Wie Fledermäuse tödliche Viren stoppen und was wir davon lernen können

Fledertiere stoppen tödliche Viren mit früher und effizienter Immunreaktion – ein möglicher Schlüssel für neue Therapien.

Menschen können von der Immunreaktion der Fledertiere lernen.

Forscher nutzten Organoide von Nilflughunden, um zu zeigen: Ihre Schleimhäute wehren Viren schneller und effektiver ab als menschliche Zellen. © Wikimedia

Fledermäuse gelten als natürliche Träger zahlreicher gefährlicher Viren – darunter auch das Marburg-Virus, das beim Menschen schwere Erkrankungen auslösen kann. Während diese Erreger bei uns oft lebensbedrohlich sein können, bleiben die Tiere selbst erstaunlich widerstandsfähig. Was das Immunsystem der Fledermäuse so besonders macht, hat nun ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung gemeinsam mit internationalen Partnern untersucht.

In der Studie entwickelten die Wissenschaftler eine Art Mini-Schleimhaut im Labor, sogenannte Organoide. Sie stammen aus Atemwegs- und Darmgewebe von Nilflughunden und simulieren die Virusabwehr der Tiere. Der Vorteil: Schleimhäute sind oft das erste Ziel von Viren. Wer dort früh reagiert, kann eine Ausbreitung im Körper verhindern.

Alarmbereitschaft des Immunsystems ist ausschlaggebend

Schon vor dem Kontakt mit einem Virus zeigten die Zellen der Fledermäuse eine erhöhte Aktivität – ihr Immunsystem war sozusagen bereits in Alarmbereitschaft. Besonders auffällig war das Interferon-System, ein Mechanismus, bei dem bestimmte Eiweiße antivirale Gene aktivieren. Diese Reaktion lief bei den Fledermaus-Zellen deutlich früher und intensiver ab als bei menschlichen Zellen.

„Unsere Organoid-Experimente zeigen, dass die Epithelzellen der Nilflughunde Viren deutlich früher erkennen und bekämpfen“, sagt Max Kellner, der das Projekt am Helmholtz-Zentrum leitet. Beim Menschen dagegen bleibt das Virus anfangs oft unentdeckt und hat dadurch Zeit, sich auszubreiten. Eine verzögerte Immunreaktion kann dann lebensgefährlich werden.

Abwehrsystem in Dauerschleife

Besonders stark reagierten die Zellen der Fledertiere mit Typ-III-Interferonen. Diese Botenstoffe sorgten nicht nur für eine direkte Virusabwehr, sondern aktivierten auch andere Abwehrmechanismen. Noch spannender: In den Fledermaus-Zellen wirkte das System wie ein Verstärker, es aktivierte sich selbst immer wieder und blieb so dauerhaft aktiv.

Die Wissenschaftler konnten diesen Mechanismus gezielt beeinflussen. In Experimenten mit dem Genwerkzeug CRISPR/Cas9 schalteten sie das Interferon-System aus und verloren prompt den antiviralen Effekt. „Das zeigt, wie stark dieser Schutz in der Schleimhaut verankert ist“, erklärt Kellner. „Das Virus hat keine echte Chance, sich dort festzusetzen.“

Neue Plattform soll weltweit Forschung ermöglichen

Die Organoide bieten außerdem eine neue Methode, um die komplexe Biologie von Fledertieren zu erforschen, ohne auf lebende Tiere angewiesen zu sein. Das Team will die Plattform weiterentwickeln und anderen Forschungseinrichtungen zur Verfügung stellen. „Es geht darum, gemeinsam Lösungen zu finden“, so Josef Penninger, Mitautor der Studie. „Wenn wir verstehen, was Fledertiere schützt, können wir auch Menschen besser schützen.“

Hellfeldmikroskopie von Darm-Organoiden vom Nilflughund (Rousettus aegyptiacus) © Kellner, Hemholtz-Zentrum
Hellfeldmikroskopie von Darm-Organoiden vom Nilflughund (Rousettus aegyptiacus) © Kellner, Hemholtz-Zentrum

Die Gewebeproben stammen aus einer Zuchtkolonie am Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald. Die eigentlichen Infektionsversuche wurden unter strengsten Sicherheitsbedingungen durchgeführt – in einem Labor der höchsten Schutzstufe in Schweden.

Was Menschen sich abschauen können

Auch wenn sich diese Erkenntnisse auf Fledertiere beziehen, könnten sie den Weg für neue Therapien am Menschen weisen. Penninger erläutert: „Fledertiere kombinieren verschiedene Immunstrategien. Wenn wir diese Prozesse besser verstehen, können wir gezielt Schutzmechanismen entwickeln, gerade gegen Viren, für die es noch keine Therapie gibt.“ Das betrifft nicht nur seltene Viren wie Marburg. Auch andere zoonotische Erreger, die von Tieren auf Menschen übergehen, könnten künftig besser abgewehrt werden. Fledermäuse dienen dabei als Vorbild: Ihr Immunsystem könnte neue Standards in der Virusbekämpfung setzen.

Was die Natur über Millionen Jahre perfektioniert hat, wird jetzt zur Hoffnung für die Zukunft. Die Forschung an den Schleimhäuten von Fledertieren zeigt, wie sich Viren schon beim ersten Kontakt effektiv stoppen lassen. Und vielleicht liegt genau hier der Schlüssel für neue Therapien – nicht nur gegen bekannte Viren, sondern auch gegen die Pandemien von morgen.

Kurz zusammengefasst:

  • Fledermäuse wie der Nilflughund aktivieren ihr Immunsystem schon vor einer Virusinfektion – ihre Schleimhautzellen sind dauerhaft in Alarmbereitschaft.
  • Besonders Typ-III-Interferone wirken stark gegen Viren und halten die Abwehr durch einen selbstverstärkenden Mechanismus langfristig aktiv.
  • Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung entwickelte eine Organoid-Plattform, um diese Strategien zu verstehen und neue Therapien für Menschen zu ermöglichen.

Übrigens: Auch das Alter beeinflusst die Immunreaktion spürbar. Lebensstilfaktoren wie Rauchen oder chronische Infektionen beschleunigen diesen Umbau – und bestimmen mit, wie anpassungsfähig das Abwehrsystem bleibt. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © MgeniNL via Wikimedia unter CC BY 4.0

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