Geist der Berge in Gefahr – seine perfekte Anpassung wird dem Schneeleoparden zum Verhängnis

Er ist perfekt an die Kälte angepasst – doch seine genetische Armut macht ihn verletzlich. Der Klimawandel gefährdet den Schneeleoparden.

Weltweit gibt es schätzungsweise nur 4.500 bis 7.500 Schneeleoparden – und die sind sich ähnlicher, als es ihrer Population guttut. © Unsplash

Weltweit gibt es schätzungsweise nur 4.500 bis 7.500 Schneeleoparden – und die sind sich genetisch ähnlicher, als es ihrer Population guttut. © Unsplash

Er gilt als „Geist der Berge“ – lautlos, selten gesehen, perfekt angepasst an Kälte und Höhe. Doch genau diese Anpassung könnte dem Schneeleoparden nun zum Verhängnis werden. Eine aktuelle Stanford-Studie zeigt, dass die Großkatze extrem wenig genetische Vielfalt besitzt. Damit wächst das Risiko, dass der Schneeleopard im Zuge des Klimawandels ausstirbt.

Die neuen genetischen Analysen liefern erstmals ein umfassendes Bild des Tieres, das als Symbol für die unberührten Hochgebirge Asiens gilt. Ihr Ergebnis ist ernüchternd: Schneeleoparden sind genetisch fast identisch. Diese Gleichförmigkeit macht sie anfällig für Veränderungen in ihrem Lebensraum – und damit verwundbarer, als ihr Ruf vermuten lässt.

Forscher entschlüsseln erstmals das Erbgut des Schneeleoparden

Ein internationales Forschungsteam hat das Erbgut von 41 Schneeleoparden untersucht, 37 davon wurden erstmals vollständig entschlüsselt. Noch nie zuvor lagen so viele Daten über die genetische Zusammensetzung der Tiere vor. Ziel der Analyse war, die evolutionäre Geschichte dieser seltenen Großkatze zu verstehen und ihre Anpassungsfähigkeit zu bewerten.

Das Ergebnis: Unter allen Großkatzen besitzen Schneeleoparden die geringste genetische Vielfalt – sogar weniger als Geparde, die lange als Paradebeispiel für genetische Verarmung galten.

Kleine Population, großer Nachteil

Die genetische Einheitlichkeit ist keine Folge aktueller Einflüsse, sondern das Ergebnis einer langen Geschichte. Die Tiere lebten über Jahrtausende hinweg in kleinen, stabilen Gruppen, weit verstreut über die Gebirge Zentralasiens. Ihre Lebensräume sind rau und schwer zugänglich, was den Austausch zwischen den Populationen stark einschränkte.

Diese Isolation führte dazu, dass die Art keine genetischen Reserven aufbauen konnte. Für stabile Umweltbedingungen war das kein Problem – für eine sich wandelnde Welt wird dies jedoch zum Risiko. Studienleiter Dmitri Petrov von der Stanford University fasst es so zusammen:

Das Gebirge hat die Schneeleoparden lange vor menschlichem Einfluss geschützt, aber der Klimawandel wird sie treffen.

Wenn der Lebensraum schwindet

Schneeleoparden bewohnen Höhen zwischen 3.000 und 6.000 Metern. Sie brauchen weite Reviere, ausreichend Beutetiere und kühle Temperaturen. Steigen die Durchschnittswerte um nur wenige Grad, verändern sich Vegetation und Tierwelt in den Gebirgen. Blauschafe und Steinböcke, die Hauptnahrung der Raubkatzen, ziehen in neue Regionen – dorthin, wo es noch kälter ist.

Doch oberhalb der Schneegrenze endet der Lebensraum. Die Tiere können nicht unbegrenzt höher wandern, und in tieferen Lagen geraten sie in Konflikt mit Menschen. Viehherden werden zur Beute, die Vergeltung folgt oft schnell. Was wie ein Randproblem wirkt, kann den Bestand ganzer Populationen gefährden.

Natürliche Grenzen trennen die Populationen

Die genetische Untersuchung zeigt, dass sich zwei Hauptgruppen gebildet haben – eine nördlich der Dsungarischen Senke, die andere südlich der Taklamakan-Wüste. Diese geographischen Barrieren verhindern den Austausch zwischen den Populationen und verringern die genetische Vielfalt weiter.

Trotzdem fanden die Forscher keine Hinweise auf massive Inzucht. Schädliche Mutationen scheinen über die Jahrtausende weitgehend „ausgesiebt“ worden zu sein. Das erklärt, warum die Tiere trotz geringer Vielfalt gesund wirken. Ihr Problem liegt weniger in der Gegenwart als in der Zukunft – wenn sich Umweltbedingungen schneller ändern, als sich Gene anpassen können.

Klimawandel als schleichende Bedrohung

Die Hochgebirge Asiens gehören zu den Regionen, die sich am stärksten erwärmen. Prognosen zufolge könnten die Temperaturen dort bis Mitte des Jahrhunderts um mehr als zwei Grad Celsius steigen. Für den Schneeleoparden bedeutet das, dass Schneegrenzen und Beutetiere sich verschieben – und damit das Fundament seines Lebensraums.

„Wenn ihr Lebensraum verfällt, könnten Schneeleoparden recht leicht aussterben“, warnt Petrov. Der Rückzug in höhere Lagen ist begrenzt, und die Konkurrenz mit anderen Arten wächst. Die Tiere, die einst von der Unzugänglichkeit ihrer Heimat profitierten, geraten nun durch ihre Spezialisierung in Bedrängnis.

Genanalysen sollen den Schneeleoparden retten

Um die verbleibenden Populationen besser zu überwachen, entwickelten die Forscher ein Verfahren, das genetische Informationen aus Kotproben gewinnt. So lässt sich feststellen, wie gesund die Bestände sind und wie sie sich über Grenzen hinweg bewegen – ohne die scheuen Tiere fangen zu müssen.

Mit diesen Daten können Schutzprogramme gezielter geplant werden. Der Schneeleopard gilt als Schlüsselart: Wo er lebt, bleibt auch das ökologische Gleichgewicht erhalten. Sein Rückgang würde sich auf viele andere Tierarten auswirken – bis hin zu den Bergregionen, die Millionen Menschen mit Wasser versorgen.

Kurz zusammengefasst:

  • Schneeleoparden besitzen die geringste genetische Vielfalt aller Großkatzen, weil sie seit Jahrtausenden in kleinen, getrennten Gruppen leben.
  • Dadurch fehlt ihnen die genetische Reserve, um sich an Veränderungen wie steigende Temperaturen oder den Verlust ihres Lebensraums anzupassen.
  • Steigende Temperaturen und schwindende Beutetiere bedrohen daher nicht nur den Schneeleoparden selbst, sondern auch die empfindlichen Ökosysteme der Hochgebirge Asiens.

Übrigens: Geografische Isolation sorgt nicht nur bei Tieren für einen Mangel an genetischer Vielfalt. So fanden Forscher die Auswirkungen von 13.900 Jahren Isolation auch im Erbgut von Menschen – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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