Lücken in Klimaberichten – KI enthüllt, wie Unternehmen ihre Emissionen verschweigen

KI zeigt: Klimaberichte enthalten oft Lücken – die LMU legt nun einen Goldstandard-Datensatz vor, der Treibhausgasemissionen zuverlässig vergleichbar macht.

KI enthüllt Lücken in Klimaberichten von Unternehmen

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: In der EU müssen große Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen dokumentieren. Die Angaben jedoch manuell aus umfangreichen Nachhaltigkeitsberichten zu ziehen, kostet viel Zeit und führt leicht zu Fehlern. © Pexels

Wenn große Unternehmen über ihre Klimabilanz berichten, klingt das oft nach Transparenz. Doch wer genauer hinschaut, entdeckt große Lücken. Mal fehlen Zahlen, mal sind sie kaum vergleichbar, mal widersprechen sie sich sogar. Für Politik, Forschung und Investoren wird es dadurch schwierig, den tatsächlichen CO2-Ausstoß einzuschätzen.

Ein neues Projekt der LMU hat diese Schwachstellen nun offengelegt. Mit KI und intensiver Nachprüfung durch Experten entstand ein Goldstandard-Datensatz, der erstmals zuverlässig zeigt, wie Unternehmen ihre Klimaberichte verfassen und welche Treibhausgasemissionen darin tatsächlich auftauchen – oder eben nicht. Für die Bewertung von Klimaschutzmaßnahmen ist das ein entscheidender Fortschritt.

Klimaberichte der Unternehmen liefern oft nur Bruchstücke

Laut OECD gibt es weltweit rund 44.000 börsennotierte Unternehmen. Etwa 9.600 davon veröffentlichten in den Jahren 2022 und 2023 Nachhaltigkeitsberichte. Doch die Zahlen, die sich darin finden, sind lückenhaft. Nur 6.308 Firmen legten Daten zu direkten Emissionen (Scope 1) und Energieverbrauch (Scope 2) vor. Gerade einmal 4.246 gaben zusätzlich Werte für die Emissionen entlang ihrer Lieferketten (Scope 3) an – dabei entstehen dort häufig die größten Belastungen.

Das Forschungsteam sichtete 139 Berichte von Unternehmen aus dem DAX und dem MSCI World Small Cap Index. Das Ergebnis: Rund die Hälfte enthielt gar keine nutzbaren Daten. In den übrigen Berichten fanden sich durchschnittlich 9,2 Werte pro Bericht, maximal 32. Besonders häufig wurden Scope-1-Emissionen genannt, also direkte Ausstöße aus Fabriken, Gebäuden oder Fahrzeugen.

KI filtert Daten, Experten prüfen nach

Um aus den Berichten eine belastbare Grundlage zu schaffen, kombinierten die Forscher maschinelle Auswertung mit menschlicher Kontrolle. Eine KI durchsuchte die Dokumente nach Emissionswerten für die Jahre 2013 bis 2022. Tabellen, Grafiken und Texte wurden systematisch erfasst.

Danach kamen sieben geschulte Prüfer ins Spiel. Jeder Bericht wurde mindestens von zwei Personen kontrolliert. Bei Einigkeit war der Datensatz sofort gültig. Bei Widerspruch entschieden Fachleute für nachhaltige Finanzen und Methodik. 56 Berichte landeten auf ihrem Tisch – und auch die besonders kniffligen Fälle ließen sich lösen. Am Ende entstand eine Sammlung mit 5.646 Datensätzen, die nun als Goldstandard gilt.

Experten warnen vor blinden Fehlern in Klimaberichten der Unternehmen

Das Verfahren zeigt, wie sich KI nutzen lässt, ohne sich blind auf ihre Ergebnisse zu verlassen. „Bei automatischen Extraktionsmethoden neigt man schnell dazu, den Ergebnissen eines LLMs voll und ganz zu vertrauen und dabei häufig auftretende Messfehler zu übersehen“, warnt Projektkoordinator Malte Schierholz.

Jacob Beck, der die Datenerfassung leitete, erklärt, wie wichtig klare Vorgaben sind: „Wenn man einen Datensatz haben möchte, der sowohl genau ist als auch Vergleiche zwischen den Unternehmen ermöglicht, braucht man klare Regeln und viele Feedbackschleifen.“ Genau das fehlte bisher bei vielen Klimaberichten.

Lücken in den Angaben sind ein strukturelles Problem

Die Forscher fanden heraus, dass viele Firmen ihre Emissionen nicht nach gängigen Standards offenlegen. Manche Dokumente enthielten nur Teilangaben, andere gar keine. „Schwer zu lösende Fälle resultieren nicht nur aus komplexen und teilweise inkonsistenten Berichtsprotokollen, sondern auch aus fehlenden Kontextinformationen und unvollständigen Angaben in Unternehmensberichten“, sagt Andreas Dimmelmeier, Experte für nachhaltige Finanzen.

Die Mehrheit der Daten – rund 80 Prozent – stammte aus Tabellen. Zehn Prozent kamen aus Grafiken, vier Prozent aus Textpassagen. Schon diese Aufschlüsselung zeigt, wie mühsam es ist, die Informationen aus oft über 100 Seiten langen PDF-Berichten herauszufiltern.

Warum das für die Klimapolitik wichtig ist

Die EU schreibt seit 2014 Nachhaltigkeitsberichte für große Unternehmen vor. 2023 wurde die Richtlinie verschärft, doch an der Praxis hat sich bisher wenig geändert: Berichte sind lang, komplex und oft nicht standardisiert.

Mit dem Datensatz aus der Studie lassen sich nun automatisierte Methoden prüfen und verbessern, was sie tatsächlich transparent und vergleichbar macht. Der neue Standard schafft eine Grundlage, mit der Politik und Wissenschaft Fortschritte bei der Reduktion von Emissionen ehrlicher messen können. Auch Investoren, die Wert auf Nachhaltigkeit legen, bekommen damit ein Instrument, um Greenwashing zu entlarven.

Kurz zusammengefasst:

  • Viele Klimaberichte von Unternehmen sind unvollständig – KI deckt auf, dass rund die Hälfte keine nutzbaren Daten zu Treibhausgasemissionen enthält.
  • Ein LMU-Team entwickelte mit KI und Expertenprüfungen einen Goldstandard-Datensatz aus 139 Berichten mit 5.646 geprüften Werten.
  • Damit lassen sich Emissionen erstmals zuverlässig vergleichen – wichtig für Politik, Forschung, Investoren und die Kontrolle von Greenwashing.

Übrigens: Evolutionsbiologen halten es für möglich, dass Mensch und KI zu einer neuen Einheit verschmelzen – vergleichbar mit einstigen Sprüngen der Evolution. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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