Fünf riskante Ideen für Arktis und Antarktis: Warum Geoengineering mehr schadet als nützt
Geoengineering in Arktis und Antarktis gilt als Hoffnung – doch fünf Ideen erweisen sich als teuer, riskant und weitgehend wirkungslos.

Viel diskutierte Geoengineering-Ideen für Arktis und Antarktis könnten laut Experten mehr schaden als nützen – und das Klima zusätzlich destabilisieren. © Wikimedia
Könnten technische Eingriffe das Schmelzen des Eises in Arktis und Antarktis stoppen? Fünf der meistdiskutierten Ideen für sogenanntes Geoengineering versprechen genau das. Doch eine neue Bewertung warnt: Diese Konzepte sind nicht nur technisch kaum umsetzbar, sondern extrem teuer – und könnten Klima, Umwelt und internationale Politik zusätzlich belasten.
Alle fünf Vorschläge wurden in einer Fachveröffentlichung in Frontiers in Science untersucht. Das Urteil ist klar: Keine der Ideen ist aktuell praktikabel, keine wurde großflächig erprobt, und jede birgt erhebliche Risiken. Die Forscher sprechen sich stattdessen für eine konsequente Reduktion der Treibhausgase aus – denn genau darin liege der einzig realistische Schutz für die Polarregionen.
„Diese Ideen sind oft gut gemeint, aber sie sind fehlerhaft. Wir Klimawissenschaftler und Ingenieure tun alles, um die Schäden der Klimakrise zu begrenzen – aber der Einsatz dieser fünf Polarprojekte würde eher gegen die Polarregionen und den Planeten wirken“, sagt Studienleiter Professor Martin Siegert von der University of Exeter.
1. Idee: Aerosol-Injektionen in die Stratosphäre
Bei diesem Ansatz (Stratospheric aerosol injection / SAI) sollen Flugzeuge Schwefelpartikel in große Höhen bringen. Diese Partikel würden Sonnenlicht reflektieren und so die Atmosphäre leicht abkühlen – theoretisch auch über den Polen. Doch in der Praxis ist das kaum machbar: Über 60.000 Flüge pro Jahr wären nötig, dazu eine Spezialflotte aus 90 Flugzeugen.
Problematisch ist auch der Einsatzzeitraum. „SAI kann in den polaren Wintermonaten nicht eingesetzt werden, weil kein Sonnenlicht vorhanden ist“, heißt es in der Analyse. Zudem drohen unerwartete Effekte auf den Jetstream und den Ozonhaushalt. Internationale Regeln für eine solche Maßnahme existieren bislang nicht.
2. Idee: Seevorhänge gegen warmes Wasser
Flexible Barrieren, die warmes Wasser am Vordringen unter das Schelfeis hindern sollen – das klingt plausibel, ist aber extrem aufwendig. Ein 80 Kilometer langer Vorhang in der Antarktis würde mindestens 80 Milliarden US-Dollar kosten. Und das ist nur der Anfang: Betrieb, Wartung und Logistik in extremer Kälte kämen noch dazu.
Dazu kommt die Gefahr für die Natur. Wale, Robben und andere Tiere könnten in ihren Wanderungen behindert werden. Nährstoffflüsse könnten sich verändern. Solche Eingriffe unterlägen zudem den Regeln des Antarktisvertrags – mit unklaren politischen Folgen.
3. Idee: Eismanagement mit Pumpen und Glasperlen
Hier soll Meereis dicker gemacht oder aufgehellt werden. Die erste Variante: Meerwasser wird auf das Eis gepumpt, wo es gefriert. Das Problem: Für nennenswerte Wirkung wären gigantische Pumpensysteme nötig – mitten im ewigen Eis. Allein die Energieversorgung ist kaum realistisch.
Die zweite Variante: Glasperlen auf dem Eis erhöhen das Rückstrahlvermögen. Doch die ersten Tests zeigen: Die Perlen könnten das Eis sogar erwärmen. „Das Ausbringen von Glasperlen […] hat sich als kontraproduktiv erwiesen, da es das Eis erwärmt statt kühlt“, so die Studie. Der Materialbedarf liegt bei 360 Millionen Tonnen pro Jahr – so viel wie die weltweite Kunststoffproduktion.
4. Idee: Wasser aus dem Untergrund abpumpen
Unter vielen Gletschern sammelt sich Schmelzwasser, das den Eisfluss beschleunigt. Die Idee: Dieses Wasser abpumpen, um das Eis zu bremsen. Doch auch hier fehlt die Praxiserfahrung. Bisherige Tests beschränkten sich auf einzelne Bohrungen. Der Bau eines einzigen Bohrlochs kostet rund 18 Millionen Dollar.
Für flächendeckende Wirkung wären hunderte solcher Bohrungen nötig – mit enormem logistischem Aufwand, massiven Umweltrisiken und kaum abschätzbaren Kosten. Hinzu kommt: Treibstoff und Technik könnten das empfindliche unterirdische Ökosystem dauerhaft schädigen.
5. Idee: Ozeandüngung mit Eisen
Mit gezielter Eisenzufuhr sollen Algenblüten ausgelöst werden. Die Pflanzen nehmen beim Wachsen CO2 auf – und transportieren es beim Absterben in die Tiefsee. Doch die Reaktionen im Ökosystem sind kaum vorhersehbar. Manche Arten könnten verdrängt, andere übermäßig gefördert werden.
„Die vorgeschlagenen Methoden sind technisch kaum umsetzbar, finanziell unerreichbar und bergen erhebliche Risiken für Umwelt und Klima“, warnen die Autoren. Die Kosten: mindestens 100 US-Dollar pro Tonne CO2 – in manchen Szenarien sogar über 1.000. Außerdem gilt die Methode völkerrechtlich als Meeresverschmutzung und ist stark eingeschränkt.
Fokus verschoben, Zeit verloren
Ein zentrales Problem: All diese Ideen könnten als Ausrede dienen, um nötige Emissionsreduktionen weiter aufzuschieben. Der wissenschaftliche Appell ist eindeutig:
Der einzige realistische Weg, die Polarregionen zu schützen, ist die rasche und dauerhafte Reduktion der Treibhausgasemissionen.
Denn die Lage spitzt sich zu: 2023 lag die globale Mitteltemperatur 1,3 Grad über dem vorindustriellen Niveau, 2024 erstmals über 1,5 Grad. Die CO2-Emissionen aus fossilen Quellen lagen zuletzt bei 37,4 Milliarden Tonnen – mit weiter steigender Tendenz. Ein echter Kurswechsel ist also dringlicher denn je.
Kurz zusammengefasst:
- Fünf Geoengineering-Ideen für Arktis und Antarktis gelten laut Experten als teuer, technisch kaum machbar und ökologisch riskant.
- Maßnahmen wie Aerosol-Injektionen, Seevorhänge oder Ozeandüngung zeigen in Tests wenig Wirkung – und könnten Umwelt und Klima zusätzlich schädigen.
- Der einzig realistische Schutz der Polarregionen bleibt die schnelle und konsequente Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen.
Übrigens: Auch in Asien wird das Klima zunehmend instabil – ausgerechnet durch saubere Luft. Warum der Kampf gegen Smog die globale Erwärmung anheizt, mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Kat Spence via Wikimedia unter Public Domain