Städte ohne Gesetze – Tech-Milliardäre drängen Trump zu unregulierten „Freedom Cities“
Tech-Milliardäre planen Freedom Cities, in denen Gesetze, Steuern und Arbeitnehmerrechte kaum gelten. Trump unterstützt die Sonderzonen.

Peter Thiel investierte erheblich in die „Startup-Nation“ Próspera und unterstützte deren wirtschaftliches Sonderzonen-Modell. © Wikimedia
In den USA könnte ein radikales Experiment bevorstehen: Städte, in denen Unternehmen das Sagen haben, statt demokratisch gewählter Regierungen – sogenannte „Freedom Cities“. Dort sollen Gentherapien ohne behördliche Prüfung, selbstfahrende Autos ohne Sicherheitsstandards und Atomkraftwerke ohne staatliche Kontrolle betrieben werden. Arbeitnehmerrechte? Kaum existent. Steuern? Minimal. Tech-Milliardäre treiben dieses Projekt voran – und Donald Trump scheint interessiert.
Freedom Cities – Sonderwirtschaftszonen ohne Kontrolle
Hinter dem Konzept steht laut einer Recherche des US-Magazins Wired die „Freedom Cities Coalition“ (FCC), eine Lobbygruppe aus Investoren und Unternehmern, die sich für entgrenzte Sonderwirtschaftszonen in den USA einsetzt. Ihr Ziel: Städte, die von Bundesgesetzen weitgehend befreit sind. Eine der treibenden Kräfte ist Próspera, eine private Wirtschaftszone auf der honduranischen Insel Roatán, die 2020 gegründet wurde. Dort gelten kaum staatliche Regeln, Unternehmen genießen Steuererleichterungen – doch die honduranische Regierung hält dieses Modell für illegal.
2022 schaffte das Parlament Sonderwirtschaftszonen ab, woraufhin Próspera den Staat verklagte. Nun will die FCC ein ähnliches System in den USA etablieren – mit Trump als Verbündeten.
Trump als Türöffner für die „Freedom Cities“
Schon 2023 stellte Trump die Idee im Wahlkampf vor: Zehn „Freedom Cities“ sollten entstehen, finanziert von privaten Investoren, errichtet auf Bundesland. Trey Goff, Sprecher von Próspera, macht deutlich, dass es nicht bei zehn Städten bleiben soll: „Nicht nur 10, sondern so viele, wie der Markt verträgt.“
Einer der einflussreichsten Unterstützer dieser Idee ist der Tech-Milliardär Peter Thiel. Er zählt zu den wichtigsten Finanziers von Donald Trump und setzt sich seit Jahren für eine radikale Deregulierung ein. Thiel investiert gezielt in Projekte, die staatliche Strukturen umgehen und Unternehmensinteressen stärken. Mit seinem Risikokapitalgeber Pronomos Capital fördert er „Startup-Nationen“ wie Próspera – und sieht in „Freedom Cities“ die perfekte Möglichkeit, dieses Konzept auf US-amerikanischen Boden zu bringen.
Wie Wired berichtet, laufen hinter verschlossenen Türen Gespräche zwischen der FCC, Trumps Umfeld und Unterstützern wie Thiel.
Goff beschreibt die Atmosphäre in Washington als euphorisch: „Die Energie in DC ist absolut elektrisierend.“ Die Gruppe arbeitet an einem Gesetzesentwurf, der die rechtlichen Grundlagen für diese Städte schaffen soll – mit dem Ziel, die ersten bereits in wenigen Jahren Realität werden zu lassen.
Parallelgesellschaften mit eigenen Gesetzen
Die FCC hat drei Modelle vorgeschlagen, um „Freedom Cities“ rechtlich abzusichern:
- Interstate Compacts: Bundesstaaten könnten eigene Regelwerke für bestimmte Gebiete erlassen – weitgehend irreversibel.
- Sonderwirtschaftszonen auf Bundesland: Städte, in denen Unternehmer statt gewählte Regierungen über Regeln entscheiden.
