Forscher entdecken Bewegung – Die Venus ist doch kein toter Planet

Trotz extremer Hitze und Druck zeigt die Venus geologische Aktivität: Hunderte Coronae deuten auf innere Bewegung hin.

Venus doch aktiv: Neue Hinweise auf geologische Bewegung

Neue Analysen zeigen: Die Venus ist geologisch aktiv. Unter der Oberfläche steigen heiße Gesteinsmassen auf und verformen großflächig die Planetendecke. © Wikimedia

Die Venus gilt als glühende Hölle – ihre Oberfläche ist 460 Grad heiß und es herrscht ein 90 Mal größerer Druck als auf der Erde, der Knochen zerquetschen würde. Jahrzehntelang nahmen Forscher an, dass auf dem Planeten nichts mehr passiert. Keine Vulkane, keine Bewegungen, kein Leben. Doch jetzt deutet vieles darauf hin: Die Venus ist geologisch aktiv – und viel lebendiger als gedacht.

Ein internationales Team unter Leitung von Dr. Anna Gülcher von der Universität Bern hat neue Hinweise auf Bewegungen unter der Oberfläche der Venus gefunden. Sie nutzten dafür Radaraufnahmen der NASA-Raumsonde Magellan, die den Planeten in den 1990er-Jahren kartiert hatte. Die Forscher werteten die Daten mit heutigen Methoden neu aus und fanden überraschende Muster. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Science Advances veröffentlicht.

Venus ist aktiv – und das gleich an Hunderten Stellen

Im Fokus der Untersuchung standen sogenannte Coronae. Das sind ringförmige Strukturen auf der Oberfläche, teils über 1.000 Kilometer groß. Auf den ersten Blick wirken sie wie alte Einschlagskrater. Doch ihr Aufbau ist anders: Sie bestehen aus konzentrischen Ringen, Brüchen und Rissen – und das alles deutet auf Bewegung hin.

Die Forscher fanden 740 dieser Strukturen und nahmen die 75 größten besonders genau unter die Lupe. Auffällig war, dass zwei Drittel dieser Coronae mit Störungen im Schwerefeld der Venus verbunden sind. Das könnte bedeuten, dass sich unter der Oberfläche etwas bewegt – konkret: heißes Gestein, das aus dem Inneren nach oben drückt.

Aufsteigendes Gestein verformt die Oberfläche

Dr. Gülcher erklärt den Prozess so: „Es beginnt damit, dass sich Material im Inneren der Venus erwärmt. Das erwärmte Material steigt dann durch den Mantel in einem sogenannten Plume auf, der sich unter den Coronae befindet.“ Dadurch verformt sich die Oberfläche – wie eine Decke, unter der jemand gegen das Laken drückt.

Dieses Phänomen ist auf der Erde bekannt. Auch hier steigen sogenannte Mantelplumes aus der Tiefe auf und können Vulkane entstehen lassen – wie auf Hawaii. Doch auf der Venus läuft es etwas anders. Denn: Sie hat keine Plattentektonik.

Keine Erdplatten, trotzdem Bewegung

Auf der Erde bewegen sich gigantische Platten aus Gestein langsam gegeneinander. Diese Plattentektonik formt Gebirge, verursacht Erdbeben – und sorgt dafür, dass der Planet ständig im Wandel ist. Genau das, so dachten Experten, fehle der Venus.

Doch Gael Cascioli von der NASA sagt: „Coronae gibt es heute auf der Erde nicht, aber es könnte sie gegeben haben, als unser Planet noch jung war und bevor sich die Plattentektonik herausgebildet hat.“ Das heißt: Die Venus zeigt uns womöglich, wie die Erde vor Milliarden Jahren aussah.

Für Laien wirkt der Begriff „Coronae“ abstrakt. Doch er ist zentral, wenn es darum geht zu verstehen, warum diese Studie so besonders ist. Coronae sind gewissermaßen die Narben des Planeten – Zeichen von innerer Aktivität, die bis heute andauert.

Das Aufregendste an unserer Studie ist, dass wir jetzt sagen können, dass es höchstwahrscheinlich verschiedene aktive Prozesse gibt, die ihre Entstehung vorantreiben.

Dr. Anna Gülcher

Warum das für uns auf der Erde wichtig ist

Diese neuen Erkenntnisse sind mehr als reine Weltraumforschung. Sie geben Hinweise darauf, wie sich Planeten generell entwickeln – auch unsere Erde. Wenn es Prozesse gibt, die sowohl auf der Venus als auch auf der frühen Erde stattgefunden haben, lässt sich daraus vielleicht besser verstehen, warum unser Planet so geworden ist, wie er ist.

„Wir glauben, dass dieselben Prozesse schon früh in der Erdgeschichte stattgefunden haben könnten“, so Gülcher. Damit wird die Venus zu einem Archiv der Erdvergangenheit – nur unter extremeren Bedingungen.

Neue Raumsonden sollen Klarheit bringen

Noch beruhen viele der Analysen auf Daten aus den 1990er-Jahren. Die Forscher hoffen daher auf Nachschub. In den 2030er-Jahren sollen mit VERITAS (NASA) und EnVision (ESA) zwei neue Missionen starten, die mit modernen Instrumenten genauere Aufnahmen liefern können. Gülcher ist selbst Teil der Wissenschaftsteams beider Missionen. Sie hofft, bald noch klarere Antworten auf die Frage zu bekommen, wie aktiv die Venus wirklich ist – und wie ähnlich sie einst der Erde war.

Was die neuen Daten dann liefern, lässt sich noch nicht sagen. Aber eines ist klar: Die Venus ist kein toter Gesteinsbrocken, sondern ein dynamischer Planet, der gerade erst beginnt, seine Geschichte zu erzählen.

Kurz zusammengefasst:

  • Auf der Venus herrschen extreme Bedingungen – dennoch zeigt eine neue Studie mit Daten der NASA-Sonde Magellan, dass der Planet geologisch aktiv ist und unter seiner Oberfläche heißes Material aufsteigt.
  • Forscher der Universität Bern fanden hunderte sogenannte Coronae – ringförmige Strukturen, die durch innere Bewegungen entstanden sind und darauf hindeuten, dass die Venus nicht geologisch „tot“ ist.
  • Diese Prozesse ähneln Vorgängen auf der frühen Erde, weshalb die Venus wichtige Hinweise zur planetaren Entwicklung liefern könnte – neue Raumsonden sollen bald noch genauere Daten erfassen.

Übrigens: Während Forscher Hinweise auf geologische Aktivität der Venus entdecken, hat die NASA auch bei der fast 50 Jahre alten Voyager 1 Bewegung ins All gebracht: Sie reaktivierte Triebwerke, die seit 2004 stillstanden – kurz vor einer monatelangen Funkpause. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Kevin M. Gill via Wikimedia unter CC BY 2.0

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