Kosmisches Duell – Astronomen beobachten, wie ein Quasar eine Galaxie verwüstet

Ein Quasar attackiert eine andere Galaxie mit intensiver Strahlung – und verhindert so, dass dort neue Sterne entstehen können.

Astronomen beobachten, wie ein Quasar eine Galaxie verwüstet

Wie eine Strahlenlanze durchbohrt der Quasar die Nachbargalaxie – und stoppt dort die Geburt neuer Sterne. © ESO/M. Kornmesser

Mit über 500 Kilometern pro Sekunde rasen zwei Galaxien immer wieder aufeinander zu – ein gewaltiger Tanz im All, der alles andere als harmlos ist. Diese Begegnungen enden nicht in einer simplen Verschmelzung. Stattdessen geschieht etwas Außergewöhnliches: Eine Galaxie trägt in ihrem Zentrum einen Quasar, dessen hochenergetische Strahlung tief in das Innere der anderen eindringt – und dort bleibende Schäden hinterlässt. Der Quasar, ein extrem leuchtender Galaxienkern, wird von einem supermassereichen Schwarzen Loch angetrieben.

Das Licht dieses gewaltigen Zusammenstoßes hat mehr als 11 Milliarden Jahre gebraucht, um die Erde zu erreichen. Es stammt also aus einer Zeit, in der das Universum erst rund 2,5 Milliarden Jahre alt war – gerade einmal 18 Prozent seines heutigen Alters. Was die ESO-Astronomen heute sehen, ist ein Blick weit zurück in die Frühzeit des Kosmos.

Quasar-Strahlung dient als Lanze im Duell gegen eine andere Galaxie

Die beiden Galaxien durchdringen sich nicht einfach ein einziges Mal. Sie vollziehen stattdessen mehrere enge Vorbeiflüge, bei denen sie sich gegenseitig berühren, wieder voneinander entfernen und erneut anziehen – ein galaktischer Reigen, der sich über Millionen Jahre erstreckt. Dieses Schauspiel hat das internationale Forschungsteam um Pasquier Noterdaeme und Sergei Balashev nun erstmals im Detail dokumentiert.

„Wir bezeichnen dieses System daher als »kosmisches Duell«“, sagt Noterdaeme vom Institut d’Astrophysique de Paris. Der Astronom vergleicht das Szenario mit einem mittelalterlichen Turnier: Zwei Ritter auf Konfrontationskurs – nur dass einer von ihnen mit einer unsichtbaren Energielanze kämpft, die den Gegner schwer verwundet.

Quasar-Strahlung verändert die innere Struktur der anderen Galaxie

Diese „Energielanze“ ist in Wirklichkeit die Strahlung eines Quasars. Quasare zählen zu den hellsten Objekten im Universum. Ihre Energie stammt aus Schwarzen Löchern mit Milliarden Sonnenmassen, die große Mengen an Gas verschlingen. Die dabei freigesetzte Strahlung trifft die Nachbargalaxie mit voller Wucht.

„Hier sehen wir zum ersten Mal die Auswirkungen der Strahlung eines Quasars direkt auf die innere Struktur des Gases in einer ansonsten normalen Galaxie“, erklärt Sergei Balashev, Co-Leiter der Studie vom Ioffe-Institut in St. Petersburg. Die energiereiche Strahlung zerstört große Gas- und Staubwolken – genau jene Bereiche, in denen sich normalerweise neue Sterne bilden würden. Nur die dichtesten Fragmente bleiben zurück, aber sie sind vermutlich zu klein für neue Sternengeburten.

Dieses ALMA-Bild zeigt zwei kollidierende Galaxien: Rechts ein Quasar, der Strahlung in die linke Galaxie schleudert – und dort das Sternenmaterial zerstört. Mit dem X-shooter am VLT verfolgten Astronomen, wie das Licht des Quasars durch einen Gashalo drang und die Geburt neuer Sterne verhinderte. © ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/S. Balashev and P. Noterdaeme et al.
Dieses ALMA-Bild zeigt zwei kollidierende Galaxien: Rechts ein Quasar, der Strahlung in die linke Galaxie schleudert – und dort das Sternenmaterial zerstört. Mit dem X-shooter am VLT verfolgten Astronomen, wie das Licht des Quasars durch einen Gashalo drang und die Geburt neuer Sterne verhinderte. © ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/S. Balashev and P. Noterdaeme et al.

