Ob wir warten können oder nicht – das hängt auch vom „Glückshormon“ ab

Dopamin beeinflusst, wie wir Entscheidungen treffen: Ein Forschungsteam der Universität zu Köln zeigt, dass eine erhöhte Dopaminausschüttung die Bereitschaft steigert, auf spätere Belohnungen zu warten.

Geduld oder Impuls – Dopamin lenkt unsere Entscheidung

Die Studie zeigt, dass Dopamin nicht nur spontane Entscheidungen beeinflusst, sondern auch unser langfristiges Abwägen von Belohnungen formt. © Unsplash

Geduld hat nicht nur mit Selbstdisziplin zu tun. Ob jemand impulsiv handelt oder abwarten kann, hängt auch von einem Botenstoff im Gehirn ab. Eine Studie der Universität zu Köln zeigt: Dopamin beeinflusst, wie wir eine Entscheidung zwischen spontaner Reaktion und bewusstem Abwarten treffen.

Das Team um Dr. Elke Smith und Prof. Jan Peters wollte wissen: Lässt sich das Entscheidungsverhalten gezielt beeinflussen, wenn der Dopaminspiegel verändert wird? Getestet wurde das mit L-DOPA – einem Medikament, das im Gehirn zu Dopamin umgewandelt wird.

L-DOPA verändert das Entscheidungsverhalten messbar

76 gesunde Erwachsene nahmen an dem Experiment teil, 44 davon Männer. Alle erhielten an zwei Tagen entweder L-DOPA oder ein Placebo. Danach mussten sie sich wiederholt entscheiden: Sofort ein kleiner Geldbetrag – oder ein größerer zu einem späteren Zeitpunkt?

Unter L-DOPA entschieden sich die Teilnehmer deutlich häufiger für die spätere Belohnung. Die Zahl impulsiver Entscheidungen sank im Vergleich zur Placebo-Phase um etwa 20 Prozent. Der Effekt war zwar moderat, aber statistisch stabil.

Dopamin beeinflusst die Entscheidung – ohne das Tempo zu verändern

In der Studie wollten die Forscher nicht nur wissen, ob sich Entscheidungen unter dem Einfluss von Dopamin verändern, sondern auch wie genau das im Kopf abläuft. Dafür nutzten sie ein sogenanntes kognitives Entscheidungsmodell. Dieses analysiert Schritt für Schritt, was beim Abwägen zwischen zwei Optionen im Gehirn passiert – etwa, wie schnell jemand entscheidet, wie unsicher er dabei ist oder wie attraktiv ihm eine Belohnung erscheint.

Die Ergebnisse zeigten: Die Reaktionszeit – also wie schnell die Teilnehmer antworteten – veränderte sich durch L-DOPA nicht. Auch die Entscheidungsvorsicht – ob jemand eher zögert oder impulsiv reagiert – blieb gleich.

Was sich jedoch klar veränderte, war die Bewertung zukünftiger Belohnungen: Unter L-DOPA erschien ein späterer, aber größerer Geldbetrag wertvoller als zuvor. Die Teilnehmer waren also eher bereit zu warten, weil ihr Gehirn die spätere Belohnung positiver einschätzte. Das legt nahe, dass Dopamin vor allem die innere Bewertung beeinflusst, nicht aber die Geschwindigkeit oder Sicherheit der Entscheidung.

„L-DOPA reduziert die zeitliche Abwertung von Belohnungen zuverlässig – auch bei gesunden Menschen“, sagt Smith. Frühere Studien hatten dagegen nahegelegt, dass L-DOPA Impulsivität verstärken könnte. Diese waren jedoch oft deutlich kleiner angelegt.

Persönliche Unterschiede zeigen keinen Einfluss

Die Wissenschaftler wollten auch klären, warum manche Menschen stärker auf das Medikament reagieren als andere. Dazu wurden drei mögliche Einflussfaktoren untersucht:

  • die Leistung des Arbeitsgedächtnisses
  • die spontane Blinzelrate
  • die subjektiv eingeschätzte Impulsivität

Diese Merkmale gelten als mögliche Hinweise auf die individuelle Aktivität des Dopaminsystems. Doch die Analyse ergab: Keiner dieser Faktoren beeinflusste den Effekt von L-DOPA auf das Entscheidungsverhalten. „Wir fanden keinen Hinweis darauf, dass diese Merkmale den Effekt beeinflussen“, so Smith. Das stellt infrage, ob diese Größen tatsächlich verlässliche Indikatoren für die Dopaminaktivität im Gehirn sind.

Große Belohnungen bleiben stabil – unabhängig vom Dopaminspiegel

Ein weiteres bekanntes Phänomen bestätigte sich im Experiment: der sogenannte Magnitude-Effekt. Er beschreibt, dass große Belohnungen weniger stark an Wert verlieren als kleine, wenn man dafür warten muss. Auch unter L-DOPA blieb dieser Effekt bestehen.

Dopamin beeinflusst mehr als nur Krankheiten

Dopamin ist ein zentraler Botenstoff im Gehirn. Es spielt eine Rolle bei Motivation, Lernen, Bewegung und bei der Einschätzung von Belohnungen. Bei Erkrankungen wie Parkinson oder bei Sucht ist das System gestört. Doch die aktuelle Studie zeigt: Auch im gesunden Zustand lässt sich das Verhalten durch gezielte Veränderung des Dopaminspiegels beeinflussen.

„Unsere Daten liefern neue Belege, dass Dopamin das Abwägen zwischen sofortigen und späteren Belohnungen prägt – aber die individuellen Unterschiede bleiben groß“, erklärt Smith. In künftigen Studien soll untersucht werden, wie sich dieser Effekt bei hormonellen Schwankungen oder in Patientengruppen zeigt.

Kurz zusammengefasst:

  • Dopamin beeinflusst unsere Entscheidung zwischen sofortiger und späterer Belohnung – unter dem Medikament L-DOPA trafen Teilnehmer deutlich geduldigere Entscheidungen.
  • In einer placebokontrollierten Studie der Universität zu Köln warteten Teilnehmer unter L-DOPA etwa 20 Prozent häufiger auf die größere Belohnung.
  • Individuelle Unterschiede wie Impulsivität, Arbeitsgedächtnis oder Blinzelrate hatten keinen Einfluss auf die Wirkung – gängige Dopamin-Proxies gelten daher als fragwürdig.

Übrigens: Bei manchen Jugendlichen beginnen Parkinson-ähnliche Symptome schon in der Pubertät – ausgelöst durch einen kaum bekannten Gendefekt, der die Zellreinigung lahmlegt. Wie das Gen EPG5 mit Demenz, Muskelzittern und früher Gehirnalterung zusammenhängt, zeigt eine neue Studie aus Köln und London. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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