Gezielter als je zuvor: Dieser neue Wirkstoff könnte Allergien von innen heraus blockieren

Ein neuer Wirkstoff hemmt einen spezifischen Rezeptor und verhindert so starke allergische Reaktionen.

Neuer Wirkstoff blockiert Allergie direkt im Körper

Der Wirkstoff greift genau dort an, wo allergiebedingter Juckreiz entsteht – direkt an der Schaltstelle in den Immunzellen. © Pexels

Ein einfacher Mückenstich kann lästig sein – Rötung, Juckreiz und Schwellung sind typische Folgen. Doch bei vielen Menschen reagiert das Immunsystem deutlich heftiger. Ein neu entdeckter Wirkstoff könnte nun gezielt bei Allergie helfen und gefährliche Überreaktionen des Körpers verhindern. Forscher der Universität Bonn haben ihn gemeinsam mit internationalen Partnern entwickelt und einen zentralen Schalter in den Immunzellen identifiziert, den die Substanz zuverlässig blockiert. Die Ergebnisse der Studie erschienen im Fachjournal Signal Transduction and Targeted Therapy.

Unbekannter Rezeptor löst Entzündungen direkt aus

Mastzellen gehören zu den wichtigsten Akteuren bei allergischen Reaktionen. Sie enthalten aggressive Entzündungsstoffe und können nicht nur über Antikörper, sondern auch direkt aktiviert werden – etwa durch Medikamente oder chemische Reize. „Dadurch werden ebenfalls allergische Reaktionen ausgelöst, mit dem Unterschied, dass diese bis heute nur schlecht zu behandeln sind“, erklärt Prof. Dr. Christa Müller, die an der Universität Bonn lehrt und forscht.

Ihre Arbeitsgruppe entdeckte bereits vor 15 Jahren einen speziellen Rezeptor namens MRGPRX2, der auf Mastzellen sitzt. Wenn dieser aktiviert wird, feuert die Zelle sofort ihre entzündungsfördernden Stoffe ab – und löst dabei Reaktionen aus, die für Betroffene schnell gefährlich werden können.

Forscher nutzen leuchtende Zellen zum Wirkstoff-Screening

Die große Frage: Wie lässt sich dieser Rezeptor gezielt ausschalten? Müllers Team griff auf eine umfangreiche Substanzsammlung mit rund 40.000 Verbindungen zurück. Viele dieser Stoffe konnten bereits an ähnliche Rezeptoren andocken. Gemeinsam mit Forschern aus Belgien, Polen, den USA und Deutschland testeten sie, ob sich darunter ein Kandidat befindet, der MRGPRX2 wirksam blockiert.

„Wir haben Zellen verwendet, die aufleuchten, wenn MRGPRX2 aktiviert ist“, sagt Ghazl Al Hamwi, Doktorandin und Erstautorin der Studie. „So konnten wir testen, ob diese Substanzen die Aktivierung des Rezeptors wirksam blockieren und dadurch das Lichtsignal ausschalten.“

Wirkstoff wirkt bereits in winzigen Mengen

Das Team wurde fündig: Eine Verbindung unterband die Reaktion zuverlässig und das bereits in extrem geringen Konzentrationen. Durch chemische Modifikationen verbesserten die Wissenschaftler den Wirkstoff weiter. Er wurde stabiler, gezielter und blieb länger im Körper aktiv. Vor allem: Er beeinflusste ausschließlich MRGPRX2 und ließ andere Prozesse im Immunsystem unberührt.

Diese Präzision unterscheidet ihn deutlich von bisherigen Medikamenten, die oft zu breit wirken und damit auch unerwünschte Nebenwirkungen auslösen können.

In Mäusen stoppt der Wirkstoff allergische Schockreaktionen

In Tierversuchen mit Mäusen konnte der neue Blocker seine Wirkung unter Beweis stellen. Er verhinderte bei den Tieren vollständig eine künstlich ausgelöste, lebensbedrohliche allergische Reaktion. „In Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen aus Polen konnten wir zeigen, dass bei Mäusen dadurch lebensbedrohliche allergische Reaktionen komplett unterbunden werden“, sagt Al Hamwi.

Dieser gezielte Eingriff eröffnet neue Möglichkeiten in der Behandlung von Erkrankungen, bei denen Mastzellen eine zentrale Rolle spielen – darunter nicht nur Allergien, sondern auch bestimmte Migräneformen und Reizdarmsyndrome.

Wirkstoff stoppt Allergie-Reaktionen auch an menschlichen Zellen

Auch an menschlichen Zellen blockierte die Substanz zuverlässig den MRGPRX2-Rezeptor. Das bestätigt ihren potenziellen therapeutischen Nutzen. „Wir halten die Substanz daher für ausgesprochen vielversprechend“, betont Prof. Müller.

Bisherige Therapien konnten viele dieser Reaktionen nicht ausreichend stoppen, weil sie an anderen Stellen des Immunsystems eingreifen. Der neue Blocker greift direkt an der Ursache an – am Schalter selbst.

Neuer Therapieansatz könnte vielen Betroffenen helfen

Erkrankungen wie Asthma, Reizdarm, chronischer Juckreiz oder bestimmte Migräneformen gehen häufig auf eine Überreaktion der Mastzellen zurück. Der Rezeptor MRGPRX2 spielt dabei eine Schlüsselrolle. Mit dem gezielten Blocker steht nun erstmals ein Werkzeug zur Verfügung, das genau diesen Mechanismus unterbricht. Bis zur Anwendung am Menschen sind weitere Studien nötig – doch der Weg zu neuen Medikamenten ist geebnet.

Kurz zusammengefasst:

  • MRGPRX2 ist ein Schlüsselschalter bei schwer behandelbaren allergischen Reaktionen, der ohne Antikörper direkt Mastzellen aktiviert und starke Entzündungsreaktionen auslöst.
  • Ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Bonn hat einen Wirkstoff entdeckt, der diesen Rezeptor gezielt blockiert – bereits in sehr geringen Mengen und ohne andere Teile des Immunsystems zu beeinflussen.
  • Der Wirkstoff verhinderte in Tierversuchen lebensbedrohliche Reaktionen vollständig und zeigte auch an menschlichen Zellen eine klare Wirkung – ein möglicher Durchbruch für neue Allergie-Therapien.

Übrigens: Auch bei Lebensmittelallergien gibt es neue Hoffnung – Forscher entdeckten spezielle Darmzellen, die gefährliche Immunreaktionen verhindern. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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