Sternenfabriken erlöschen – Galaxie verliert ihre Zukunft

Damit verliert die betroffene Galaxie nicht nur ihre leuchtenden Nebel, sondern auch ihre Fähigkeit, weiterzuwachsen. Wo früher aus Gas neue Sterne entstanden, bleibt nur Leere. Die Folgen dieser Kollision sind langfristig: Der Quasar verhindert aktiv, dass sich das Sternensystem weiterentwickeln kann. Die Auswirkungen der Strahlung reichen tief in das Innere der Galaxie – bis in Regionen, die bislang unberührt geblieben waren.

Balashev betont, dass diese Kollisionen zudem große Mengen an Gas in Richtung des zentralen Schwarzen Lochs lenken. Das führt zu einer Art Rückkopplung: Je mehr Gas das Schwarze Loch verschlingt, desto heller wird der Quasar – und desto zerstörerischer seine Wirkung. Eine Spirale der Energie, angetrieben von der Kollision selbst.

Teleskope in Chile liefern gestochen scharfe Bilder des Duells

Beobachtet wurde dieses kosmische Kräftemessen mit den beiden leistungsstarken Instrumenten ALMA und dem Very Large Telescope (VLT), beide in der Atacama-Wüste in Chile. Dank ihrer hohen Auflösung konnten die Forscher zwei dicht beieinanderliegende Galaxien erkennen, die früher als ein einzelnes Objekt erschienen waren.

Besonders wichtig war das Instrument X-shooter am VLT. Es analysierte das Licht des Quasars, das durch die betroffene Galaxie hindurchstrahlte. So ließ sich rekonstruieren, welche Bestandteile der Galaxie verändert, zerstört oder erhalten geblieben sind – eine Momentaufnahme aus der Frühzeit des Alls mit einer Präzision, die bis vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.

Neues Teleskop soll noch tiefere Einblicke ermöglichen

Noch ist das Bild dieses galaktischen Zweikampfs nicht vollständig. Doch die nächste Generation von Teleskopen steht schon bereit. Besonders das Extremely Large Telescope (ELT), das derzeit von der Europäischen Südsternwarte in Chile gebaut wird, soll die Details solcher Kollisionen noch schärfer erfassen.

„Ein Teleskop wie das Extremely Large Telescope wird uns sicherlich ermöglichen, diese und andere Systeme genauer zu untersuchen“, sagt Noterdaeme. Ziel ist es, besser zu verstehen, wie Quasare ihre Umgebung beeinflussen – sowohl innerhalb ihrer Wirtsgalaxie als auch weit darüber hinaus.

Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung wurden in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Sie basieren auf den Beobachtungen eines internationalen Teams aus Russland, Frankreich, Indien und Chile. Die Messdaten stammen von zwei der präzisesten astronomischen Einrichtungen weltweit – ALMA und dem VLT – beide strategisch in der klaren, trockenen Luft der Atacama-Wüste stationiert.

Der Blick auf dieses „kosmische Duell“ ist damit nicht nur ein wissenschaftlicher Erfolg, sondern auch ein Fenster in die dynamische, manchmal brutale Geschichte des Universums – und in die gewaltigen Kräfte, die damals wie heute darüber bestimmen, ob Sterne entstehen oder vergehen.

Kurz zusammengefasst:

  • Astronomen haben eine über 11 Milliarden Jahre alte Galaxien-Kollision beobachtet, bei der ein Quasar eine benachbarte Galaxie mit Strahlung durchdringt.
  • Diese Strahlung zerstört Gas- und Staubwolken, wodurch die betroffene Galaxie kaum noch neue Sterne bilden kann.
  • Die Daten stammen von den Teleskopen ALMA und VLT in Chile und liefern neue Erkenntnisse über die Wirkung von Quasaren auf ihre Umgebung.

Übrigens: In einer Zeit, als das Universum gerade 300 Millionen Jahre alt war, schien Sauerstoff eigentlich noch gar nicht vorzukommen – doch genau den fanden Forscher jetzt in einer extrem weit entfernten Galaxie. Die Entdeckung stellt nicht nur astronomische Modelle infrage, sondern lässt auch vermuten, dass Sterne und schwere Elemente viel schneller entstanden sind als gedacht. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © ESO/M. Kornmesser

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