Aktuelle Studie: Tempo 30 macht Straßen deutlich sicherer – ohne Autofahrer auszubremsen
Tempo 30 in Wohngebieten erhöht laut Studie die Sicherheit für Radfahrer deutlich – Autofahrer verlieren dabei kaum Zeit.

Weniger Tempo, mehr Überblick: In Wohnstraßen mit Tempo 30 sinkt das Risiko für Radfahrer und Fußgänger deutlich – und der Verkehr fließt trotzdem weiter. © Pexels
In vielen Städten wird heftig darüber gestritten, ob ein generelles Tempolimit von 30 km/h in Wohngebieten wirklich nötig ist. Gegner befürchten längere Fahrzeiten und mehr Staus. Befürworter hoffen auf ruhigere Straßen und mehr Sicherheit. Eine aktuelle Modellstudie der RMIT University in Melbourne bringt nun frische Daten in die Debatte – und räumt mit einem verbreiteten Irrtum auf: Langsamer fahren kostet kaum Zeit, bringt aber deutlich mehr Sicherheit für Radfahrer und Anwohner.
Die Forscher untersuchten, was passiert, wenn auf Wohnstraßen statt 50 nur noch 30 km/h erlaubt sind. Sie verglichen, wie sich das auf das Sicherheitsgefühl von Radfahrern und auf die Reisezeit von Autofahrern auswirkt. Das Ergebnis ist klar: Schon die Senkung um 20 km/h verändert das Verkehrsklima erheblich – und zwar ohne den Verkehrsfluss nennenswert zu bremsen.
Tempo 30 bringt mehr Sicherheit und reduziert Stress
Um die Wirkung zu messen, nutzten die Forscher das sogenannte Level of Traffic Stress (LTS). Es beschreibt, wie belastend eine Strecke für Radfahrer ist – je höher der Wert, desto riskanter und unangenehmer wird das Fahren. Bei 30 km/h verschiebt sich das Verhältnis deutlich: Der Anteil der ruhigen, stressarmen Straßen stieg im Modell von knapp 28 auf über 63 Prozent.
Für kurze Alltagswege unter zwei Kilometern ist der Unterschied besonders groß: Drei von vier dieser Strecken verlaufen dann über ruhige Straßen mit geringem Stressfaktor. Damit werden alltägliche Fahrten zur Arbeit, zum Einkaufen oder zur Schule deutlich sicherer und entspannter.
Auch für Familien mit Kindern oder ältere Menschen, die sich bisher nicht aufs Rad trauen, wäre das ein Gewinn. Weniger Tempo senkt das Risiko, schafft Übersicht und Vertrauen – und macht das Fahrrad zur echten Alternative für kurze Wege.
Kaum längere Fahrzeiten für Autofahrer
Viele Autofahrer befürchten, dass sie durch Tempo 30 im Alltag viel Zeit verlieren. Doch das Modell zeigt: Die tatsächliche Verzögerung ist minimal. Die durchschnittliche Fahrzeit ändert sich im gesamten Stadtgebiet nur um wenige Sekunden. Selbst wer überwiegend auf Wohnstraßen unterwegs ist, braucht im Schnitt gerade einmal eine Minute länger.
„Die meisten Autofahrten beginnen und enden in Wohnstraßen. Auf diesen kurzen Abschnitten spielt das Tempo kaum eine Rolle“, sagt Studienleiter Afshin Jafari. Nach seiner Einschätzung bringt das langsamere Fahren mehr Ruhe in die Nachbarschaften, ohne den Berufsverkehr zu behindern.
- Zeitverlust im Schnitt: unter 30 Sekunden pro Fahrt
- Lokale Fahrten: etwa +1 Minute
- Gesamtfahrzeit in der Stadt: nahezu unverändert
Durch die niedrigeren Tempolimits nehmen Autofahrer laut Simulation seltener Abkürzungen durch Wohnviertel. Der Verkehr verlagert sich stärker auf Hauptstraßen – Nebenstraßen werden leiser, sicherer und angenehmer für Fußgänger und Radfahrer.
Schnell wirksam und günstig umzusetzen
Das Tempolimit ist für Kommunen eine einfache Maßnahme, die sofort wirkt. Teure Umbauten wie Bordsteintrennungen oder neue Radwege lassen sich damit nicht ersetzen, aber überbrücken. „Autos zu verlangsamen ist ein günstiger und effektiver Weg, um die Sicherheit zu verbessern, während wir auf langfristige Infrastrukturprojekte warten“, sagt Jafari.
Im Gegensatz zu baulichen Maßnahmen kann die Einführung eines Tempolimits kurzfristig erfolgen – und sie kostet kaum Geld. Schon kleine Veränderungen am Verkehrsschild können also große Wirkung entfalten: weniger Lärm, weniger Durchgangsverkehr, mehr Lebensqualität.
Ein weiterer Vorteil: Straßen mit Tempo 30 laden eher dazu ein, das Auto stehen zu lassen. Wer auf ruhigen, übersichtlichen Wegen radelt, steigt häufiger um – ein Effekt, den die Forscher in ihren Simulationen deutlich sehen konnten.
Tempo 30 erhöht Sicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer
Die Studie zeigt, dass eine geringere Geschwindigkeit auf Wohnstraßen nicht nur Radfahrer schützt. Kinder, die zur Schule gehen, Senioren, die mit dem Rollator unterwegs sind, und Eltern, die ihr Viertel sicherer erleben wollen – sie alle profitieren.
Jafari bringt es auf den Punkt: „Langsamer zu fahren macht das Radfahren weniger stressig und ermutigt mehr Menschen, das Fahrrad als sicheres Verkehrsmittel zu wählen.“
- Weniger Unfälle: geringeres Risiko durch niedrigere Aufprallgeschwindigkeit
- Mehr Ruhe: weniger Durchgangsverkehr in Wohnstraßen
- Mehr Mobilität: sicherere Wege für Kinder und ältere Menschen
Damit liefert die Untersuchung eine praktische Antwort auf eine lange Debatte: Sicherheit und flüssiger Verkehr müssen kein Widerspruch sein. Tempo 30 ist keine Bremse, sondern eine Einladung, Straßen wieder als gemeinsamen Raum zu erleben – für alle, die dort wohnen, fahren oder einfach nur sicher ankommen wollen.
Kurz zusammengefasst:
- Eine aktuelle Studie zeigt: Tempo 30 auf Wohnstraßen senkt das Risiko für Radfahrer deutlich, weil der Verkehr ruhiger und übersichtlicher wird.
- Autofahrer verlieren dabei kaum Zeit – im Schnitt verlängern sich Fahrten nur um wenige Sekunden bis maximal eine Minute.
- Das niedrigere Tempolimit ist eine einfache und kostengünstige Maßnahme, um Sicherheit und Lebensqualität in Städten spürbar zu erhöhen.
Übrigens: Eine neue Analyse zeigt, dass ein Tempolimit von 120 auf deutschen Autobahnen die Zahl tödlicher Unfälle um mehr als ein Drittel senken könnte. Wie stark sich das auf Sicherheit, Kosten und Fahrverhalten auswirkt, erklärt unser Artikel.
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