Werden Hunde jemals sprechen können? – Was die Wissenschaft über diesen alten Menschheitstraum sagt

Forscher untersuchen, ob Hunde eines Tages sprechen könnten – und stoßen dabei auf verblüffende Erkenntnisse über Sprache und unser Verhältnis zu Tieren.

Können Hunde eines Tages sprechen – was Forscher dazu sagen

Ein Blick, ein Laut, eine Geste – Hunde sagen viel, ohne ein Wort zu sprechen. Forscher untersuchen, wie nah sie der Sprache trotzdem kommen. © Midjourney

Seit Jahrtausenden leben Hunde an unserer Seite – sie bewachen Häuser, helfen in Katastrophengebieten, führen blinde Menschen sicher durch den Alltag. Und sie verstehen uns erstaunlich gut: Ein Tonfall genügt, ein Blick, eine Geste. Doch immer wieder taucht die alte Frage auf: Wenn Hunde so klug und empathisch sind – könnten sie irgendwann vielleicht sprechen?

Eine wissenschaftliche Analyse der Eötvös Loránd Universität in Budapest hat diese Frage neu untersucht. Die Forscher wollten wissen, welche biologischen, kognitiven und evolutionären Voraussetzungen nötig wären, damit Hunde Sprache nicht nur verstehen, sondern selbst anwenden könnten. Dabei ging es nicht um Science-Fiction, sondern um eine ernsthafte Frage der Evolutionsbiologie. Denn: Wären Hunde tatsächlich fähig zu sprechen, wäre das ein so großer Vorteil im menschlichen Umfeld, dass sich diese Fähigkeit längst durchgesetzt hätte.

Hunde können Laute formen – aber keine Worte

Anatomisch sind Hunde durchaus in der Lage, verschiedene Töne zu erzeugen. Ihr Kehlkopf und ihre Stimmbänder ähneln in gewisser Weise denen des Menschen. Experimente zeigen: Hunde können Grundtöne von etwa 400 Hertz erzeugen – ein Bereich, der nahe an menschlicher Sprache liegt. Manche „sprechenden Hunde“ aus Internetvideos treffen sogar Tonhöhen, die an Worte erinnern.

Doch echte Sprache braucht mehr als Stimmbänder. Sie verlangt feine Kontrolle über Zunge, Lippen und Atemrhythmus. Und genau hier liegt das Problem. Der Aufbau des Hundekehlkopfs lässt keine gezielte Artikulation zu. Kein Hund könnte „Ball“ oder „Futter“ klar aussprechen, selbst wenn er die Bedeutung verstünde.

Was Hunde tatsächlich verstehen

Forscher unterscheiden zwischen Sprache verstehen und Sprache sprechen. Hunde können beides nur teilweise. Einige sogenannte „begabte Hunde“ haben in Experimenten gelernt, über 100 Begriffe mit Objekten zu verbinden. Sie wissen, dass „Ball“ oder „Seil“ konkrete Dinge bezeichnen.

Dazu kommen erstaunliche soziale Fähigkeiten:

  • Hunde folgen dem Blick des Menschen und erkennen Gesten oder Zeigebewegungen.
  • Sie hören Unterschiede im Tonfall und reagieren unterschiedlich auf freundliche, ängstliche oder verärgerte Stimmen.
  • Sie merken sich, welche Handlungen mit Lob, Aufmerksamkeit oder Futter belohnt werden.

Solche Leistungen zeigen, dass Hunde Sprache funktional verstehen – ohne sie selbst zu beherrschen.

„Sind Hunde wirklich auf dem Weg zur Verbalisierung?“

„Die eigentliche Frage ist: Sind Hunde wirklich auf dem Weg zur Verbalisierung? Welche Fähigkeiten sind für die Sprachproduktion und das Sprachverständnis notwendig, und welche fehlen Hunden?“, sagt Dr. Rita Lenkei, eine der Hauptautorinnen der Studie. Sie und ihr Team wollten klären, „was bekannt ist, was übertrieben ist und was durch ernsthafte wissenschaftliche Forschung noch erforscht werden muss.“

Das Ergebnis fällt eindeutig aus: Hunde besitzen viele Grundlagen für Kommunikation – aber keine für artikulierte Sprache. Ihr Gehirn verarbeitet Geräusche anders als das menschliche. Sie reagieren auf vertraute Laute, erkennen Betonung und Rhythmus, doch ihnen fehlt das neuronale Netzwerk, das Sprache als Symbolsystem versteht.

Können Hunde sprechen? Was Forschung und Geschichte zeigen

Die Idee vom sprechenden Hund hat eine lange Tradition. Schon 1912 sorgte der deutsche Schäferhund „Don“ für Schlagzeilen, weil er angeblich Worte wie „Hunger“ sagen konnte. Spätere Untersuchungen zeigten: Don ahmte nur Laute nach, die zufällig an Worte erinnerten – ein akustischer Zufall.

Heute versuchen einige Tiertrainer, Hunden mit sogenannten „AIC-Geräten“ das Kommunizieren über Knöpfe beizubringen. Jeder Knopf steht für ein Wort, das per Laut abgespielt wird – etwa Leckerli oder Spielen. Manche Hunde drücken passende Tasten, aber Forscher halten das für erlerntes Verhalten, nicht für echte Sprachkompetenz.

Warum Hunde nicht sprechen – und trotzdem viel sagen

Die Wissenschaft sieht mehrere Gründe, warum Hunde trotz tausender Jahre Zusammenleben mit dem Menschen nie zu Sprechern wurden:

  • Kehlkopf und Zunge: zu unflexibel für differenzierte Laute
  • Gehirnstruktur: kein Sprachzentrum wie beim Menschen
  • Evolutionärer Druck: kein Vorteil, da Hunde sich über Gesten, Blicke und Töne perfekt verständigen können

Dafür besitzen sie ausgeprägte empathische Fähigkeiten. Sie erkennen Emotionen an der Stimme, verstehen soziale Signale und reagieren auf menschliche Bedürfnisse – etwas, das selbst manche Primaten kaum schaffen.

Was wir aus dem Schweigen der Hunde lernen können

Forscher sehen in der Kommunikation zwischen Mensch und Hund ein Modell für die Entstehung menschlicher Sprache. Weil sich die evolutionären Bedingungen von damals nicht nachstellen lassen, liefern Hunde wertvolle Hinweise: Wie sich Zusammenarbeit, Empathie und gemeinsames Handeln entwickelt haben – lange bevor Sprache existierte.

Am Ende bleibt also kein enttäuschendes „Nein“, sondern ein überraschendes „Doch“: Hunde sprechen zwar nicht in Worten, aber sie kommunizieren auf eine Weise, die uns viel über uns selbst verrät – über Verständnis, Nähe und die Fähigkeit, ohne Sprache zu verstehen.

Kurz zusammengefasst:

  • Hunde können Laute formen und menschliche Emotionen verstehen, besitzen aber weder die Anatomie noch das Gehirn für echte Sprache.
  • Ihre Kommunikation über Blicke, Gesten und Tonfall gilt als Modell, um die Entwicklung menschlicher Sprache besser zu verstehen.
  • Forscher sehen im Verhalten der Hunde einen Hinweis darauf, wie Empathie und Zusammenarbeit schon vor der Sprache entstanden sind.

Übrigens: Eine einzige genetische Veränderung könnte der Schlüssel zur Sprache gewesen sein. Forscher haben entdeckt, dass ein bestimmtes Gen bei modernen Menschen anders arbeitet – und vielleicht genau das den entscheidenden Unterschied machte. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Midjourney

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert