Wenn Fett ins Gehirn funkt – Gestörte Signale bei Übergewicht könnten Alzheimer heimlich begünstigen

Bei Übergewicht senden Fettzellen Botenstoffe, die bis ins Gehirn gelangen – und dort Prozesse anstoßen, die Alzheimer fördern können.

Wenn Fett ins Gehirn funkt – und Alzheimer-Prozesse auslöst

Für Millionen Übergewichtige ist die Entdeckung brisant: Fett schickt geheime Signale ins Gehirn – und könnte so Alzheimer mit anfeuern. © Unsplash

Übergewicht galt lange als Risiko für Herzkrankheiten und Diabetes. Jetzt zeigt sich, dass Fett auch das Gehirn beeinflussen kann. Forscher der Houston Methodist University haben entdeckt, dass Fettgewebe winzige Transportstoffe freisetzt, die bis ins Gehirn gelangen. Diese Teilchen können dort Prozesse in Gang setzen, die Alzheimer begünstigen.

Sie beschleunigen die Bildung von Amyloid-Plaques, den typischen Eiweißablagerungen, die mit Alzheimer in Verbindung stehen, und überwinden sogar die Blut-Hirn-Schranke. Dadurch werden sie zu gefährlichen Mittlern zwischen Körperfett und Gehirn.

Wie Fett Signale aussendet, die Alzheimer im Gehirn anstoßen

Im Mittelpunkt der neuen Studie stehen sogenannte extrazelluläre Vesikel – winzige Bläschen, die Fettzellen ständig freisetzen. Sie sind kaum größer als Viren und transportieren Fette, Eiweiße und Erbsubstanz im Körper. „Fettbläschen aus dem Körperfett können offenbar ins Gehirn wandern und dort den Fettstoffwechsel stören – das trägt zur Alzheimer-Entstehung bei“, erklärt Studienleiter Stephen Wong.

Die Forscher untersuchten Fettgewebe aus Unterhaut und Bauchraum von jeweils schlanken und fettleibigen Erwachsenen. Aus den Proben gewannen sie Zellkulturen und isolierten diese mikroskopisch kleinen Fettbläschen. Dabei zeigte sich: Die Zusammensetzung der Fette in diesen Bläschen unterscheidet sich bei fettleibigen Menschen deutlich von schlanken. Genau diese Unterschiede beeinflussen, wie leicht sich krankhafte Eiweißstrukturen – sogenannte Amyloid-Plaques – im Gehirn bilden.

Bestimmte Fette beschleunigen Alzheimer-Prozesse

Besonders auffällig waren zwei Fettgruppen: Lysophosphatidylcholin (LPC) und Sphingomyelin (SM). Beide kommen im Blut und im Gehirn in messbaren Mengen vor. LPC-Werte bewegen sich meist zwischen 40 und 150 Mikromol pro Liter, SM-Konzentrationen zwischen 60 und 190 Mikromol pro Liter – im Gehirn sogar bis zu 1 300 Mikromol.

„Fette wie Lysophosphatidylcholin und Sphingomyelin aus den Fettbläschen verstärken die krankhafte Eiweiß-Aggregation im Reagenzglas“, so Wong. Das bedeutet: Sie fördern die Bildung der Eiweißklumpen, die als Kennzeichen von Alzheimer gelten. Diese Plaques blockieren im Gehirn die Kommunikation zwischen Nervenzellen und tragen so zum geistigen Abbau bei.

Wie stark Fette das Gehirn beeinflussen

Im Labor zeigte sich ein eindeutiges Muster: Je nach Konzentration können die Fette die Bildung von Amyloid-Plaques entweder fördern oder abschwächen. „Viele Fettstoffe zeigen einen biphasischen Effekt: Sie fördern die Alzheimer-typische Eiweiß-Verklumpung bei bestimmten Konzentrationen besonders stark und bei sehr niedrigen oder sehr hohen Werten weniger“, erklären die Wissenschaftler.

Das betrifft vor allem die Fettsäuren Palmitinsäure und Ölsäure, die in unterschiedlicher Menge im Blut zirkulieren. Bei Palmitinsäure – einer gesättigten Fettsäure – lagen die Werte im Bereich von 2 400 Mikromol pro Liter; bei Ölsäure – einer ungesättigten Fettsäure – schwankten sie stark, zwischen 11 und 2 000 Mikromol. Im Gehirn finden sich ebenfalls Reste dieser Fette. Unter hohen Konzentrationen im Labor beschleunigten beide die Bildung von Amyloid-Fasern – ein Prozess, der im Körper über Jahre hinweg abläuft.

Fettzellen als Schaltstelle zwischen Körper und Gehirn

Die Studie legt nahe, dass Fettgewebe und Gehirn enger vernetzt sind, als bislang gedacht. „Fettbläschen dienen offenbar als wesentliche Verbindungsstücke zwischen gestörter Fettverarbeitung im Körper und Alzheimer im Gehirn“, heißt es in der Arbeit. Die winzigen Vesikel überqueren die Blut-Hirn-Schranke – ein natürlicher Schutzwall des Gehirns – und bringen dort Lipide in Umlauf, die den Stoffwechsel der Nervenzellen verändern können.

Forscher sehen darin einen möglichen Mechanismus, der erklärt, warum Übergewicht das Risiko für Alzheimer erhöht. Adipositas beeinflusst den Fettstoffwechsel im gesamten Körper, verändert die Zusammensetzung der Lipide – und diese Veränderungen gelangen über die Vesikel bis ins Gehirn.

Studie klärt das „Wie“ – nicht das „Ob“

Noch handelt es sich um Grundlagenforschung. Die Experimente liefen im Labor und an Tiermodellen, nicht mit Alzheimer-Patienten. Das Team will nun prüfen, ob die beobachteten Mechanismen auch beim Menschen aktiv sind – und ob sich Fettbläschen im Blut als Früherkennungsmarker nutzen lassen.

Fest steht: Fettleibigkeit ist einer der wichtigsten beeinflussbaren Risikofaktoren für Alzheimer. Die neue Studie zeigt erstmals, wie diese Verbindung biologisch funktioniert. Wer seine Blutfettwerte gesund hält, könnte damit also auch seinem Gehirn etwas Gutes tun.

Kurz zusammengefasst:

  • Fettzellen setzen winzige Vesikel frei, die über das Blut bis ins Gehirn gelangen und dort die Bildung von Alzheimer-Plaques fördern können.
  • Besonders veränderte Fettarten wie Lysophosphatidylcholin und Sphingomyelin beschleunigen diesen Prozess bei Menschen mit Übergewicht.
  • Ein gesunder Fettstoffwechsel – durch ausgewogene Ernährung, Bewegung und stabile Blutfettwerte – kann helfen, das Alzheimer-Risiko zu senken.

Übrigens: Forscher können Alzheimer-Plaques jetzt im lebenden Gehirn sichtbar machen – erstmals in Echtzeit und über längere Zeiträume hinweg. Was das für künftige Therapien bedeutet, mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert