Amazonas-Wälder schützen Millionen Menschen vor Krankheiten – Neue Studie zeigt dramatische Folgen von Bränden
Indigene Wälder sind entscheidend für die Gesundheit: Sie senken Atemwegs- und Infektionskrankheiten und schützen Millionen Menschen.

Indigene Gemeinschaften schützen die Wälder – und damit auch die Gesundheit unzähliger Menschen im Amazonas und weit darüber hinaus. © Wikimedia
Wenn der Regenwald brennt, füllt sich die Luft mit Rauch, der noch hunderte Kilometer weiter ganze Städte lahmlegt. Krankenhäuser müssen mehr Menschen mit Asthma, Herzbeschwerden oder Lungenproblemen aufnehmen. Was für die Bewohner des Amazonas schon Alltag ist, betrifft indirekt auch andere Teile der Welt: Waldverluste schwächen das Klima, begünstigen Infektionskrankheiten und treiben die Kosten für Gesundheitssysteme in die Höhe.
Eine neue Studie liefert nun konkrete Zahlen. Sie zeigt, dass Gebiete, die von indigenen Gemeinschaften geschützt und verwaltet werden, nicht nur die Natur bewahren. Sie können auch die Gesundheit von Millionen Menschen sichern.
28 Millionen Krankheitsfälle in weniger als 20 Jahren
Zwischen 2001 und 2019 erfassten Forscher in acht Amazonas-Staaten fast 28,5 Millionen Krankheitsfälle, die auf Brände oder den engeren Kontakt mit Tieren und Insekten zurückgehen.
- Brandbedingte Erkrankungen: rund 22,8 Millionen Fälle, vor allem Atemwegsprobleme, aber auch Herz-Kreislauf-Leiden.
- Infektionen durch Vektoren oder Tiere: etwa 5,6 Millionen Fälle – hier dominiert Malaria mit über 92 Prozent.
Die Daten zeigen auch zeitliche Spitzen: Atemwegserkrankungen waren 2004 besonders hoch, Malaria-Fälle stiegen in den Jahren 2005, 2008 und 2017 deutlich an. Krankheiten wie Chagas oder Hantavirus gingen zwar zurück, sind aber weiterhin ein Risiko.
Feuer zerstören Wald und belasten die Luft
Allein in diesen zwei Jahrzehnten verbrannten im Amazonas mehr als 532.000 Quadratkilometer Wald – eine Fläche größer als Spanien. Brasilien verzeichnete dabei den größten Verlust mit rund 372.000 Quadratkilometern, gefolgt von Bolivien und Kolumbien.
Bei jedem Brand entstehen große Mengen Feinstaub. Tropische Feuer setzen 9,1 Gramm PM2,5 pro Kilogramm Biomasse frei. Diese winzigen Partikel dringen tief in die Lunge ein und belasten Herz und Kreislauf. Im brasilianischen Amazonas ließen sich pro zusätzlichem Kilogramm PM2,5 mehr als 24 neue Krankheitsfälle nachweisen. Zwischen 2002 und 2011 starben dort jedes Jahr im Schnitt 2.906 Menschen vorzeitig an den Folgen von Brandrauch.
„Diese Feuer füllen die Luft mit dichtem, erstickendem Rauch und schicken Scharen von Menschen wegen Atemwegsproblemen ins Krankenhaus“, sagt die Wissenschaftlerin Ana Filipa Palmeirim von der Universität Pará. Besonders Kinder und ältere Menschen seien in dieser Zeit stark gefährdet.

Indigene Gebiete mindern die Risiken
Die Studie beinhaltet aber auch eine positive Nachricht: Indigene Territorien wirken wie ein Puffer. Dort, wo sie groß genug und rechtlich anerkannt sind, sinkt das Risiko für Krankheiten spürbar.
- Ab einem Waldanteil von mehr als 45 Prozent können sie die Folgen von Feinstaub mindern und Atemwegs- sowie Herzprobleme verringern.
- Bei Infektionskrankheiten wie Malaria oder Leishmaniose senken größere, zusammenhängende Waldflächen das Risiko, dass Überträger wie Mücken ideale Bedingungen finden.
