Können Austern unser Klima retten? – Neue Studie zeigt, wie Muschelfarmen massenhaft CO2 schlucken

Austernfarmen liefern nicht nur Eiweiß, sie könnten auch das Klima entlasten. Sie binden mehr CO2 als gedacht und reinigen Küstengewässer.

Austern als Klimaretter? – Studie zeigt erstaunlichen CO2-Effekt

Austernfarmen vor der Küste Australiens: Die Muscheln sind nicht nur eine Nahrungsquelle, sondern wirken auch als unerwartete CO2-Speicher im Meer. © Wikimedia

Ein Drittel aller Treibhausgase stammt aus der Lebensmittelproduktion. Während Fleisch und Milchprodukte besonders klimaschädlich sind, gibt es einen eher unerwarteten Hoffnungsträger: Austern. Die Austernzucht kann CO2 aus der Atmosphäre binden – und damit weit mehr leisten als nur ein edles Gericht auf den Teller zu bringen.

Austern filtern Wasser, nehmen Nährstoffe auf und sorgen dafür, dass organischer Kohlenstoff im Meeresboden landet. Ein Experiment der Ocean University of China lief über 120 Tage und erfasste erstmals alle CO2-Flüsse in künstlich angelegten Meeresbecken.

Das Ergebnis überraschte selbst die Forscher: „Austern sorgen dafür, dass im Meer mehr als doppelt so viel Kohlenstoff gespeichert wird, wie ihre Schalen allein binden können.“ Der Klimanutzen entsteht also nicht vor allem durch die Kalkschalen, sondern durch Algenwachstum und Sedimente.

Austern und andere Muscheln binden Millionen Tonnen CO2 jedes Jahr

Die Größenordnung ist beachtlich: Weltweit wurden 2022 rund 18,7 Millionen Tonnen Muscheln und Austern gezüchtet, mehr als drei Viertel davon in China. Nach Berechnungen entspricht das einer Bindung von 4,09 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr – ein Teil in den Schalen, der größere Teil in Sedimenten.

Der Blick nach vorn zeigt, welches Potenzial hier steckt: Bis 2050 könnte die weltweite Produktion auf 80,5 Millionen Tonnen steigen. Theoretisch stehen mehr als 1,5 Millionen Quadratkilometer Meeresfläche für die Zucht zur Verfügung.

Warum die Dichte über den Klimaeffekt entscheidet

Nicht jede Austernfarm wirkt gleich stark als CO2-Senke. Entscheidend ist, wie dicht die Tiere gezüchtet werden. Im Experiment zeigten 1–2 Austern pro Quadratmeter die beste Wirkung: Sie regen das Algenwachstum an, das wiederum CO2 speichert. Bei höheren Dichten filtern die Tiere zu viel, Algen verschwinden und der Effekt schwächt sich ab.

Das Team beschreibt den Unterschied so: „Die insgesamt umgewandelte Kohlenstoffmenge lag etwa 2,39-mal über dem Schalen-Nettoertrag; wer nur Schalenkohlenstoff als Handelsmetrik nutzt, unterschätzt den Gesamteffekt.“

Satellitenbilder belegen den Effekt in Küstenfarmen

Auch in der Praxis lassen sich die Ergebnisse nachweisen. Satellitenaufnahmen von zwei der größten Austernfarmen an der chinesischen Küste zeigten deutlich geringere Chlorophyll-Werte im Inneren der Anlagen. Rundherum stiegen die Werte dagegen – ein Zeichen für verstärktes Algenwachstum.

Die Forscher halten fest: „Austernzucht stärkt nicht nur die weltweite Ernährungssicherheit, sondern wirkt zugleich als bedeutender Mechanismus zur marinen Kohlendioxidentfernung.“

Doppelter Nutzen: Nahrung und Klimaschutz

Austern und Muscheln liefern hochwertiges Eiweiß, ohne große Ackerflächen oder Süßwasser zu beanspruchen. Ihr CO2-Fußabdruck liegt bei nur 1,4 Kilogramm pro Kilogramm essbarer Masse – weniger als Weizen oder Mais. Damit bieten sie eine der klimafreundlichsten tierischen Proteinquellen.

Das macht die Tiere für die künftige Ernährungssicherheit ebenso interessant wie für die Klimapolitik. Experten schlagen vor, Austernfarmen in Programme für „Blue Carbon“ und in den Emissionshandel aufzunehmen.

Konkrete Stellschrauben für nachhaltige Zucht

Damit Austernfarmen ihren Klimaeffekt entfalten, kommt es auf die richtige Bewirtschaftung an. Besonders wichtig sind:

  • Besatzdichte steuern: Mittelwerte von 1–2 Austern pro Quadratmeter wirken am effektivsten.
  • Sedimente nutzen: Wo organisches Material sicher im Boden bleibt, verstärkt sich die CO2-Speicherung.

Forscher bewerten Nutzen der Austernzucht CO2 unterschiedlich

Längst nicht alle teilen den Optimismus. Fabrice Pernet von der Universität Brest hat mit seinem Team mehr als 50 Studien zur Austernzucht ausgewertet – und bleibt laut New Scientist skeptisch. Viele Analysen beruhen auf theoretischen Modellen, die davon ausgehen, dass die Bildung von Kalkschalen dauerhaft CO2 bindet. Laut Pernet stimmt das nur im Maßstab von Jahrtausenden. Auf die für den Klimawandel entscheidenden Jahrzehnte oder Jahrhunderte gerechnet entstehe bei der Schalenbildung sogar CO2. Hinzu komme, dass Abfallschalen häufig verbrannt werden und dadurch weiteres Kohlendioxid frei wird.

Doch Shuang-Lin Dong von der Ocean University of China verweist auf gegenteilige Befunde. „Die Bilanz zeigt, dass Kohlenstoffanreicherung und Speicherung die in Schalen gebundene Menge deutlich übersteigen“, sagt er laut New Scientist.

Kurz zusammengefasst:

  • Austern binden nicht nur CO2 in ihren Schalen, sondern vor allem durch Algenwachstum und Sedimente – 2,39-mal mehr als bisher angenommen.
  • Weltweit speichern gezüchtete Muscheln und Austern jährlich rund 4,09 Mio. Tonnen Kohlenstoff, bis 2050 könnte sich die Menge vervierfachen.
  • Der Klimanutzen hängt von der richtigen Besatzdichte in Austernfarmen ab, doch manche Experten bleiben skeptisch, ob die Zucht von Austern langfristig wirklich CO2 senkt.

Übrigens: Die Weltmeere nahmen 2023 fast eine Milliarde Tonnen CO2 weniger auf als erwartet – ein Warnsignal für den Klimaschutz. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Saoysters via Wikimedia unter CC BY 3.0

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