Von Fremden zu Nachbarn: Wie slawische Sprachen Deutsche definieren
Die Bezeichnung für Deutsche in slawischen Sprachen stammt aus „němьcь“, was „fremd“ oder „stumm“ bedeutet und geht auf mittelalterliche Ursprünge zurück.
Wer kennt ihn nicht, Miroslav Nemec, den beliebten Darsteller des Münchner „Tatort“-Kommissars Ivo Batic? Weniger bekannt ist vielleicht die Bedeutung seines Nachnamens: Im Kroatischen und Slowenischen bedeutet „Nemec“ (Nijemac) „Deutscher“. Warum heißt Deutschland auf Polnisch „Niemcy“ und welchen historischen Hintergrund hat es? Welchen Begriff nutzen slawische Sprachen für Deutsche? Diese Fragen beschäftigten auch einen Quora-Nutzer, der zufälligerweise auch Miroslav heißt.
Historische Ursprünge der Bezeichnung
Der gemeinsame Ursprung des Wortes für „Deutsche“ in slawischen Sprachen geht auf den Wortstamm „němьcь“ zurück, was ursprünglich „fremd“ oder „stumm“ bedeutete. Dieses Wort entwickelte sich aus der Notwendigkeit heraus, Personen zu beschreiben, mit denen keine verbale Kommunikation möglich war – sie waren im übertragenen Sinne „stumm“ in der Sprache der Slawen. Im Mittelalter, als slawische und germanische Stämme aufeinandertrafen, konnte man sich gegenseitig nicht verstehen. Die Slawen nannten die Germanen daher „němьcy“, also sinngemäß diejenigen, „die nicht unsere Sprache sprechen“ oder „die nicht sprechen“ oder die, die nicht wir sind – etwa ne my Polnisch oder ne mi, Kroatisch/Bosnisch.
In den slawischen Sprachen leitet sich „slawisch“ von „Slovo“ ab, das “ Wort“ oder „Buchstabe“ bedeutet und impliziert, dass sie sprechend sind, im Unterschied zu „Nemec“ für Deutsche, was wie beschrieben „stumm“ bedeutet.
Verbreitung und Bedeutung des Begriffs
Diese Bezeichnung hat sich in allen slawischen Sprachen durchgesetzt und zeigt die kulturelle und sprachliche Einheit dieser Sprachgruppen. So wird das Wort „niemy“ in Polen und Tschechien verwendet, was „stummer Mensch“ bedeutet, und ähnliche Varianten gibt es in Russisch, Kroatisch, Bosnisch und Serbisch. In diesen Sprachen bezeichnet das Wort nicht nur die sprachliche Stummheit, sondern es wurde auch zu einem festen Begriff für die Bezeichnung der deutschen Nation und ihrer Bürger. In Russland heißt Deutschland abweichend Германия (Germanija), jedoch Deutsche werden Немцы (Nemci) und nicht Германцы (Germanci) genannt.
Slawische Sprachfamilie
Die slawischen Sprachen unterteilen sich in drei Hauptgruppen: Ost-, West- und Südslawische Sprachen. Zu den Ostslawischen gehören Russisch, Ukrainisch und Weißrussisch. Die Westslawischen Sprachen umfassen Polnisch, Tschechisch und Slowakisch, während die Südslawischen Sprachen Kroatisch, Serbisch, Slowenisch, Mazedonisch, Bulgarisch und weitere umfassen. Heute sprechen etwa 300 Millionen Menschen eine der slawischen Sprachen. Die meisten (ca. 150 Millionen) sprechen Russisch.
Der Schauspieler Miroslav Nemec, der „kroatische Lausbub“ – wie er sich 2011 in seiner Selbstbetrachtung “Miroslav – Jugoslav“ nannte, verkörpert in seinem Namen also eine interessante Ironie.
Was du dir merken solltest:
- Slawische Sprachen bezeichnen „Deutsche“ mit einem Wort, das sich von“němьcь“ für „fremd“ oder „stumm“ ableitet. Das verweist auf mittelalterliche Ursprünge, als slawische und germanische Stämme kommunikative Barrieren erlebten.
- Diese historische Bezeichnung hat sich in den slawischen Sprachen etabliert und wird heute kulturübergreifend verwendet, um die Deutschen zu benennen.
- Miroslav Nemec, ein prominenter Schauspieler mit kroatischen Wurzeln, dessen Nachname „Deutscher“ bedeutet, symbolisiert die Verbindung und ironische Wendung der sprachlichen Bezeichnungen.
Übrigens: Ein weiteres Beispiel, wie uns Sprache nicht nur verbinden, sondern auch trennen kann, wurde anhand des Wortes für „Pinguin“ erforscht. Mehr dazu findest du in unserem Artikel.
Bild: © Vecteezy
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