Krebs durch Leitungswasser – Neue Filtertechnik könnte 50.000 Fälle verhindern
Trinkwasser ist oft mit Arsen, Chrom-6 und Nitrat belastet. Eine kombinierte Filtertechnik könnte zehntausende Krebsfälle verhindern.

Besonders in ländlichen Regionen der USA fehlt oft die Technik, um mehrere Schadstoffe im Trinkwasser gleichzeitig zu filtern. © Pexels
Was aus dem Wasserhahn fließt, gilt in Deutschland und den USA als kontrolliert und sicher. Doch viele Trinkwassersysteme enthalten Stoffe, die langfristig krank machen können. Besonders in den USA sorgt eine neue Analyse jetzt für Diskussion: Eine moderne Aufbereitungstechnik, die mehrere Schadstoffe aus dem Trinkwasser gleichzeitig entfernt, könnte zehntausende Krebserkrankungen vermeiden.
Die Environmental Working Group (EWG) hat Daten aus mehr als 17.000 kommunalen Wassersystemen ausgewertet. Dabei stellten die Forscher fest, dass Stoffe wie Arsen, Chrom-6 und Nitrat häufig gemeinsam im Trinkwasser vorkommen – und dass sich genau diese Mischung mit einer kombinierten Filtertechnik besonders gut entfernen lässt.
Schadstoffe im Trinkwasser bekämpfen
Das Problem: Aktuelle Vorschriften in den USA betrachten meist nur Einzelstoffe. Dabei treten gefährliche Chemikalien fast nie allein auf. Laut der EWG ließen sich mit einem sogenannten Multi-Kontaminanten-Ansatz über 50.000 Krebsfälle in den USA vermeiden.
„Trinkwasser wird meist in Mischungen verunreinigt, aber unser Regulierungssystem tut immer noch so, als würden sie einzeln auftreten“, erklärt Studienautorin Tasha Stoiber.
Arsen – winzige Menge, großes Risiko
Ein Beispiel ist Arsen. Die Substanz entsteht natürlich im Boden, gelangt aber auch durch alte Industrieanlagen oder Brunnenleitungen ins Wasser. In Kalifornien geht ein Großteil der vermeidbaren Trinkwasser-Krebsfälle auf Arsen zurück.
Der gesetzliche Grenzwert in den USA erlaubt bis zu 10 Teile Arsen pro Milliarde Teile Wasser. Die kalifornische Umweltbehörde empfiehlt jedoch aus gesundheitlicher Sicht einen Zielwert von nur 0,004 Teilen pro Milliarde. Viele Wassersysteme liegen über diesem empfohlenen Wert – obwohl sie den gesetzlichen Grenzwert noch einhalten.
Chrom-6 in Millionen Haushalten
Auch Chrom-6, bekannt aus der Metallverarbeitung, gelangt über das Grundwasser in Haushalte. Die EWG hat es im Trinkwasser von rund 251 Millionen Amerikanern nachgewiesen. Ein spezifischer Grenzwert existiert jedoch nicht – es gilt lediglich ein Wert für Gesamtchrom.
Dabei ist Chrom-6 besonders gefährlich: Es steht im Verdacht, Magenkrebs auszulösen, kann Leber und Fortpflanzungssystem schädigen und wirkt bereits in niedriger Konzentration belastend.
Nitrat – altbekannt, aber unterschätzt
Der dritte zentrale Stoff: Nitrat. Er gelangt durch Überdüngung in Böden und Gewässer. Besonders landwirtschaftlich geprägte Regionen kämpfen mit hoher Belastung. Die Gesundheitsgefahren reichen von Dickdarmkrebs bis zu Fehlbildungen bei Ungeborenen.
Eine Reduktion des Nitratwertes um 20 Prozent könnte laut EWG jährlich 130 Krebsfälle verhindern. Die Einsparung bei den Gesundheitskosten läge bei über 35 Millionen Dollar – ein weiterer Anreiz, zu handeln.
Ländliche Regionen besonders gefährdet
Kleine Gemeinden stehen oft vor großen Herausforderungen. Ihre Wasserversorger haben meist nur begrenzte Mittel, Personal und Technik. Die Folge: Viele Anlagen arbeiten veraltet oder können nur einzelne Schadstoffe herausfiltern – wenn überhaupt.
Bei der Gewährleistung von sauberem Trinkwasser für alle Gemeinden geht es um Fairness und Gerechtigkeit.
Studienautorin Sydney Evans
Wer am falschen Ort wohnt, hat häufig schlechtere Karten, sauberes Wasser zu bekommen.
Was Betroffene selbst tun können
Die gute Nachricht: Auch private Haushalte können handeln. Umkehrosmose-Anlagen zum Einbau unter der Spüle entfernen viele Schadstoffe gleichzeitig. Wichtig ist, dass die Filter regelmäßig gewechselt werden. Für Mieter bieten sich Aktivkohlefilter an, etwa als Tischgerät. Sie sind nicht so umfassend, helfen aber gegen bestimmte Belastungen.
Experten fordern neue Vorschriften
Die EWG kritisiert, dass viele Vorschriften in den USA – und auch in Europa – auf Einzelrisiken ausgerichtet sind. Dabei sei wissenschaftlich belegt, dass Kombinationen von Schadstoffen ein viel größeres Risiko darstellen. Studienautor David Andrews bringt es auf den Punkt: „Wir haben die technischen Lösungen, um das kaputte Trinkwassersystem in den USA zu reparieren, aber wir brauchen staatliche und bundesstaatliche Maßnahmen, die die Realität widerspiegeln, mit der die Menschen konfrontiert werden, wenn sie den Wasserhahn aufdrehen.“
Kurz zusammengefasst:
- Mehrfachbelastung erkennen: Schadstoffe wie Arsen, Chrom-6 und Nitrat treten häufig gemeinsam im Trinkwasser auf und können zusammen das Krebsrisiko deutlich erhöhen.
- Gemeinsame Filterung wirkt besser: Moderne Techniken wie Umkehrosmose entfernen mehrere Schadstoffe gleichzeitig – das könnte laut EWG über 50.000 Krebsfälle in den USA verhindern.
- Regeln und Technik anpassen: Die heutigen Vorschriften greifen zu kurz, vor allem in ländlichen Gebieten – neue gesetzliche Standards und bessere Filteranlagen sind dringend nötig.
Übrigens: Selbst gesetzlich erlaubte Mengen an Arsen im Trinkwasser können die Entwicklung ungeborener Kinder stören. Eine US-Studie zeigt: Frühgeburten und zu niedriges Geburtsgewicht treten selbst dort auf, wo der Grenzwert eingehalten wird – mehr dazu in unserem Artikel.
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