Infrarot sehen mit bloßem Auge – Neue Kontaktlinsen machen unsichtbares Licht sichtbar
Unsichtbares Licht sehen? Neue Kontaktlinsen machen Infrarotlicht sichtbar – selbst durch geschlossene Augen und ganz ohne Technik.

Die neuen Kontaktlinsen enthalten spezielle Nanopartikel, die Infrarotlicht in sichtbare Farben umwandeln. So erkennen Träger selbst bei geschlossenen Augen Lichtquellen, die sonst unsichtbar bleiben (Symbolbild). © Pexels
Können wir bald unsichtbares Licht sehen – als wäre ein Nachtsichtgerät direkt ins Auge eingebaut? Ein internationales Forscherteam unter Leitung der University of Science and Technology of China hat transparente Kontaktlinsen entwickelt, die Infrarotlicht sichtbar machen können. Die Linsen funktionieren ohne Strom, bestehen aus speziellen Nanomaterialien und reagieren auf Licht, das dem menschlichen Auge normalerweise verborgen bleibt. Ihre Einsatzmöglichkeiten reichen von der medizinischen Diagnostik bis zur Orientierung bei Dunkelheit oder Rauchentwicklung. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Cell.
Kontaktlinsen lassen Unsichtbares erkennen – ohne Technik am Kopf
Das menschliche Auge kann Licht mit Wellenlängen zwischen etwa 400 und 700 Nanometern erkennen. Alles darunter (Ultraviolett) oder darüber (Infrarot) bleibt uns verborgen. Doch genau dieser „unsichtbare“ Infrarotbereich – zwischen 800 und 1.600 Nanometern – wird durch die neuen Linsen plötzlich sichtbar. Möglich machen das winzige Nanopartikel, die in das Material der Linse eingebettet sind.
Diese Nanopartikel wirken wie ein Übersetzer: Sie wandeln die Infrarotstrahlen in sichtbares Licht um. So wird etwa eine Infrarotquelle mit 808 Nanometern grün dargestellt, 980 Nanometer erscheint blau und 1.532 Nanometer rot. Die Träger sehen also nicht nur, dass irgendwo ein Licht flackert – sie können auch erkennen, um welche Art von Infrarotsignal es sich handelt.
In Tests konnten die Teilnehmer blinkende Infrarot-LEDs sehen und sogar deren Richtung bestimmen. Und das Bemerkenswerte: Die Linsen stören das normale Sehen nicht. Im Gegenteil – sie ergänzen es. Wer sie trägt, sieht die normale Umgebung wie immer, zusätzlich aber auch Lichtquellen, die bisher verborgen geblieben sind.
Unsichtbare Lichtquellen sichtbar machen – sogar bei geschlossenen Augen
Ein besonders faszinierender Effekt zeigte sich im Labor: Die Probanden konnten Infrarotlicht sogar mit geschlossenen Augen erkennen. Denn Infrarotstrahlen dringen tiefer in die Haut ein als sichtbares Licht. Das Augenlid blockiert das sichtbare Licht – aber nicht die Infrarotstrahlung. So wirkt das geschlossene Lid wie ein natürlicher Filter. Der Kontrast wird stärker, das Licht wird besser sichtbar.
Ohne die Kontaktlinsen kann die Versuchsperson nichts sehen, aber wenn sie die Linsen einsetzt, kann sie das Flackern des Infrarotlichts deutlich erkennen.
Tian Xue, Neurowissenschaftler an der University of Science and Technology of China
Keine Batterie nötig – Linsen arbeiten ganz von selbst
Ein weiterer Pluspunkt: Die Kontaktlinsen benötigen keine Stromversorgung, kein Akku, kein zusätzliches Gerät. Sie funktionieren rein durch die Nanostruktur in ihrem Material. Das macht sie besonders leicht und unauffällig und damit alltagstauglich. Kein Vergleich zu sperrigen Nachtsichtgeräten oder Wärmebildbrillen.
Die Forscher sehen viele mögliche Einsatzgebiete – etwa in der Medizin, bei Such- und Rettungseinsätzen, in der Sicherheitsbranche oder sogar bei der Unterstützung von Menschen mit Farbsehschwächen.
Kontaktlinsen zeigen Infrarotlicht – Brille liefert jedoch schärferes Bild
Allerdings gibt es auch einen kleinen Haken: Weil die Kontaktlinse sehr nah an der Netzhaut sitzt, kann es zu Streulicht kommen. Das Bild wirkt dadurch etwas unscharf. In weiteren Tests nutzten die Forscher deshalb auch Brillen mit den gleichen Nanopartikeln. Diese lieferten eine bessere Auflösung.
Mit der Brille konnten Probanden farbige Buchstaben erkennen, die mit bloßem Auge nur schwarz-weiß erschienen. Die Farbumwandlung der Nanopartikel macht’s möglich: Jede Infrarotquelle erscheint in einer bestimmten Farbe. Das könnte besonders für Menschen mit Rot-Grün-Schwäche interessant sein – sie könnten Farben durch Infrarotkodierung neu erleben.
Bald könnten Kontaktlinsen selbst schwächste Wärmequellen erfassen
Derzeit reagieren die Kontaktlinsen nur auf starke Infrarotquellen wie Infrarot-LEDs. Schwache Wärmestrahlung – etwa von einem menschlichen Körper – bleibt bislang unsichtbar. Das soll sich ändern: Die Forscher arbeiten daran, die Nanopartikel in den Linsen so empfindlich zu machen, dass auch geringe Infrarotsignale erkannt werden können.
Das wäre besonders hilfreich bei Dunkelheit oder Rauchentwicklung – etwa für Rettungskräfte, die nach verschütteten oder vermissten Personen suchen. Auch in der Medizin könnte die Technik neue Wege eröffnen: Temperaturunterschiede im Körper ließen sich künftig direkt am Auge sichtbar machen – ohne aufwendige Geräte.
Kurz zusammengefasst:
- Spezielle Kontaktlinsen mit Nanopartikeln machen Infrarotlicht für das menschliche Auge sichtbar – selbst bei geschlossenen Augen.
- Die Linsen funktionieren ohne Strom und ergänzen die normale Sicht, indem sie unsichtbare Wellenlängen in sichtbare Farben umwandeln.
- Entwickelt wurde die Technologie von der University of Science and Technology of China und sie eignet sich für Anwendungen in Sicherheit, Medizin und bei Sehschwächen.
Übrigens: Schlechte Sicht kann mehr kosten als Lebensqualität: Sie erhöht nachweislich das Risiko zu stürzen und früher zu sterben. Warum die richtige Brille im Alter so wichtig ist – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Pexels