Vogelgrippe erreicht Antarktis – Enge Kolonien werden zum Risiko
Forscher finden 52 tote Vögel in der Antarktis und warnen vor Gefahren für Kolonien und Ökosystem.

Eine der Raubmöwen (Skua), die das Jenaer Team während seiner Expedition tot aufgefunden hat. © Katharina Engl
Die Antarktis gilt als letzter unberührter Kontinent der Erde – doch selbst vor diesem Gebiet macht die Vogelgrippe nicht halt. Ein Forschungsteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena entdeckte in dieser Saison zahlreiche tote Tiere, vor allem Raubmöwen. Für die Wissenschaftler ist klar: Das Virus H5N1 bedroht nicht nur das Überleben einzelner Arten, sondern auch das empfindliche Gleichgewicht des gesamten Ökosystems.
Tote Tiere häufen sich
Während früher nur vereinzelt tote Vögel gefunden wurden, zählten die Forscher in diesem Jahr 52 Kadaver. Betroffen waren vor allem Skuas, eine Raubmöwenart. Dieser sprunghafte Anstieg ist alarmierend. Die Vögel brüten dicht gedrängt, was die Ausbreitung des Virus beschleunigt.
Markus Bernhardt-Römermann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena warnte: „Das Gebiet, das wir beobachten, ist sehr klein und vogelreich. Außerdem brüten die antarktischen Vögel typischerweise in Kolonien. Deshalb ist die Ansteckungsgefahr sehr groß. Ist die Mortalitätsrate sehr hoch in einer Population, kann es sein, dass sie komplett zusammenbricht.“
Jenaer Langzeitprojekt liefert einzigartige Daten aus der Antarktis
Seit 1979 beobachten deutsche Biologen systematisch die Bestände von Pinguinen, Möwen und Sturmvögeln in einem Gebiet von 35 Quadratkilometern. Seit 1983 leitet die Arbeitsgruppe Polar- und Ornitho-Ökologie der Universität Jena dieses Projekt. Es zählt zu den weltweit längsten Studien in der Antarktis.

Christina Braun, die bereits 15 Mal in die Antarktis gereist ist, koordiniert die Arbeit. Gemeinsam mit Studierenden führte sie zu Jahresbeginn 2025 ein Monitoring auf der uruguayischen Forschungsstation „Base Científica Antárctica Artigas“ durch. Dabei wurden nicht nur Vögel gezählt, sondern auch Müll gesammelt. Pro Meter Küstenlinie fanden die Forscher im Schnitt ein Stück Abfall – von Fischereiresten bis hin zu verbranntem Plastik.
Virus befällt auch Säugetiere
H5N1 beschränkt sich nicht nur auf Vögel. An den Küsten von Chile, Peru und Argentinien starben 2023 tausende Robben, Seelöwen und Seeelefanten. Für die Forscher in der Antarktis bedeutet das besondere Vorsicht.
„Einzelne Infektionen bei Menschen nach direktem Kontakt mit infizierten Vögeln sind ebenfalls dokumentiert. Die Wissenschaftler müssen also sehr vorsichtig sein und sich selbst schützen“, so Braun.
Zugvögel tragen den Erreger über große Entfernungen weiter. Neue Ausbrüche können daher jederzeit auftreten.
Klimawandel verschärft die Lage
Der Klimawandel setzt den Vogelarten zusätzlich zu. Die Zusammensetzung der Kolonien verändert sich spürbar. „Die Artenzusammensetzung verschiebt sich rasant“, berichten die Forscher.
Beispiele aus dem Monitoring:
- Kapsturmvögel, früher zu Hunderten im Gebiet, sind komplett verschwunden.
- Adélie- und Zügelpinguine verzeichnen deutliche Rückgänge.
- Riesensturmvögel und Eselspinguine profitieren, weil sie wärmere Regionen bevorzugen.
Die Kombination aus steigenden Temperaturen und Infektionskrankheiten bringt ein doppeltes Risiko. Populationen, die ohnehin schrumpfen, verlieren ihre Widerstandskraft gegen neue Bedrohungen.
Globale Tragweite: Vogelgrippe bedroht das ökologische Gleichgewicht der Antarktis
Dass das Virus H5N1 nun auch den entlegensten Kontinent erreicht hat, verdeutlicht die globale Dimension. Nur etwa zwei Prozent der Landfläche der Antarktis sind eisfrei. Dort drängen sich die Brutkolonien auf engstem Raum. Das Risiko für neue Ausbrüche ist entsprechend hoch.
Für das ökologische Gleichgewicht hat das Folgen: Wenn Schlüsselarten wie Pinguine oder Sturmvögel in großen Zahlen verschwinden, bricht eine zentrale Stütze im Nahrungsnetz weg. Robben, Fische und andere Tiere hängen indirekt von diesen Vogelarten ab.
Kurz zusammengefasst:
- Die Vogelgrippe hat nun auch die Antarktis erreicht und bedroht dort ganze Vogelkolonien sowie das ökologische Gleichgewicht.
- Die Friedrich-Schiller-Universität Jena dokumentiert seit Jahrzehnten die Bestände und warnt: In den dicht gedrängten Kolonien können ganze Populationen von Pinguinen oder Sturmvögeln zusammenbrechen.
- Klimawandel und Vogelgrippe wirken zusammen, Arten verschwinden oder verschieben ihr Brutgebiet, und die Gefahr betrifft auch Säugetiere sowie potenziell den Menschen.
Übrigens: Was als technologische Rettung für die Polarregionen klingt, entpuppt sich als riskantes Spiel mit Klima und Natur. Fünf Ideen für Geoengineering in Arktis und Antarktis gelten laut Experten als teuer, wirkungslos und gefährlich – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Christina Braun/Uni Jena