Instabile Bündnisse – Koalitionen mit Populisten scheitern bis zu 65 Prozent häufiger
Populismus verstärkt die Regierungsinstabilität in Europa. Eine Studie der Universität Basel deckt die Ursachen für Koalitionsbrüche auf.

Populistische Parteien präsentieren sich als Vertreter des wahren Volkswillens und grenzen sich bewusst von etablierten Eliten ab. © Pexels
In Europa sorgt der Populismus zunehmend für Regierungsinstabilität. Immer mehr populistische Parteien regieren mit und beeinflussen die Politik in vielen Ländern. Doch ihre Beteiligung gefährdet die Stabilität von Koalitionen massiv. Eine aktuelle Studie der Universität Basel zeigt nun, wie groß dieses Risiko tatsächlich ist und warum Bündnisse mit Populisten so häufig zerbrechen.
Populismus erhöht Regierungsinstabilität: Schon Beteiligung gefährdet Koalitionen
Die Politologin Sophie Suda von der Universität Basel hat mit ihrem Team 368 Regierungen in 26 europäischen Ländern analysiert. Der Untersuchungszeitraum reicht von 1990 bis 2021. Dabei betrachteten die Forscher sowohl west-, zentral- als auch osteuropäische Staaten.
Das Ergebnis fällt eindeutig aus: Sobald populistische Parteien an einer Regierung beteiligt sind, steigt das Risiko eines vorzeitigen Scheiterns erheblich. Laut Suda „liegt die Wahrscheinlichkeit eines frühzeitigen Regierungsbruchs bei Bündnissen mit Beteiligung populistischer Parteien etwa um 60 bis 65 Prozent höher als bei solchen ohne.“
Völlig egal ist dabei, ob die Populisten führend in der Regierung auftreten oder nur als kleiner Koalitionspartner mitregieren. Schon ihre bloße Anwesenheit destabilisiert das Bündnis.
Nicht die Inhalte machen Probleme, sondern der Politikstil
Die Untersuchung räumt dabei mit einer weitverbreiteten Annahme auf. Viele vermuten, dass extreme politische Forderungen der Populisten die Koalitionen sprengen.
Wir sind ursprünglich davon ausgegangen, dass extreme inhaltliche Forderungen der Parteien das Problem sind. Doch Schwierigkeiten entstehen vielmehr, weil sich populistische Parteien strukturell und stilistisch stark von anderen unterscheiden.
Sophie Suda
Das eigentliche Problem liegt also weniger in ihren Forderungen als in der Art, wie diese Parteien arbeiten und organisiert sind.
Populisten regieren streng von oben
Populistische Parteien setzen meist auf eine zentrale Führungsstruktur. Nur eine kleine Gruppe an der Spitze trifft die Entscheidungen. Breite Diskussionen innerhalb der Partei finden kaum statt. Dadurch fehlt ihnen die Flexibilität, Kompromisse einzugehen. Besonders in Koalitionen wird das schnell zum Problem.
Kompromisse, die in Regierungsbündnissen üblich sind, passen nicht zum Selbstverständnis vieler Populisten. Sie treten häufig mit dem Anspruch auf, den einzig wahren Volkswillen zu vertreten. Wer sich als alleinige Stimme des Volkes sieht, tut sich schwer, auf andere Partner Rücksicht zu nehmen.
Fehlende Kompromissbereitschaft lässt Koalitionen wackeln
Die kompromisslose Haltung führt dazu, dass Konflikte schnell eskalieren. Statt gemeinsame Lösungen zu suchen, verhärten sich die Fronten. „Die Tatsache, dass Populisten Teil des Kabinetts sind, reicht oft schon aus, um sie vorzeitig zum Scheitern zu bringen“, erklärt Suda.
Der Populismus selbst wird so zum dauerhaften Störfaktor für stabile Regierungsarbeit – unabhängig von Wirtschaftskrisen, Konflikten oder anderen äußeren Umständen.
In Osteuropa sind Populisten politisch akzeptierter
Die Analyse der Universität Basel zeigt auch deutliche Unterschiede zwischen den Regionen Europas. Besonders in Osteuropa gehören Koalitionen mit populistischen Parteien fast schon zur politischen Normalität. Dort gelten instabile politische Verhältnisse und häufige Regierungswechsel ohnehin als bekanntes Muster. Die Wähler reagieren dort weniger sensibel auf die Beteiligung solcher Parteien.
Im Osten Europas kommen Koalitionen mit Populisten häufiger vor. In solchen Kontexten sind Populisten trotz – oder gerade wegen – der unbeständigen Verhältnisse als legitime Koalitionspartner etwas akzeptierter als im Westen.
Sophie Suda
In Westeuropa hingegen wirken Populisten deutlich störender auf die Regierungsarbeit. Dort sind politische Systeme stabiler und langfristig angelegt. Wenn Populisten in diesen gefestigten Strukturen mitregieren, fallen die Konflikte und Instabilitäten schneller auf. Die Folgen werden sichtbarer und öffentlicher diskutiert. Regierungen geraten so schneller ins Wanken.
Populismus bleibt ein permanentes Risiko für Regierungsbündnisse
Die Forscher fanden heraus, dass populistische Parteien sehr häufig nach dem gleichen Muster agieren:
- Sie fordern drastische politische Veränderungen.
- Sie stellen bewährte Institutionen grundsätzlich infrage.
- Sie lehnen Vielfalt und pluralistische Gesellschaften ab.
- Sie verweigern Kompromisse in Koalitionen.
Populismus ist ein zentraler Erklärungsfaktor für das vorzeitige Ende einer Regierung.
Sophie Suda
Die Studie der Universität Basel zeigt somit eindrücklich: Es ist weniger die politische Richtung oder die Radikalität der Inhalte, die Koalitionen mit Populisten gefährlich macht. Entscheidend ist vielmehr der Politikstil. Autoritäre Führungsstrukturen, Kompromissunfähigkeit und die Ablehnung etablierter Regeln machen eine stabile Regierungsarbeit fast unmöglich.
Kurz zusammengefasst:
- Populismus erhöht die Regierungsinstabilität deutlich: Koalitionen mit Populisten zerbrechen um 60 bis 65 Prozent häufiger.
- Die Regierungsinstabilität entsteht vor allem durch den Populismus-Stil: autoritäre Führung, fehlende Kompromisse und Ablehnung von Institutionen.
- In Osteuropa ist Populismus in Koalitionen häufiger akzeptiert, während die Regierungsinstabilität in Westeuropa stärker sichtbar wird.
Übrigens: In Krisenzeiten locken Populisten mit falschen Freiheitsversprechen und zerstören dabei schleichend demokratische Strukturen. Mehr dazu in unserem Artikel.
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