Wie Gold-Injektionen das Sehvermögen zurückbringen könnten

Gold-Nanopartikel könnten zerstörte Sehzellen umgehen und das Sehvermögen zurückbringen – ganz ohne Operation.

Wie Gold-Injektionen das Sehvermögen zurückbringen könnten.

Bei der Behandlung wird eine feine Kanüle verwendet, um Gold-Nanopartikel direkt in den Glaskörper des Auges zu injizieren – ein kurzer Eingriff, der ohne Operation auskommt und gezielt die Netzhautzellen erreicht. © Pexels

Was tun, wenn die Welt plötzlich verschwimmt, Farben verblassen und Gesichter nur noch Schatten sind? Millionen Menschen mit Verlust der zentralen Sehschärfe kennen diesen Alltag. Bisher konnten Therapien den Verlust des Sehvermögen höchstens verlangsamen, doch jetzt weckt ein ungewöhnlicher Stoff neue Hoffnung: Gold.

Ein Forschungsteam der Brown University setzt in ihren Untersuchungen auf winzige Goldpartikel, die direkt ins Auge injiziert werden. Die Methode soll helfen, geschädigte Netzhautzellen zu umgehen und das Sehvermögen wiederherzustellen, ganz ohne Operation.

Gold aktiviert Sehzellen durch Wärme

Die Goldpartikel sind so klein, dass sie tausendfach dünner als ein Haar sind. Sie binden sich gezielt an bestimmte Zellen im Auge, sogenannte Bipolarzellen, die unterhalb der beschädigten Sinneszellen sitzen. Ein Infrarotlaser regt sie dann an: Die Partikel erhitzen sich leicht, öffnen temperaturgesteuerte Ionenkanäle in den Zellen und lösen ein elektrisches Signal aus, das wie ein Lichtreiz zum Gehirn gelangt.

„Wir konnten zeigen, dass die Nanopartikel monatelang in der Netzhaut verbleiben, ohne nennenswerte Toxizität zu verursachen“, sagt Studienleiterin Jiarui Nie. Für Menschen mit fortgeschrittener Netzhautdegeneration könnte das ein entscheidender Vorteil sein, vor allem, weil sich der Eingriff auf eine einfache Injektion beschränkt.

Über den Glaskörper gelangen winzige Goldpartikel gezielt an die Netzhaut, wo sie bestimmte Nervenzellen aktivieren. © Nie et al., ACS Nano, 2025
Über den Glaskörper gelangen winzige Goldpartikel gezielt an die Netzhaut, wo sie bestimmte Nervenzellen aktivieren. © Nie et al., ACS Nano, 2025

Neue Methode ersetzt defekte Sehzellen direkt und effektiv

Bei Erkrankungen wie AMD (altersbedingter Makuladegeneration) sterben die lichtempfindlichen Sehzellen ab. Die Folge: Zunächst verschwimmt das Bild in der Mitte des Blickfelds, später kann das zentrale Sehvermögen ganz verloren gehen. Bisherige Behandlungen zielen meist darauf ab, das Fortschreiten zu bremsen, doch sie ersetzen nicht, was fehlt: funktionierende Zellen, die Licht in Signale verwandeln.

Die neue Methode überspringt diesen defekten Schritt. Statt auf kaputte Lichtzellen zu setzen, regt sie direkt die zweite Schicht des Sehsystems an. Die Signalverarbeitung läuft weiter, so, als würde das Auge wieder sehen.

Mittels Brille, Kamera und Goldpartikel werden Bilder ans Gehirn übersetzt

Für Menschen mit Sehbehinderung stellen sich viele Fragen: Wie kann ich noch sicher unterwegs sein? Wie erkenne ich Gesichter? Wie lese ich wieder? Die Vision der Wissenschaftler ist ein tragbares System: Eine Brille, die Bilder mit einer Kamera aufnimmt und per Infrarotlicht gezielt ins Auge überträgt. Die Goldpartikel übersetzen das Bild dann in Reize für das Gehirn.

„Das System könnte einen vollständigen Sehbereich mit hoher Auflösung abdecken, ganz ohne Implantate oder genetische Veränderungen“, so Nie. Für viele Betroffene wäre das eine große Erleichterung im Alltag.

Goldpartikel versprechen sanfte, langfristige Wirkung

In Experimenten mit Mäusen, deren Netzhaut stark geschädigt war, konnte das Team aus den USA zeigen, dass das Gehirn wieder auf Licht reagierte. Die Tiere erhielten Gold-Nanoröhrchen ins Auge und wurden anschließend mit einem Infrarotlaser bestrahlt.

Die Signale aus dem Sehsystem ließen sich im Gehirn eindeutig messen. „Und das ohne strukturelle Schäden oder Entzündungen“, wie die Forscher betonen. Selbst nach mehreren Wochen blieben die Partikel stabil – ein wichtiger Sicherheitsaspekt für mögliche Anwendungen beim Menschen.

Bei den Versuchsmäusen zeigten sich Verbesserungen des Sehvermögens. Abgebildet der Zustand vor, direkt nach und 28 Tage nach der Injektion. (v.l.n.r.) © Nie et al., ACS Nano, 2025
Bei den Versuchsmäusen zeigten sich Verbesserungen des Sehvermögens. Abgebildet der Zustand vor, direkt nach und 28 Tage nach der Injektion. (v.l.n.r.) © Nie et al., ACS Nano, 2025

Besonders bemerkenswert: Die Goldpartikel verteilen sich im gesamten Glaskörper und decken so große Bereiche der Netzhaut ab. Andere Techniken, wie klassische Implantate, erreichen oft nur kleine Regionen.

Zudem sind keine operativen Eingriffe nötig, keine Vollnarkose, keine Schnitte, kein Implantat. Das senkt das Risiko erheblich, gerade für ältere oder vorerkrankte Patienten. Die Partikel wirken nur bei gezielter Lichtbestrahlung, das macht die Methode steuerbar und flexibel.

Noch kein Einsatz am Menschen – aber Grund zur Hoffnung

Bis zur klinischen Anwendung bei Menschen ist es noch ein weiter Weg. Die Technik muss weiterentwickelt und umfassend geprüft werden. Doch der Ansatz ist vielversprechend, nicht nur wegen seiner Wirkung, sondern auch wegen seiner Einfachheit.

„Diese Innovation eröffnet neue Wege für tragbare Sehhilfen wie Laserbrillen“, schreiben die Studien-Autoren. Jiarui Nie glaubt, dass das Verfahren das Verständnis von Netzhautprothesen grundlegend verändern könnte – zugunsten einer schonenderen, präziseren und individuell anpassbaren Behandlung.

Kurz zusammengefasst:

  • Winzige Gold-Nanopartikel können mithilfe von Infrarotlicht gezielt Zellen in der Netzhaut aktivieren und so verlorenes Sehvermögen teilweise wiederherstellen.
  • Die Behandlung erfolgt durch eine einfache Injektion ins Auge, ist nicht-invasiv und kommt ohne Operation oder genetische Eingriffe aus.
  • Erste Tests an Mäusen zeigen stabile Effekte ohne Nebenwirkungen und eröffnen Perspektiven für neue Sehhilfen mit Laserbrille und Kamera.

Übrigens: Gold lässt sich tatsächlich aus Blei erzeugen – zumindest für den Bruchteil einer Sekunde. Beim CERN in Genf gelang Forschern erstmals der experimentelle Nachweis solcher kurzlebigen Goldkerne – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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