Kondensstreifen heizen die Erde stärker auf als CO₂ – doch ihr Effekt ist nur von kurzer Dauer
Laut einer neuen Studie wirken Kondensstreifen teils stärker aufs Klima als CO₂ – vor allem, wenn sie sich in natürlichen Eiswolken bilden.
Optimierte Flugrouten würden den klimaschädlichen Effekt von Kondensstreifen deutlich verringern. © Unsplash
Beim Thema Flugverkehr denken viele zuerst an CO₂. Doch auch Kondensstreifen, die wie weiße Fäden am Himmel stehen bleiben, tragen zur Erderwärmung bei – teils sogar stärker als die direkten CO₂-Emissionen.
Nach aktuellen Analysen gehen rund 3,5 Prozent der weltweiten Erwärmung auf den Luftverkehr zurück. Etwa 60 Prozent dieses Effekts entstehen nicht durch CO₂, sondern durch Kondensstreifen-Zirren – dünne, hochliegende Eiswolken, die sich aus Flugabgasen bilden.
Kondensstreifen heizen Klima stärker an – abhängig von Eiswolken
Kondensstreifen verstärken kurzfristig die Aufheizung der Erde mehr als der CO₂-Ausstoß selbst, verschwinden aber nach Stunden oder Tagen wieder. Das ausgestoßene CO₂ dagegen bleibt über Jahrhunderte in der Atmosphäre und bestimmt die langfristige Erwärmung.
Forscher aus Deutschland haben jetzt herausgefunden, dass Kondensstreifen meist nicht bei klarem Himmel entstehen, sondern mitten in bestehenden Eiswolken – und dass dies ihre Wirkung auf das Klima grundlegend verändert.
Wann sich Kondensstreifen bilden
Ein Team aus dem Forschungszentrum Jülich und den Universitäten Mainz, Köln und Wuppertal hat über mehrere Jahre hinweg Millionen Messdaten aus dem Linienflugverkehr ausgewertet. Die Analyse zeigt: Langlebige Kondensstreifen entstehen nur selten in wolkenfreier Luft. In mehr als 80 Prozent der Fälle bilden sie sich innerhalb natürlicher Zirruswolken – das sind hohe, eisige Wolkenschichten in rund zehn bis zwölf Kilometern Höhe. Besonders deutlich wird das über Europa und dem Nordatlantik: Dort entstehen rund 90 Prozent aller langlebigen Kondensstreifen in bestehenden Eiswolken. Nur etwa vier Prozent entstehen in völlig klarer Luft.
In wärmeren Regionen wie Südostasien, wo Flugzeuge in etwas tieferen und wärmeren Luftschichten unterwegs sind, liegt dieser Anteil sogar nahe bei hundert Prozent: Dort entstehen fast alle Kondensstreifen innerhalb solcher bestehenden Wolkenfelder.
Warum Kondensstreifen das Klima unterschiedlich beeinflussen
Die weißen Kondensstreifen entstehen, wenn heiße Abgase der Triebwerke auf die eiskalte Luft in großer Höhe treffen. Ist die Luft trocken, lösen sie sich schnell auf; ist sie feucht und kalt, können sie sich über Stunden halten und sich zu ausgedehnten Wolkenschichten entwickeln – den sogenannten Kondensstreifen-Zirren.
Das Entscheidende: Diese Zirren wirken wie ein Mantel aus Eiskristallen. Sie lassen Sonnenlicht hinein, verhindern aber, dass Wärme von der Erde wieder entweicht. Besonders stark ist dieser Erwärmungseffekt, wenn Kondensstreifen in klarer Luft oder in sehr dünnen Zirruswolken entstehen.
Warum die meisten Kondensstreifen kaum zur Erwärmung beitragen
In dichten, bereits vorhandenen Zirrusfeldern kann der Effekt dagegen deutlich geringer ausfallen – im Extremfall überwiegt sogar eine leichte Kühlung, weil mehr Sonnenlicht zurück ins All reflektiert wird.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir die Klimawirkung von Kondensstreifen künftig genauer unterscheiden müssen“, sagt Andreas Petzold vom Forschungszentrum Jülich. Die Auswertung zeigt: Deutlich erderwärmende Kondensstreifen sind die Ausnahme. In weniger als 15 Prozent der untersuchten Fälle verstärken sie die Erderwärmung spürbar.
Messdaten von Linienflügen: weltweit einzigartig
Für ihre Studie nutzten die Wissenschaftler Daten aus dem europäischen Forschungsprojekt IAGOS, bei dem Linienflugzeuge mit speziellen Sensoren ausgestattet sind. Diese messen während des regulären Flugbetriebs Temperatur und Luftfeuchtigkeit in großer Höhe – kontinuierlich und weltweit. Zwischen 2014 und 2021 sammelten die IAGOS-Flieger über dem Nordatlantik mehr als 17 Millionen Einzelmesswerte.
Wenn Kondensstreifen meist in natürlichen Eiswolken entstehen, könnten bestehende Strategien zur Routenplanung künftig neu bewertet werden. „Es könnte sinnvoller sein, klimaschonendere Flugrouten nicht nur nach wolkenfreiem Himmel, sondern auch nach bestehenden Eiswolkenstrukturen zu planen“, sagt Martina Krämer, Stratosphärenforscherin in Jülich und Mitautorin er Studie.
Umwege verursachen oft mehr CO₂
Allerdings ist das in der Praxis kompliziert: Eisübersättigte Luftmassen und Zirruswolken lassen sich in zehn bis zwölf Kilometern Höhe nur begrenzt zuverlässig vorhersagen, und Ausweichrouten können längere Flugwege und damit mehr Kerosinverbrauch bedeuten. Strategien zur Vermeidung besonders wirksamer Kondensstreifen müssen deshalb immer gegen zusätzliche CO₂-Emissionen durch Umwege abgewogen werden.
Kurz zusammengefasst:
- Kondensstreifen tragen kurzfristig stärker zur Erderwärmung bei als der CO₂-Ausstoß der Flugzeuge, weil sie Wärme in der Atmosphäre festhalten.
- Die meisten entstehen nicht in klarer Luft, sondern innerhalb natürlicher Eiswolken, wo ihre Wirkung auf das Klima oft schwächer oder sogar leicht kühlend ist.
- Neue Messdaten zeigen: Nur etwa 15 Prozent aller Kondensstreifen-Zirren wirken eindeutig erderwärmend – ein wichtiger Hinweis für klimafreundlichere Flugrouten.
Übrigens: Für Bill Gates ist Klimaschutz mehr als CO₂-Zahlen – er fordert, das menschliche Wohlergehen ins Zentrum zu rücken. Warum er Armut, Gesundheit und Gerechtigkeit für wichtiger hält als das Thermometer – mehr dazu in unserem Artikel.
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