbilder Schwarzer Löcher wollen Wissenschaftler künftig testen, ob Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie in extremen Gravitationsfeldern noch gültig ist.
- Schon kleine Abweichungen von 2 bis 5 Prozent im Schattenbild könnten ausreichen, um alternative Gravitationstheorien von Einsteins Modell zu unterscheiden.
- Die Goethe-Universität Frankfurt entwickelte dafür ein einheitliches Simulationsverfahren, das unterschiedliche Theorien vergleichbar macht und präzise Vorhersagen für kommende Teleskope liefert.
Übrigens: Zwei Kollisionen Schwarzer Löcher haben 2024 nicht nur neue Hinweise auf ihre Entstehung geliefert – sie bestätigten auch Einsteins Theorie mit erstaunlicher Präzision. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Pixabay
