Zwischen Mann und Frau: Was bedeutet „Intergeschlechtlichkeit“?
„Intergeschlechtlichkeit“ beschreibt ein Phänomen, bei dem keine eindeutige Zuordnung zu einem der beiden gängigen Geschlechter möglich ist.
Intersexualität – auch Intergeschlechtlichkeit genannt, um dem Missverständnis vorzubeugen, dass es sich hierbei um eine Art der sexuellen Orientierung handelt – ist eine biologische Realität, die etwa 1,7 Prozent der Bevölkerung betrifft. Diese Menschen werden mit Geschlechtsmerkmalen geboren, die nicht eindeutig als männlich oder weiblich klassifiziert werden können.
Von wie vielen intergeschlechtlichen Menschen reden wir?
Zum Vergleich: Der Prozentsatz an Menschen, die mit roten Haaren geboren werden, ist in etwa genauso hoch. Studien zeigen, dass bei etwa jedem tausendsten Neugeborenen das Geschlecht bei der Geburt nicht klar erkennbar ist und ungefähr 1,3 von 1.000 Babys mit sichtbaren intergeschlechtlichen Merkmalen zur Welt kommen. Viele Menschen stellen jedoch erst während der Pubertät oder sogar später fest, dass ihr Körper und ihre Geschlechtsorgane nicht mit der von ihnen gelebten oder gefühlten Geschlechtsidentität übereinstimmen.
Medizinische und biologische Aspekte der Intergeschlechtlichkeit
Intergeschlechtlichkeit lässt sich oft auf Chromosomenvariationen zurückführen, die sich von den für Männer und Frauen typischen XY- und XX-Geschlechtschromosomen unterscheiden. In einigen Fällen können auch ein zu hoher oder zu niedriger Testosteron- oder Östrogenspiegel zur Veränderung der Geschlechtsmerkmale eines Fötus beitragen. Dies kann sowohl genetisch bedingt sein als auch durch Krankheiten, Medikamente oder Gifte verursacht werden, die die Produktion von Hormonen stören.
Zwei bekannte Formen der Intergeschlechtlichkeit sind das Adrenogenitale-Syndrom (AGS) und das Androgenresistenz-Syndrom (AIS). AGS führt dazu, dass Menschen mit weiblichen Chromosomen erhöhte Androgene wie Testosteron produzieren, während AIS sich dadurch auszeichnet, dass Menschen mit männlichen Chromosomen Androgene teilweise nicht aufnehmen können. Trotz danach klingender Begrifflichkeiten sind intergeschlechtliche Menschen jedoch nicht per se „krank“: In vielen Fällen bedarf ihr Zustand keinerlei medizinischer Behandlung. Laut Brigitte ist bei Intergeschlechtlichkeit daher eher von einem „natürlichen Charakteristikum“ die Rede.
Rechtliche Lage intergeschlechtlicher Menschen in Deutschland
In den letzten Jahrzehnten hat Deutschland wichtige rechtliche Schritte unternommen, um die Rechte intergeschlechtlicher Menschen zu stärken. Seit 2005 dürfen nicht nur die Eltern, sondern auch die betroffenen Kinder selbst entscheiden, ob sie geschlechtsangleichende Operationen durchführen lassen, sofern sie alt genug sind. Im Jahr 2018 wurde das dritte Geschlecht im Personenstandsgesetz anerkannt, wodurch Menschen sich offiziell als „divers“ eintragen lassen können. Eine weitere bedeutende Änderung trat erst 2021 in Kraft, die geschlechtsangleichende Operationen bei Kindern verbietet, sofern sie nicht dem Wohl des Kindes dienen. Diese gesetzlichen Anpassungen sollen intergeschlechtlichen Menschen mehr Autonomie über ihren eigenen Körper und ihre Identität ermöglichen.
Trotz gesetzlicher Fortschritte erfahren intergeschlechtliche Menschen immer noch Diskriminierung und Ausgrenzung, was ihre psychische Gesundheit beeinträchtigen kann. Der lange Weg zur gesellschaftlichen Anerkennung und die Kritik an medizinischen Eingriffen, die oft ohne das Einverständnis der Betroffenen durchgeführt wurden, verdeutlichen die Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert sind.
Intergeschlechtlichkeit ist keine Krankheit
Bei Intergeschlechtlichkeit handelt sich um eine natürliche Variation des menschlichen Körpers. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft und insbesondere Fachpersonal in der Medizin und im Rechtswesen dies anerkennen und entsprechend sensibel und respektvoll mit intergeschlechtlichen Menschen umgehen. Die Einführung des dritten Geschlechts und die Einschränkung der geschlechtsangleichenden Operationen sind Schritte in die richtige Richtung, um den intergeschlechtlichen Personen mehr Selbstbestimmung und Anerkennung zu gewähren. Dennoch liegt ein langer Weg vor intergeschlechtlichen Menschen und der Gesellschaft bis zur vollständigen Akzeptanz.
Was du dir merken solltest:
- Intergeschlechtlichkeit ist eine natürliche Form der menschlichen Körperdiversität und keine Krankheit.
- Die Anerkennung eines dritten Geschlechts sowie die Beschränkung von geschlechtsangleichenden Operationen stärken die Selbstbestimmung intergeschlechtlicher Menschen.
- Es ist wesentlich, dass medizinisches und rechtliches Fachpersonal intergeschlechtliche Personen sensibel und respektvoll behandelt.
Bild: © Vecteezy
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