Superbakterien breiten sich in US-Krankenhäusern aus – Ärzte warnen vor tödlicher Gefahr
Immer mehr Klinikpatienten infizieren sich mit resistenten Keimen. Eine Analyse zeigt: NDM-Superbakterien nehmen drastisch zu.

Krankenhauspersonal desinfiziert Geräte in einem Isolationszimmer – strikte Hygiene gilt als wichtigste Waffe gegen die Ausbreitung von NDM-Superbakterien. © DALL-E
Im Klinikalltag gibt es viele Gefahren, doch Krankenhauskeime gehören zu den größten. In deutschen Krankenhäusern erkranken jedes Jahr 500.000 bis 600.000 Patienten an den Superbakterien, 10.000 bis 20.000 sterben. Besonders häufig sind Lungenentzündungen, Sepsis, Harnwegs- und Wundinfektionen – oft ausgelöst durch multiresistente Erreger wie MRSA oder ESBL-bildende Bakterien. Auch deshalb schauen Experten genau auf neue Daten aus dem Ausland.
Denn die Zahlen aus den USA lassen erahnen, was droht: Allein zwischen 2019 und 2023 schnellten die Fälle mit NDM-bildenden Enterobacterales um mehr als 460 Prozent in die Höhe. Schon 2020 meldeten Gesundheitsbehörden rund 12.700 Infektionen und über 1.100 Todesfälle. Hinter dem Kürzel NDM verbirgt sich ein Enzym, das Bakterien praktisch unangreifbar für eine ganze Klasse von Medikamenten macht.
Warum NDM-Superbakterien so gefährlich sind
NDM steht für „New Delhi Metallo-Beta-Laktamase“. Dieses Enzym zerstört Beta-Laktam-Antibiotika, darunter Carbapeneme – Medikamente, die eigentlich als letzte Reserve gegen gefährliche Infektionen dienen. Wenn ein Erreger NDM bildet, bleibt Ärzten oft nur eine Handvoll Alternativen.
„Dieser starke Anstieg bei NDM-CRE bedeutet, dass wir einer wachsenden Bedrohung gegenüberstehen, die unsere Möglichkeiten zur Behandlung der schwersten bakteriellen Infektionen einschränkt“, sagt Danielle Rankin. Sie arbeitet beim CDC, der US-Seuchenschutzbehörde (vergleichbar mit dem Robert Koch-Institut) und untersucht das Problem mit ihrem Forschungsteam.
Krankenhauskeime verbreiten sich besonders schnell
Das Risiko dieser Erreger endet nicht bei einem Patienten. Viele NDM-Bakterien tragen ihre Resistenzgene auf sogenannten Plasmiden – kleinen DNA-Ringen, die sie an andere Bakterien weitergeben. Auf diese Weise springen die Gene von Art zu Art, von Station zu Station, von Klinik zu Klinik.
Problematisch ist zudem, dass nicht jedes Krankenhauslabor die genaue Ursache der Resistenz nachweisen kann. Ohne diesen Befund bleibt unklar, ob tatsächlich NDM im Spiel ist. Das verzögert die richtige Therapie – und in der Zwischenzeit kann sich der Erreger weiter ausbreiten.
Früherkennung ist entscheidend
Sobald ein Labor einen auffälligen Keim findet, müssen Ärzte wissen, wie er seine Resistenz aufbaut. Dafür gibt es spezielle Tests, die die enzymatische Aktivität prüfen oder direkt nach dem NDM-Gen suchen. Wo diese Verfahren fehlen, übernehmen zentrale öffentliche Labore die Analyse.
„Die Wahl der richtigen Behandlung war noch nie so kompliziert wie heute“, so Rankin. Nur wenn Ärzte das genaue Resistenzmuster kennen, können sie den Patienten gezielt behandeln und sofort isolieren, um andere zu schützen.
Welche Medikamente noch wirken
Die Auswahl an wirksamen Mitteln ist klein. Kaum ein Standardantibiotikum hilft noch gegen NDM-Erreger. Als Optionen gelten derzeit vor allem:
- Cefiderocol, ein modernes Präparat, das intravenös gegeben wird
- Aztreonam kombiniert mit Ceftazidim-Avibactam, eine Therapie, die nur funktioniert, wenn beide Mittel exakt aufeinander abgestimmt sind
Diese Behandlungen sind aufwendig, erfordern Spezialwissen und eine engmaschige Kontrolle. Fehler können dazu führen, dass die Medikamente ihre Wirkung verlieren.
Kliniken setzen auf strikte Hygieneregeln
Trotz neuer Medikamente bleibt Hygiene die wichtigste Waffe gegen Krankenhauskeime. Kliniken müssen konsequent handeln:
- strenge Händedesinfektion für Personal und Besucher
- eigene Geräte und Materialien für betroffene Patienten
- gründliche Reinigung aller Oberflächen und Räume
In Akutkrankenhäusern gelten strikte Kontaktmaßnahmen mit Schutzkleidung, in Pflegeheimen kommen erweiterte Barriere-Maßnahmen hinzu. Ebenso wichtig ist die Information bei Verlegungen: Nur wenn die nächste Einrichtung von einer Infektion weiß, kann sie sofort reagieren.
Antibiotika bewusster einsetzen
Ein weiterer Schlüssel liegt im Umgang mit Antibiotika. Jede unnötige Verschreibung treibt Resistenzen voran. Deshalb setzen viele Kliniken inzwischen auf Antibiotika-Stewardship-Programme. Sie kontrollieren Verschreibungen und helfen, die Medikamente gezielt einzusetzen.
Fachleute rechnen damit, dass Kliniken künftig breiter screenen müssen, um Infektionen schneller zu erkennen. Öffentliche Labore sollen sie stärker unterstützen und Daten regional bündeln. Noch beschränkt sich NDM vor allem auf Krankenhäuser. Sollte der Erreger jedoch auch in der Allgemeinbevölkerung Fuß fassen, stünde das Gesundheitssystem vor einer noch größeren Herausforderung.
Kurz zusammengefasst:
- NDM-Superbakterien breiten sich in Krankenhäusern stark aus, die Fallzahlen stiegen zwischen 2019 und 2023 um mehr als 460 Prozent.
- Sie machen viele Antibiotika wirkungslos und verursachen schwere Infektionen wie Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen mit hoher Sterblichkeit.
- Schutz bieten vor allem konsequente Hygienemaßnahmen, gezielte Tests in Laboren und ein sehr bewusster Einsatz von Antibiotika.
Übrigens: Selbst gefährliche Krankenhauskeime wie Staphylococcus aureus lassen sich mit einer neuen Lichttechnik aus der Schweiz fast vollständig ausschalten. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © DALL-E