- Exekutivverordnungen durch Trump: Ein direkter politischer Weg zur Deregulierung.
Das Ziel: maximale Freiheiten für Konzerne, minimale Mitbestimmung für Bürger. Demokratische Kontrolle? Fehlanzeige.
Gen-Experimente und Atomkraft ohne Regulierung
Die Pläne sehen laut Wired vor, dass in diesen Städten selbst Hochrisiko-Technologien ohne Genehmigung erprobt werden können. So plant das Biotech-Unternehmen Minicircle Gentherapie-Experimente in sogenannten „Longevity Cities“ – ohne FDA-Zulassung. Das Biotech-Unternehmen wurde mit Kapital von Peter Thiel und OpenAI-CEO Sam Altman gegründet und betreibt Standorte in Austin, Texas, sowie in Próspera. Mitbegründer Mac Davis kooperiert zudem mit der Frontier Foundation.
„Ich möchte eine ‚Longevity City‘, in der jeder und sein Hund eine Gentherapie macht“, erklärt Mitbegründer Mac Davis.
Auch die Energiebranche könnte profitieren: Google hat bereits einen Vertrag mit einem Atomkraftunternehmen geschlossen, Meta sucht nach Lösungen für KI-Rechenzentren mit Nuklearstrom. Ohne staatliche Regulierung könnten Betreiber Umwelt- und Sicherheitsvorgaben umgehen – auf Kosten der Allgemeinheit.
„Das werden Städte ohne Demokratie sein“
Die Pläne der FCC stoßen auf massive Kritik. Gil Duran, ehemaliger Politikberater, warnt dem Bericht von Wired zufolge vor einem völligen Kontrollverlust: „Das werden Städte sein, in denen die Eigentümer, die Unternehmen, die Milliardäre alle Macht haben – und alle anderen keine Macht.“ Arbeitnehmerrechte? Gewerkschaften? Sozialstandards? All das könnte in „Freedom Cities“ ausgehebelt werden.
Nick Allen von der Frontier Foundation, einem der Unterstützer der Idee, sieht das anders. Er argumentiert, dass bestehende Vorschriften Innovationen verhindern und abgebaut werden müssten: „Es gibt so viel Kapital und es gibt so viel politischen Willen, aber es gibt eine Unfähigkeit, diese Technologien zu entwickeln. Und die Unfähigkeit rührt von Platzmangel und zu vielen Vorschriften her.“
Ein Zukunftsmodell oder eine Gefahr für die Gesellschaft?
Die kommenden Monate könnten darüber entscheiden, ob die „Freedom Cities“ Realität werden. Doch eines ist klar: Hier geht es nicht um das Wohl der Menschen, sondern um die Macht von Unternehmen. Was als Experiment für Innovationen verkauft wird, könnte sich als Gefahr für Demokratie, Umwelt und soziale Gerechtigkeit entpuppen. Die Frage bleibt: Werden diese Städte tatsächlich gebaut – und wenn ja, zu wessen Vorteil?
Kurz zusammengefasst:
- Tech-Milliardäre wollen mit Trumps Unterstützung „Freedom Cities“ schaffen: Sonderwirtschaftszonen ohne staatliche Aufsicht, Steuern oder Arbeitnehmerrechte, in denen Unternehmen uneingeschränkte Kontrolle hätten.
- Drei Modelle stehen zur Debatte: Interstate Compacts zwischen Bundesstaaten, Bundesenklaven mit eigenen Wirtschaftsgesetzen oder Exekutivverordnungen durch Trump.
- Kritiker warnen vor demokratiefeindlichen Strukturen: Statt Innovation droht ein System, in dem Großkonzerne Gesetze diktieren und soziale Rechte ausgehöhlt werden.
Übrigens: In den geplanten Freedom Cities könnten nicht nur Gesetze fallen, sondern auch die Grenzen des Alterns. Investoren wie Bryan Johnson und Dave Asprey stecken Millionen in Longevity-Technologien – unregulierte Sonderzonen wären für solche Experimente ideal. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Gage Skidmore / Peter Thiel via Wikimedia unter CC BY-SA 2.0