Die Forscher nennen dabei einen Schwellenwert: Ab etwa 40 Prozent Waldanteil greifen diese Schutzwirkungen deutlich besser. Entscheidend ist auch, dass der Wald nicht zu stark fragmentiert ist. Je mehr Waldränder entstehen, desto größer wird die Gefahr für Infektionen.
Indigene Wälder sichern unsere Gesundheit – wenn Rechte anerkannt sind
Besonders wichtig ist der Rechtsstatus dieser Gebiete. Anerkannte Territorien schützen messbar besser vor den gesundheitlichen Folgen von Bränden und Infektionen. Wo indigene Rechte nicht gesichert sind, steigt das Risiko.
„Indigene Wälder im Amazonas bringen Millionen Menschen gesundheitliche Vorteile“, sagt Paula Prist von der Internationalen Naturschutzunion. Und weiter: „Die Rechte indigener Gemeinschaften über ihre Gebiete zu sichern, ist der beste Weg, um Wälder und ihre Gesundheitsvorteile zu erhalten.“
Damit wird deutlich: Gesundheit hängt nicht nur von Medizin und Kliniken ab, sondern auch davon, wer über den Wald verfügt und ihn bewahren kann.
Rauch wirkt weit über den Amazonas hinaus
Die Folgen der Brände machen nicht an den Grenzen eines Landes halt. Feinstaubpartikel können sich bis zu 500 Kilometer vom Brandherd ausbreiten. So erreicht Rauch oft auch Städte, die weit entfernt vom Feuer liegen. In Peru und Suriname registrierten die Forscher Belastungen, die ihren Ursprung in Brasilien hatten.
Gerade in der Trockenzeit werden ganze Regionen für Tage oder Wochen unbewohnbar. Schulen müssen schließen, das öffentliche Leben kommt zum Erliegen. Für viele Familien bedeutet das: monatelang im Ausnahmezustand leben.
Der Amazonas speichert rund 100 Milliarden Tonnen Kohlenstoff – mehr als zehn Jahre weltweiter fossiler Emissionen. Doch in den letzten 20 Jahren gingen 30,7 Millionen Hektar Primärwald verloren. Mit jeder Rodung, mit jedem Brand steigt das Risiko für neue Krankheitsfälle.
Rauch aus Kanada fordert weltweit Todesopfer – Europa besonders betroffen
Doch der Blick auf den Amazonas ist nur ein Teil der Geschichte. Dass Rauch von Waldbränden nicht an Grenzen haltmacht, zeigte eindrücklich der Sommer 2023 in Kanada. Dort gingen über 15 Millionen Hektar Wald in Flammen auf – eine Fläche fast halb so groß wie Deutschland. Die unsichtbare Folge: Laut einer aktuellen Analyse starben weltweit 82.000 Menschen durch die Belastung, davon mehr als 22.000 in Europa. Der Rauch legte sich wie ein Schleier über ganze Regionen, rund 90 Prozent der europäischen Bevölkerung atmeten zeitweise verschmutzte Luft ein.
Besonders gefährlich sind die ultrafeinen Partikel, die tief in den Körper eindringen und Herz, Gefäße und Gehirn schädigen können. Allein in Kanada und den USA wurden 5.400 akute Todesfälle direkt auf die Belastung zurückgeführt, langfristige Folgen forderten sogar 82.100 Opfer.
Messungen zeigen zudem Rekordwerte: 647 Millionen Tonnen CO2 wurden ausgestoßen, fast fünfmal so viel wie im Durchschnitt. Für Experten ist klar: Rauch aus Waldbränden zählt inzwischen zu den größten globalen Gesundheitsgefahren – und mit fortschreitender Erwärmung wird die Zahl der Betroffenen weiter steigen.
Kurz zusammengefasst:
- Indigene Wälder im Amazonas senken nachweislich das Risiko für Atemwegs- und Herzkrankheiten durch Rauch sowie für Infektionen wie Malaria.
- Entscheidend sind große, zusammenhängende Waldflächen ab etwa 40 bis 45 Prozent – zerschnittene Wälder erhöhen dagegen die Krankheitsgefahr.
- Anerkannte indigene Territorien schützen deutlich besser, weil dort weniger Brände und Abholzung stattfinden und die Gesundheit der Bevölkerung gesichert wird.
Bild: © Lula Oficial via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0