Warum der Einkauf im Supermarkt den Griff zur Zigarette auslöst

Schon der Supermarktbesuch kann das Rauchverhalten beeinflussen. Tabakwaren im Alltag verstärken den Griff zur Zigarette.

Wie der Einzelhandel das Rauchverhalten beeinflusst

Raucher griffen häufiger zur Zigarette, an Tagen mit mehr Kontakt zu Verkaufsstellen für Tabakwaren – ihr Rauchverlangen war messbar höher. © Midjourney

Rauchen ist keine reine Willensfrage. Schon der Gang in den Supermarkt oder an die Tankstelle kann das Rauchverhalten messbar verändern. Der Grund: Wer häufig mit Tabakwaren in Berührung kommt, greift öfter zur Zigarette, das zeigt eine neue Studie aus den USA.

Forscher der University of Pennsylvania haben erstmals gemessen, wie eng der Kontakt zu Verkaufsstellen im Einzelhandel mit dem tatsächlichen Konsum und Rauchverhalten verknüpft ist. Das Ergebnis: Schon wenige Begegnungen mit Zigarettenregalen oder Werbeschildern reichen aus, um den Drang nach Nikotin zu verstärken. Die Studie zeigt, dass der Ort, an dem wir einkaufen, das Rauchverhalten stärker beeinflusst als gedacht.

Einzelhandel und seine Umgebung verändern das Rauchverhalten

Für ihre Untersuchung begleitete das Forschungsteam 273 Raucherinnen und Raucher aus drei US-Bundesstaaten – Pennsylvania, New Jersey und Delaware – über zwei Wochen. Alle Teilnehmer ließen ihre Bewegungen über das Smartphone aufzeichnen. So konnten die Wissenschaftler nachvollziehen, wie oft sie in die Nähe von Geschäften kamen, in denen Tabak verkauft wird.

Parallel dazu gaben die Teilnehmer mehrmals am Tag an, wie stark ihr Verlangen nach Zigaretten war und wie viele sie tatsächlich rauchten. Das Ergebnis war klar: An Tagen mit häufigeren Kontakten zu Verkaufsstellen stieg sowohl das Rauchverlangen als auch die Zahl der gerauchten Zigaretten.

„Für Raucher ist es wichtig zu wissen, dass der Kontakt mit Geschäften, die Tabak verkaufen, ein Risiko darstellt“, sagt Studienleiterin Emily Falk von der Annenberg School for Communication der University of Pennsylvania. Eine weitere Beobachtung der Studie: Solche Verkaufsstellen befinden sich besonders oft in Gegenden mit geringeren Einkommen und weniger Gesundheitsangeboten.

Wie Tabakwaren im Alltag unbewusst wirken

Tabakwaren sind im Einzelhandel allgegenwärtig – in Supermärkten, Tankstellen, Spätshops. Die Sichtbarkeit dieser Produkte wirkt wie ein ständiger Reiz. In den USA fließen laut der Studie mehr als 8 Milliarden Dollar jährlich in Marketing am Verkaufsort – etwa 97 Prozent des gesamten Werbebudgets der Tabakindustrie.

Die Forscher erstellten eine Datenbank mit über 36 000 Verkaufsstellen. Mithilfe von GPS-Daten verglichen sie, wie sich die Nähe zu diesen Orten auf das Verhalten auswirkte. Besonders auffällig: Schon eine Stunde nach einem Aufenthalt im Umfeld solcher Geschäfte stieg die Zahl der gerauchten Zigaretten.

Umweltreize verstärken Gewohnheiten messbar

Diese Ergebnisse stützen, was viele aus Erfahrung kennen: Je präsenter Tabakwaren sind, desto stärker wirkt die Versuchung. Die Studie liefert dafür erstmals präzise Messdaten. Die Teilnehmer rauchten an Tagen mit überdurchschnittlicher Exposition signifikant mehr – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Nikotinabhängigkeit.

Die Forscher sehen darin einen Hinweis, dass Rauchverhalten durch kurzfristige Reize gesteuert wird – ähnlich wie Essgewohnheiten oder Alkoholkonsum.

Digitale Daten enthüllen: Einfluss größer als vermutet

Besonders innovativ war der methodische Ansatz. Statt auf Erinnerungen oder Fragebögen zu setzen, kombinierten die Forscher GPS-Ortungsdaten mit Echtzeitbefragungen. Mehrmals täglich erhielten die Teilnehmer kurze Fragen auf ihr Smartphone: Wie stark ist das Verlangen? Wie viele Zigaretten wurden seit dem letzten Check geraucht?

Durch diese Kombination konnten sie die Dynamik zwischen Umgebung und Verhalten erstmals in Echtzeit erfassen. „Diese Methode liefert einen genaueren Einblick in die Verbindung zwischen Umgebung, Verlangen und Konsum“, erklärt Erstautor Benjamin Muzekari.

Die Auswertung ergab:

  • Das Rauchverlangen lag an Tagen mit vielen Kontakten zu Tabakläden im Schnitt 4 Prozent über dem persönlichen Durchschnitt.
  • Die Zahl der Zigaretten pro Tag stieg parallel – selbst ohne bewusste Wahrnehmung der Auslöser.

Warum Politik und Stadtplanung gefragt sind

Für den Gesundheitsschutz bedeutet das: Wenn der Alltag selbst zum Risikofaktor wird, reichen Appelle an die Selbstkontrolle kaum aus. Entscheidend sind die Rahmenbedingungen – also, wie sichtbar und zugänglich Tabakwaren im Einzelhandel sind.

Laut den Forschern könnten räumliche Maßnahmen wirksamer sein als klassische Aufklärung:

  • Weniger Werbung und Sichtbarkeit an Kassen oder Tankstellen
  • Abstandsregeln für Verkaufsstellen in Wohngebieten
  • Lizenzbeschränkungen in Vierteln mit hoher Dichte an Tabakläden

Solche Ansätze zielen darauf, die alltägliche Versuchung zu verringern – ähnlich wie beim Alkoholverkauf oder bei ungesunden Snacks an Schulen.

Kurz zusammengefasst:

  • Das Umfeld beeinflusst das Rauchverhalten stärker, als viele denken: Schon der Kontakt zu Tabakwaren im Einzelhandel kann das Rauchverlangen messbar steigern.
  • In der Studie rauchten Teilnehmer an Tagen mit mehr Kontakten zu Verkaufsstellen deutlich häufiger – unabhängig von Alter oder Nikotinabhängigkeit.
  • Sichtbare Tabakprodukte im Einzelhandel wirken wie unbewusste Reize; weniger Werbung und strengere Regeln für Verkaufsstellen könnten helfen, den Griff zur Zigarette zu vermeiden.

Übrigens: Der neue Tabakatlas zeigt, wie dramatisch die Lage bleibt – noch immer raucht fast jeder Vierte in Deutschland, während Vapes bei Jugendlichen boomen und das Krebsrisiko steigt. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Midjourney

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert