Psychologin verrät: Der Selbstwert von Kindern entsteht zu Hause – diese Fehler sollten Eltern vermeiden
Selbstwert entsteht nicht von allein: Kinder lernen von ihren Eltern, wie sie sich selbst sehen – mit allen Stärken und Schwächen.
Der Selbstwert eines Kindes entsteht nicht von allein – er wächst vor allem durch das, was es zu Hause erlebt. Eltern spielen dabei eine zentrale Rolle. Doch was bedeutet das im Alltag? Es geht um mehr als gutes Zureden oder Lob. Kinder lernen von klein auf, wie sie mit Herausforderungen, Konflikten und ihren Gefühlen umgehen. Die Familien- und Karrieretherapeutin Brigitte Scheidt erklärt, was Eltern tun können, um ihren Kindern ein stabiles Selbstbewusstsein mitzugeben und welche Fehler vermieden werden sollten.
Warum emotionale Anerkennung so wichtig ist
Kinder brauchen das Gefühl, mit ihren Emotionen gesehen und ernst genommen zu werden. Ein Beispiel: Ein Kind spielt vertieft mit Bauklötzen, als plötzlich das Essen auf den Tisch kommt und es unterbrochen wird. Diese Situation kann Frust auslösen. Statt nur zu sagen: „Komm sofort!“, sollten Eltern die Emotionen benennen: „Ich sehe, dass du dich ärgerst. Das verstehe ich.“ Das Kind fühlt sich dadurch wahrgenommen. Anschließend können die Eltern entscheiden, ob sie sich durchsetzen, einen Kompromiss vorschlagen oder das Kind noch kurz weiterspielen lassen.
Wenn Kinder früh lernen, dass ihre Gefühle akzeptiert werden, entwickeln sie Vertrauen in sich selbst. Laut der FAZ stärkt das ihre Fähigkeit, in schwierigen Momenten souverän zu bleiben.
Klare Botschaften statt Überforderung
Ein häufiger Fehler vieler Eltern ist der Versuch, Kindern Dinge zu rational erklären zu wollen – oft zu früh. Das Problem: Kinder im Alter von drei oder vier Jahren können den Gedankengängen Erwachsener oft nicht folgen. Appelle wie „Das musst du doch verstehen“ überfordern sie und lassen sie hilflos zurück. Stattdessen hilft es, klare Ansagen zu machen und dabei altersgerechte Begriffe zu nutzen.
Die Psychotherapeutin Scheidt betont außerdem, dass Kinder feine Beobachter sind. Wenn Eltern etwas sagen, aber etwas anderes fühlen, merken Kinder den Widerspruch. Ein Beispiel: Eltern sagen „Du bist das Wichtigste für mich“, strahlen aber dabei Unruhe und Ungeduld aus. Diese „doppelten Botschaften“ verunsichern Kinder und wirken sich bis ins Erwachsenenalter aus. Erwachsene, die so aufgewachsen sind, zweifeln oft an ihrer Wahrnehmung und tun sich schwer, Entscheidungen selbstbewusst zu treffen.
Lob stärkt den Selbstwert – aber nur auf Augenhöhe
Lob und Anerkennung helfen Kindern, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Wichtig ist dabei, dass Lob ehrlich und nicht übertrieben ist. Wird ein Kind für jede Kleinigkeit gelobt, verliert das Lob an Bedeutung. Es sollte sich auf konkrete Leistungen oder Verhaltensweisen beziehen, etwa: „Ich finde es toll, wie du deinem Bruder beim Aufräumen geholfen hast.“ Solche Rückmeldungen stärken das Selbstwertgefühl nachhaltig.
Scheidt betont, dass abwertende Kommentare das Gegenteil bewirken. Wird ein Kind für ein Missgeschick wie ein umgekipptes Glas Kakao getadelt oder mit Sätzen wie „Du bist aber tollpatschig“ beschämt, speichert es diese Erlebnisse ab. Es denkt irgendwann: „Ich bin nicht gut genug.“
Warum Eltern auf sich selbst achten sollten
Eltern wollen meist alles richtig machen, um ihren Kindern das Beste mitzugeben. Besonders Mütter neigen laut Scheidt dazu, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und sich vollkommen auf die Kinder zu konzentrieren. Doch dieser Druck schadet allen Beteiligten. Kinder nehmen wahr, wenn ihre Eltern erschöpft sind oder ihre Bedürfnisse verleugnen.
Kinder lernen dadurch, sich selbst zu vernachlässigen, weil sie denken: „Ich muss funktionieren.“ Eltern, die hingegen ihre eigenen Grenzen kennen und offen zeigen, dass es in Ordnung ist, auch mal „nein“ zu sagen oder um Unterstützung zu bitten, geben ihren Kindern ein wertvolles Beispiel.
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Unterstützen statt überfordern
Für den Selbstwert eines Kindes ist es wichtig, dass es Rückhalt erfährt, aber auch Raum bekommt, eigene Entscheidungen zu treffen. Eltern sollten dabei die Balance halten: Sie dürfen ihre Kinder ermutigen, gleichzeitig aber akzeptieren, wenn sie eigene Wege gehen wollen. Die Herausforderung liegt laut Scheidt darin, die Kinder zu begleiten, ohne sie zu lenken – und ihnen Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu schenken. Wer achtsam mit den eigenen Erwartungen umgeht und auch die Eigenständigkeit seines Kindes respektiert, stärkt damit dessen Selbstwert und bereitet es auf ein erfülltes Leben vor.
Was du dir merken solltest:
- Kinder entwickeln ein gesundes Selbstbewusstsein, wenn ihre Gefühle ernst genommen werden und sie spüren, dass sie Einfluss haben dürfen.
- Klare Ansagen und ehrliches Lob stärken das Selbstwertgefühl, während widersprüchliche Botschaften und Abwertungen zu Unsicherheit führen.
- Eltern, die auf ihre eigenen Bedürfnisse achten und authentisch handeln, geben ihren Kindern ein wichtiges Vorbild für Selbstvertrauen und Resilienz.
Bild: © Vecteezy