Was Amerikaner über die „Europoors“ nicht verstehen: Foto aus Spanien geht viral
Ein Foto aus Spanien geht viral und zeigt, wie unterschiedlich Amerikaner und Europäer über Lebensqualität und Wohlstand denken.

Entspannt statt effizient – ein virales Foto aus Spanien entfacht eine Debatte über Lebensqualität, Wohlstand und kulturelle Unterschiede zwischen Europa und den USA. © Pexels
Ein Foto aus Marbella sorgt im Netz für Aufregung: Es zeigt eine junge Frau, die entspannt eine Zigarette raucht, während zwei Männer Bier trinken – auf einer belebten spanischen Straße voller Tische und Menschen. Verbreitet wurde die Aufnahme vom Account Cigarette Dystopia auf X, versehen mit der Bildunterschrift: „The American mind cannot comprehend this.“ Über 63 Millionen Mal wurde das Foto bereits angesehen – und heizt damit die Debatte der unterschiedlichen Lebensweisen an: Amerikaner vs. Europäer.
Mehr als nur ein Foto – Reiche Amerikaner vs. lebenslustige Europäer
Das Foto zeigt mehr als eine Straßenszene. Es offenbart zwei völlig unterschiedliche Auffassungen vom guten Leben. Für viele Europäer steht die Szene für Lebensfreude, Gelassenheit und ein soziales Miteinander – Werte, die in Europa tief verwurzelt sind, gerade in der Café-Kultur Spaniens. Amerikanische Kommentatoren hingegen sehen darin oft Symbolik für fehlenden Ehrgeiz, Produktivitätsmangel und wirtschaftliche Schwäche.
So schrieb etwa ein Nutzer auf X laut Newsweek: „Das Einzige, was junge Leute in Südeuropa tun können, ist trinken und rauchen, weil es absolut keine anderen Möglichkeiten gibt.“ Andere hielten dagegen: Lebensqualität bemesse sich nicht nur am Bruttoinlandsprodukt (BIP), sondern auch an Gesundheit, Sicherheit und sozialem Zusammenhalt.
Foto von „Europoors“? – Wie denken Amerikaner über Europäer?
Der Begriff „Europoors“ entstand ursprünglich in der amerikanischen Netzkultur, vor allem auf Plattformen wie Reddit und 4chan. Er setzt sich aus „Europeans“ und „poor“ zusammen und wurde spöttisch verwendet, um Europäer als wirtschaftlich schwächer, aber vermeintlich glücklicher darzustellen.
Ähnlich wie Berlin sich unter dem Motto „Arm, aber sexy“ eine selbstbewusste Identität gab, greifen heute viele Europäer den Begriff „Europoors“ mit Ironie auf. Er steht für eine Lebensweise, die weniger auf Reichtum und mehr auf Lebensqualität, Sicherheit und soziale Stabilität setzt – selbst wenn das Bankkonto kleiner ausfällt.
Wirtschaftskraft: USA dominieren – doch zu welchem Preis?
Tatsächlich ist der wirtschaftliche Unterschied erheblich: 2023 lag das BIP der USA bei rund 25,5 Billionen Dollar, das Spaniens bei nur etwa 1,62 Billionen. Pro Kopf verdiente ein US-Bürger im Schnitt 76.000 Dollar, ein Spanier etwa 33.000 Dollar.
Doch trotz dieser Zahlen bleibt die Frage: Ist reiner Wohlstand gleichbedeutend mit einem besseren Leben? Spanien, das wirtschaftlich schwächer dasteht, bietet eine der höchsten Lebensqualitäten Europas – auch weil die Einkommensunterschiede geringer sind und soziale Sicherungssysteme besser funktionieren.
Sicherheit: Spaniens stille Stärke
Besonders augenfällig wird der Kontrast bei der Kriminalität: In den USA liegt die Mordrate bei etwa 6,3 pro 100.000 Einwohner, in Spanien nur bei 0,6. Auch Raubüberfälle sind in Spanien seltener.
