„Es funktioniert nur, weil mein Mann im Homeoffice arbeitet“: Eine Mutter über den Spagat zwischen Familie und Beruf
Wie schafft man es, Familie und Job unter einen Hut zu kriegen? Eine Mutter berichtet von ihren täglichen Herausforderungen und warum Hilfe so wichtig ist.
Ina, die eigentlich anders heißt, ist 42 Jahre alt und Kommunikationsleiterin in einem mittelständischen Unternehmen in Baden-Württemberg. Gemeinsam mit ihrem Mann und zwei Töchtern jongliert sie täglich die Herausforderungen zwischen Job und Familie. Für sie stehen drei Worte im Mittelpunkt, wenn es um Vereinbarkeit geht: „Anstrengend. Herausfordernd. Arbeit.“
Wie viele Eltern hat sie sich vor der Geburt ihrer Kinder keine Gedanken über die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie gemacht, erzählt Ina in einem Interview mit der WirtschaftsWoche (WiWo). „Das Ziel war erst einmal, Kinder zu bekommen“, erklärt sie. Doch die Realität holte sie schnell ein, als sie nach einem Jahr Elternzeit in den Job zurückkehrte. Sie startete mit 20 Stunden pro Woche und arbeitete sich bis zur Vollzeitstelle hoch – gerade rechtzeitig zur Geburt ihres zweiten Kindes.
Ein fragiles Gleichgewicht
Heute ist das Familienmodell der vierköpfigen Familie stark durchgeplant. Ihr Mann arbeitet komplett im Homeoffice und teilt sich die Kinderbetreuung und Haushaltspflichten mit Ina. „Sollte sich das irgendwann ändern, stürzt unser Konstrukt ein“, sagt sie offen. Besonders wichtig ist ihr, dass ihr Mann von Anfang an eine enge Bindung zu den Töchtern aufgebaut hat. „Viele Mütter isolieren sich mit dem Kind, aber ich wollte, dass er gleichwertig als Bezugsperson wahrgenommen wird.“
Eine externe Unterstützung für spontane Notfälle gibt es kaum. „Meine Eltern leben 300 Kilometer entfernt, und die Schwiegereltern sind leider verstorben.“ Nur ihre Schwägerin, die nebenan wohnt, springt ab und zu ein. Das monatliche Haushaltseinkommen liegt zwischen 6.000 und 7.000 Euro. Dennoch ist jede zusätzliche Hilfe, wie etwa eine Haushaltshilfe, eine finanzielle Überlegung. „Ich muss noch lernen, dass es kein Versagen ist, Hilfe anzunehmen.“
„Ich hatte das Gefühl, nicht mehr Teil der Familie zu sein“
Besonders belastend empfand Ina die Jahre, als sie täglich zu ihrem früheren Arbeitgeber pendelte. „Ich habe um 7 Uhr morgens das Haus verlassen und war vor 20 Uhr nicht zurück“, erinnert sie sich. Ihre Kinder hat sie in dieser Zeit kaum gesehen. Das sei der Punkt gewesen, an dem sie die Notbremse zog. „Wenn man einmal in diesem Hamsterrad steckt, braucht es Zeit, bis man merkt, dass das so nicht weitergehen kann.“
Die Kündigung fiel ihr schwer, da sie über zehn Jahre in dem Unternehmen gearbeitet hatte. Nach einer kurzen Phase der Selbstständigkeit, die durch die Corona-Pandemie erschwert wurde, fand Ina eine neue Stelle, die ihr mehr Flexibilität bietet. „Ich arbeite jetzt wieder Vollzeit, aber unter besseren Bedingungen.“
Kinder und Karriere – Warum es Müttern schwerer gemacht wird
Wie viele berufstätige Mütter erlebt Ina immer wieder subtile Kommentare und Urteile. „Letztens auf einem Elternabend wurde ich gefragt, ob wir denn nicht abends noch für unsere Kinder warm kochen. Nein, machen wir nicht. Deshalb haben wir den Hort.“ Solche Bemerkungen, sagt sie, seien typisch für ein Umfeld, in dem viele Eltern ihre Kinder nicht in Vollzeitbetreuung geben.
Früher haben sie solche Aussagen stark getroffen. „Ich hatte oft ein schlechtes Gewissen“, gibt sie zu. Doch mittlerweile hat sie gelernt, sich ein dickeres Fell zuzulegen. „Jeder hat schließlich ein anderes Familienmodell.“
Homeoffice als Lebensretter
Die Corona-Pandemie hat aus Inas Sicht wenigstens einen positiven Effekt gehabt: „Wenn Corona auch nur eine gute Sache bewirkt hat, dann dass es mit der Vereinbarkeit durch die Homeoffice-Regelungen einfacher wird.“ Ihr Mann, der komplett remote arbeitet, ist dabei der Schlüssel, damit der Alltag funktioniert.
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Dank flexibler Arbeitszeiten kann Ina wichtige Termine wahrnehmen und trotzdem ihre Kinder unterstützen. „Ich muss zum Beispiel einmal pro Woche mit meiner Tochter zur Ergotherapie. Das steht offen in meinem Kalender, und es ist gar kein Problem.“ Die Arbeitskultur in ihrem neuen Unternehmen bezeichnet sie als deutlich familienfreundlicher.
„Man muss sich selbst nicht immer an letzte Stelle setzen“
Ina hat gelernt, sich nicht zu sehr zu vernachlässigen. „Ich muss noch an mir arbeiten, dass nicht immer alles zu 100 Prozent perfekt sein muss“, sagt sie. Um mehr Zeit für sich und ihre Familie zu haben, plant sie jetzt eine Haushaltshilfe ein.
Auch die Paarzeit sei ihr wichtig. In diesem Jahr flogen Ina und ihr Mann zum ersten Mal seit Jahren alleine weg. „Nur drei Nächte Mallorca, aber das war Gold wert.“
Die Herausforderungen der Vereinbarkeit von Job und Familie werden sich jedoch nicht einfach auflösen, meint Ina. „Die Schule fordert uns mehr heraus als die Kita. Es kostet viel Zeit und natürlich auch Paarzeit.“ Dennoch blickt sie optimistisch auf das, was sie und ihr Mann erreicht haben: „Wir wissen, dass wir beide ranmüssen. Und das klappt.“
Was du dir merken solltest:
- Vereinbarkeit als Herausforderung: Ina und ihr Mann organisieren den Alltag mit zwei Kindern durch klare Aufgabenteilung und Homeoffice-Lösungen, doch externe Unterstützung fehlt.
- Belastung durch Beruf und Familie: Pendelzeiten und berufliche Verpflichtungen führten dazu, dass Ina sich von ihrer Familie entfremdete, weshalb sie neue berufliche Wege einschlug, die mehr Flexibilität bieten.
- Lernprozess und Lösungsansätze: Ina hat gelernt, dass Vereinbarkeit auch bedeutet, Hilfe anzunehmen, Prioritäten zu setzen und Zeit für sich selbst und ihre Partnerschaft einzuplanen.
Übrigens: Eine Studie der Uni Konstanz hat untersucht, ob Homeoffice oder Büroarbeit gesünder für Beschäftigte ist. Mehr dazu kannst du in unserem Artikel nachlesen.
Bild: © Vecteezy