Datensparkonto in Brasilien: Wie Bürger jetzt mit ihren eigenen Daten Geld verdienen können

Brasilien testet ein Datensparkonto, mit dem Bürger ihre persönlichen Daten verwalten und gegen Bezahlung an Unternehmen freigeben können.

In BrasiliDatensparkonto in Brasilien: So verdienen Bürger Geld mit Datenen erproben Bürger ein Datensparkonto, das persönliche Informationen in bares Geld verwandeln kann.

In Brasilien erproben Bürger ein Datensparkonto, das persönliche Informationen in bares Geld verwandeln kann. © Unsplash

Täglich hinterlassen wir digitale Spuren – beim Surfen, Scrollen, Einkaufen oder Streamen. Profit daraus ziehen bislang vor allem große Konzerne. In Brasilien soll sich das nun ändern: Ein staatlich gefördertes Pilotprojekt testet ein Datensparkonto, mit dem Bürger ihre Daten erstmals selbst verwalten und gezielt an Unternehmen verkaufen können. Der Name des Projekts: dWallet.

Erste Nutzer in Brasilien testen, wie das Datensparkonto Daten in Geld verwandelt

Das Herzstück der Idee ist das sogenannte Datensparkonto: eine digitale Brieftasche, in der persönliche Nutzerdaten gespeichert und auf Wunsch zu Geld gemacht werden können. Wer etwa einen Online-Kredit beantragt oder ein Shoppingkonto nutzt, erzeugt dabei automatisch Datenspuren. Diese werden gebündelt, bewertet – und können dann über das Datensparkonto verkauft werden. „Wenn du kein Angebot annimmst, darf das Unternehmen deine Daten nicht nutzen“, sagt Informatikprofessor Maximilian Rodrigues aus Mato Grosso dem Magazin Rest of World.

Hinter dem Projekt steht die staatliche IT-Firma Dataprev, gemeinsam mit dem US-Unternehmen DrumWave, das auf Datenbewertung spezialisiert ist. Der Testlauf richtet sich zunächst an eine kleine Nutzergruppe – sie kann schon jetzt entscheiden, ob und an wen ihre Daten verkauft werden dürfen. Die Bezahlung erfolgt direkt ins Datensparkonto, von dort aus kann das Geld auf ein normales Bankkonto überwiesen werden.

Nutzerdaten bringen erstmals bares Geld

Das Modell funktioniert wie ein Marktplatz für persönliche Informationen: Wer zustimmt, erlaubt Firmen den Zugriff auf Daten – gegen Bezahlung. Wer nicht zustimmt, bleibt außen vor. Das Ziel: mehr Kontrolle für Bürger, weniger Abhängigkeit von Tech-Konzernen. „Bisher bekommen Menschen nichts für ihre Daten“, erklärt Brittany Kaiser, Beraterin von DrumWave und Mitgründerin der Own Your Data Foundation, im Gespräch mit Rest of World.

Die globale Datenwirtschaft ist Milliarden wert – doch bisher profitieren davon nur wenige. Der Wert wird auf vier Milliarden Dollar geschätzt, bis 2034 könnten es mehr als 40 Milliarden sein. Brasilien will das ändern. Und geht dabei weiter als jedes andere Land.

Gesetzesvorschlag soll Daten zu Privateigentum machen

Ein neuer Gesetzesentwurf im brasilianischen Parlament sieht vor, dass Nutzerdaten als persönliches Eigentum anerkannt werden. Unternehmen müssten dann für jede Verarbeitung zahlen – auch rückwirkend. Die Daten entstehen durch alltägliche Nutzung von Apps, Webseiten oder Geräten.

Rodrigo Assumpção, Präsident von Dataprev, nennt das Projekt einen „historischen Ausgleich in der digitalen Ökonomie“. Es gehe darum, dass Bürger nicht länger nur die Quelle, sondern auch die Profiteure der Datenerhebung sind.

Sorge um soziale Gerechtigkeit wächst

Doch es gibt auch Kritik. Besonders aus dem Bereich Datenschutz kommen warnende Stimmen. In einem Land, in dem fast 30 Prozent der Menschen als funktionale Analphabeten gelten, sei es gefährlich, Verantwortung auf Einzelne abzuwälzen. „Wir erwarten von Millionen Menschen ohne digitale Bildung, dass sie verstehen, wann und für wie viel sie ihre Daten verkaufen sollen“, sagt Pedro Bastos von Data Privacy Brazil gegenüber Rest of World.

Auch das Risiko sozialer Schieflagen steigt: Wer wenig Geld hat, verkauft seine Daten eher – und verzichtet dabei vielleicht ungewollt auf Datenschutzrechte. Hinzu kommt: In ländlichen Gebieten ist der Internetzugang oft schwach, dort wird kaum Datenvolumen erzeugt – also auch weniger Einkommen.

Neue Chancen – aber nur für informierte Nutzer?

Anders als ähnliche Initiativen in den USA oder China ist das brasilianische Modell staatlich geregelt – und wird auch von linken wie rechten Politikern unterstützt. Laut dem Gesetz sollen Nutzer für das „Sammeln, Verarbeiten oder Teilen“ ihrer Daten finanziell entschädigt werden.

Die Hoffnung: Der Staat soll langfristig Zugang zu großen, anonymisierten Datenbanken erhalten – etwa für bessere öffentliche Gesundheitsversorgung oder Verkehrsplanung. Doch laut Datenschutzanwältin Antonielle Freitas könnte das Modell auch missbraucht werden. „Sobald Daten zur Ware werden, entscheidet nicht mehr Vertrauen, sondern Geld.“

Zwischen Kontrolle und Verlockung: Wem gehören unsere Daten?

Der Fall erinnert an das umstrittene Projekt Worldcoin, das in Brasilien zehntausende Menschen mit Geldprämien dazu brachte, ihre Iris scannen zu lassen – bis Behörden einschritten. Für Kritiker steht fest: Wer Daten verkauft, gibt Macht ab.

Doch für Menschen wie Maximilian Rodrigues bietet das Modell auch Schutz: „Ich entscheide, wer meine Daten nutzt. Das ist besser, als sie einfach kostenlos herzugeben.“ Ob das Datensparkonto in Brasilien am Ende zur fairen Lösung wird – oder nur neue Abhängigkeiten schafft – dürfte davon abhängen, wie viele Menschen es wirklich verstehen.

Kurz zusammengefasst:

  • In Brasilien testen Bürger erstmals ein Datensparkonto, mit dem sie persönliche Daten speichern, verwalten und gegen Geld an Firmen verkaufen können.
  • Ein begleitender Gesetzesentwurf soll Daten offiziell zum Eigentum der Nutzer machen und sie zur aktiven Teilnahme an der Datenökonomie befähigen.
  • Datenschützer warnen vor Risiken für sozial benachteiligte Gruppen, da mangelnde digitale Bildung und Infrastruktur Missbrauch begünstigen könnten.

Übrigens: Während Brasilien Bürger für ihre digitalen Daten bezahlt, sorgt sich Schweden zunehmend um die Risiken digitaler Abhängigkeit – und plant die Rückkehr zum Bargeld als Notfallreserve. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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