In sozialen Medien betonen viele Europäer genau diesen Punkt: Wer abends auf den Straßen von Madrid oder Barcelona sitzt, fürchtet sich weniger vor Gewaltverbrechen als in amerikanischen Großstädten wie Detroit oder Baltimore. Sicherheit ist Teil des Alltags – und gehört in Spanien zur selbstverständlichen Lebensqualität.
Lebenserwartung: Spaniens Vorsprung
Auch bei der Gesundheit schneiden die USA trotz ihrer gigantischen Ausgaben schlechter ab. Während Amerikaner im Schnitt etwa 79,6 Jahre alt werden, erreichen Spanier eine Lebenserwartung von 84 Jahren – ganze 4,4 Jahre mehr.
Gründe dafür sind unter anderem das universelle Gesundheitssystem Spaniens, die mediterrane Ernährung und ein insgesamt entspannterer Lebensstil. Während die USA etwa 16,6 Prozent ihres BIP in Gesundheitsausgaben investieren, aber schlechtere Ergebnisse erzielen, erreicht Spanien mit etwa 10 Prozent BIP-Ausgaben bessere Gesundheitswerte und weniger soziale Ungleichheit im Zugang zu medizinischer Versorgung.
Selbst Millionen schützen nicht: Warum reiche Amerikaner früher sterben als arme Europäer
Ein weiteres bemerkenswertes Detail unterstreicht die tiefen Unterschiede zwischen Europa und den USA: Selbst wohlhabende Amerikaner sterben im Schnitt früher als arme Europäer. Das belegt eine Langzeitstudie der Brown University School of Public Health, die die Sterberaten von mehr als 73.000 Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks verglich.
Das Ergebnis: Amerikaner – unabhängig vom Einkommen – haben eine geringere Lebenserwartung als Europäer. Besonders drastisch fällt der Unterschied im Vergleich zu Westeuropa aus: Dort überleben selbst Menschen mit geringen finanziellen Mitteln häufiger als in den USA die Reichsten.
Forscherinnen wie Sara Machado und Irene Papanicolas nennen strukturelle Ursachen: Ein fragmentiertes Gesundheitssystem, soziale Ungleichheit und hohe Stressbelastung führen dazu, dass selbst Reichtum keinen effektiven Schutz bietet. In Europa hingegen sorgen breitere soziale Netze und ein universeller Zugang zu medizinischer Versorgung dafür, dass Gesundheit weniger vom Kontostand abhängt.
Das virale Bild aus Marbella bekommt damit eine noch tiefere Bedeutung: Es zeigt nicht nur eine entspannte Szene, sondern ein anderes Verständnis davon, was ein gutes, langes Leben wirklich ausmacht.
Warum das Bild aus Marbella eine so starke Reaktion auslöst
Das Foto spiegelt diesen tiefen Gegensatz perfekt wider: Es zeigt nicht Reichtum oder Effizienz – sondern Genuss, Gemeinschaft und ein selbstverständliches Miteinander im öffentlichen Raum.
Für viele Amerikaner wirkt genau das fremd oder gar bedrohlich, weil ihr Lebensmodell stärker auf Individualismus, Wettbewerb und Arbeit fixiert ist. Für viele Europäer hingegen ist es ein alltäglicher Anblick und Ausdruck einer Philosophie: Das Leben ist mehr als Arbeit – es geht um Gemeinschaft, Genuss und Lebensfreude.
Kurz zusammengefasst:
- Ein virales Foto aus Marbella zeigt die kulturellen Unterschiede zwischen Europa und den USA: Lebensfreude und Gemeinschaft stehen Effizienz und Arbeit gegenüber.
- Trotz höherem BIP und Reichtum schneiden Amerikaner bei Sicherheit, Gesundheit und Lebenserwartung deutlich schlechter ab als viele Europäer.
- Der Begriff „Europoors“ beschreibt diese Gegensätze ironisch und erinnert daran, dass Lebensqualität mehr bedeutet als wirtschaftlicher Erfolg.
Übrigens: Wer sich als Kind geborgen fühlt, sieht die Welt später oft als sicheren Ort – unabhängig von Geld oder Wohngegend. Mehr dazu in unserem Artikel.
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