Schlafmangel im Schichtdienst: Warum Pflegekräfte im Gesundheitswesen ständig krank sind

Nachtarbeit sorgt bei Pflegekräften für überdurchschnittlich viele Infektionen. Schlafmangel ist nur eine mögliche Ursache.

Pflegekräfte mit Nachtarbeit haben ein um 28 Prozent erhöhtes Risiko, an einer Erkältung zu erkranken. Bei ständig wechselnden Schichten ist das Risiko sogar noch größer. © Vecteezy

Pflegekräfte mit Nachtarbeit haben ein um 28 Prozent erhöhtes Risiko, an einer Erkältung zu erkranken. Bei ständig wechselnden Schichten ist das Risiko sogar noch größer. © Vecteezy

Pflegekräfte, die nachts arbeiten, sind häufiger von Infektionen betroffen als ihre Kollegen mit Tagdiensten. Das zeigt eine Studie der Taylor & Francis Group, die 1.335 norwegische Pflegekräfte befragte. Ein hoher Schlafmangel steigert das Risiko für Erkältungen, Bronchitis und Magen-Darm-Infektionen. Die Untersuchung bestätigt damit frühere Forschung, die einen Zusammenhang zwischen Schlafmangel und einer geschwächten Immunabwehr festgestellt hat.

Schlafmangel verstärkt Gesundheitsrisiken

Die Datenanalyse ergab, dass Pflegekräfte mit Nachtarbeit ein um 28 Prozent erhöhtes Risiko hatten, an einer Erkältung zu erkranken. Wer regelmäßig zwischen verschiedenen Schichten wechselte und dabei 1 bis 20 Nachtschichten pro Jahr leistete, hatte eine um 49 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, sich zu erkälten.

Pflegekräfte, die zwei oder mehr Stunden weniger schliefen, als sie benötigten, hatten ein um 132 Prozent erhöhtes Risiko für Bronchitis und eine um 145 Prozent gesteigerte Wahrscheinlichkeit für Magen-Darm-Infektionen. Auch Sinusitis trat bei dieser Gruppe doppelt so häufig auf.

Veränderungen im Hormonhaushalt schwächen das Immunsystem

Eine mögliche Erklärung für das erhöhte Infektionsrisiko liegt in der Veränderung des Hormonhaushalts durch Schlafmangel. Studien zeigen, dass das Stresshormon Cortisol, das für die Immunabwehr wichtig ist, durch unregelmäßige Schlafzeiten aus dem Gleichgewicht gerät. Dadurch können sich Krankheitserreger leichter ausbreiten.

Besonders problematisch ist, dass viele Pflegekräfte sich aufgrund von Personalmangel trotz Krankheit nicht krankmelden, was die Verbreitung von Infektionen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen weiter begünstigt.

Neben akuten Infektionen sind langfristige Gesundheitsfolgen von Schlafmangel nicht zu unterschätzen. Chronischer Schlafmangel steht im Verdacht, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Depressionen zu erhöhen. Dies könnte bedeuten, dass Pflegekräfte, die regelmäßig Nachtdienste leisten, auch langfristig gesundheitliche Nachteile haben.

Schlafdauer hat geringeren Einfluss als erwartet

Im Gegensatz zu früheren Studien stellte die Studie keinen direkten Zusammenhang zwischen der gesamten Schlafdauer und Infektionen fest. Die Forscher vermuten, dass nicht die absolute Schlafzeit, sondern die Differenz zwischen benötigtem und tatsächlichem Schlaf entscheidend ist. Besonders gefährdet sind demnach Personen, die dauerhaft mit einer hohen „Schlafschuld“ leben.

Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass der Körper sich teilweise an eine kürzere Schlafdauer anpassen kann, solange der Schlaf regelmäßig ist. Doch wenn die Schlafzeiten stark schwanken und die Betroffenen nicht genug erholsamen Schlaf bekommen, scheint das Immunsystem besonders geschwächt zu werden.

Keine Korrelation zwischen schnellen Wechseln und Infektionen

Interessanterweise fanden die Forscher keine eindeutige Verbindung zwischen sogenannten „Quick Returns“ – also kurzen Pausen von weniger als elf Stunden zwischen zwei Schichten – und einem höheren Infektionsrisiko. Trotz der negativen Auswirkungen auf den Schlaf schienen diese kurzen Erholungszeiten keinen direkten Einfluss auf Infektionshäufigkeiten zu haben.

Dies könnte daran liegen, dass die Betroffenen sich nach besonders anstrengenden Schichten oft zusätzliche Erholung gönnen, um den Schlafmangel auszugleichen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die individuelle Anpassungsfähigkeit eine Rolle spielt: Manche Pflegekräfte kommen besser mit schnellen Wechseln zurecht als andere.

Konsequenzen für das Schichtmodell

Um das Infektionsrisiko zu senken, könnten Arbeitgeber gezielt Maßnahmen ergreifen, um den Schlafmangel ihrer Mitarbeiter zu minimieren. Dazu gehören optimierte Schichtmodelle mit weniger aufeinanderfolgenden Nachtschichten sowie gezielte Pausenzeiten. Auch eine flexiblere Arbeitsgestaltung, die sich stärker an den individuellen Schlafrhythmen orientiert, könnte helfen.

Kurz zusammengefasst:

  • Pflegekräfte mit Nachtarbeit haben ein deutlich höheres Risiko für Infektionen wie Erkältungen, Bronchitis und Magen-Darm-Erkrankungen.
  • Eine Studie der Taylor & Francis Group zeigt, dass nicht nur die Arbeitszeit, sondern vor allem die daraus resultierende Schlafschuld das Immunsystem schwächt.
  • Besonders problematisch ist, dass viele Betroffene trotz Krankheit weiterarbeiten, was die Verbreitung von Infektionen zusätzlich begünstigt.

Übrigens: Schichtarbeit kann nicht nur den Schlafrhythmus durcheinanderbringen, sondern auch das Risiko für Adipositas und Diabetes drastisch erhöhen. Warum Nachtschichten den Körper aus dem Gleichgewicht bringen und welche Lösungen Forscher jetzt entwickeln, mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Vecteezy

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